Mittwoch, 30. Juni 2021

Winter Ridge - Winter Ridge: Eiskalte Jagd (2018)

https://www.imdb.com/title/tt5973658/

Für Detective Ryan Barnes (Matt Hookings) könnte es aktuell nicht besser laufen: Er hat gute Aussichten, bald befördert zu werden, und heute auch noch Geburtstag. Doch als er nach seinem Dienst nach Hause kommt, wird ihm mitgeteilt, dass seine Frau in einem schweren Autounfall verwickelt war und nun im Koma liegt. Sieben Monate später ist ihr Gesundheitszustand noch immer unverändert – und Barnes kommt mit dieser Situation nach wie vor nicht zurecht. Um sich abzulenken, stürzt er sich in die Suche nach einem Serienmörder, der es vor allem auf ältere Leute abgesehen hat...

"Winter Ridge" ist ein absolut belangloser Billig-Thriller mit Versatzstücken aus andern (guten) Thrillern, mit uncharismatischen, hölzernen Darstellern (und noch schlimmeren Komparsen), der ist nicht schafft, eine Spannungskurve aufzubauen, geschweigen denn zu halten. Die Dialoge sind unfassbar belanglos, die Geschichte langatmig. Obwohl hochwertig gefilmt und sogar mit einigermaßen ansprechendem Soundtrack unterlegt, holt "Winter Ridge" den Zuschauer in keiner Szene ab. Es erscheint unglaublich, dass der Film zahllose Preise gewonnen hat, inklusive dem "Best Feature Film"-Award auf dem Los Angeles International Film Festival und dem El Dorado Film Festival. Es kann nur sein, dass alle anderen dort gezeigten Filme noch schlechter waren, was ebenso unglaublich klingt. 

2/10

Quellen
Inhaltsangabe: Lighthouse

天·火 - Tiānhuǒ - Skyfire: Eine Insel in Flammen (2019)

https://www.imdb.com/title/tt9203190/

Die Insel Tianhuo gleicht einem Paradies. Es lässt die Leute fast vergessen, dass es sich im „Ring of Fire“ befindet, dem weltberühmten pazifischen Vulkangürtel. Der Vulkan bricht aus und das Schicksal der Menschen auf der Insel, zu denen auch die Besucher des vom gierigen Geschäftsmann Jack Harris (Jason Isaacs) gebauten Vergnügungsparks gehören, scheint besiegelt. Der Geologe Wentao Li (Xueqi Wang), der sich nach dem Tod seiner Frau bei einem Vulkanausbruch eigentlich geschworen hatte, nie mehr nach Tianhuo zurückzukehren, reist nun erneut auf die Insel, um seine Tochter Meng (Hannah Quinlivan) zu retten, die dort als Wissenschaftlerin arbeitet...

Die asiatische Variante von "Dante's Peak" kommt heutzutage natürlich auch nicht mehr ohne maßlose Übertreibungen und Komponenten aus "Jurassic Park" aus. Der chinesische Katastrophenfilm versucht aber immerhin dem Genre neue Zutaten hinzuzufügen, scheitert aber letztlich an wichtigen Grandelementen. Dennoch lässt "Skyfire" mit seiner Over the Top-Action bis zu einem gewissen Grad wenig Langeweile zu.

Doch die in sich (selbst in diesem Rahmen) unlogische Handlung (sofern man diese so nennen kann), sowie blasse Figuren mit entbehrlichen Dialogen werden aber wohl nur die wenigsten hinter dem Ofen hervorlocken. Aber mit diesen geht auch ein gewisser Charme einher, der bei der launigen Inszenierung über einiges hinwegsehen lässt. Simon Wests Katastrophenfilm kann sich zwar nicht mit (dem zugegeben auch nicht gerade weltbewegenden) "Volcano" oder "Dante's Peak" messen, ist aber auch kein grottenschlechter Film.


Zum Glück für den Film ist die Laufzeit moderat und es wird sich nicht sonderlich lange mit Figureneinführung oder anderen Nebenschauplätzen aufgehalten. Es knallt nach einem furiosen Beginn und weiteren 40 Minuten nahezu nonstop und sieht dabei auch nicht schlecht aus. Über mangelnden Unterhaltungswert kann man folglich nicht klagen, sofern man mit abenteuerlichen Ideen und unfreiwillig komischer Dramatik leben kann. Der optische Aufwand kann sich ebenso sehen lassen, der Rest darf getrost in einer Aschewolke untergehen. 

4,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Capelight

Dienstag, 29. Juni 2021

Voll normaaal (1994)

https://www.imdb.com/title/tt0111640/

Tommie (Tom Gerhardt) ist der absolute Looser im Heimatviertel Köln-Kalk: Keine Kohle, keine eigene Wohnung, keine Freundin. In der Auspuff-Werkstatt, in der er malocht, ist der Meister ständig sauer auf ihn. Doch Tommie ist tierisch gut drauf: Der Videofreak träumt sich begeistert durch die Phantasiewelt der Filmkunst, vorzugsweise mit dem Oberweiten-Sexstar Gianna S. in der Hauptrolle. Tommie sammelt Auspuffe. Als er ein besonders kapitales Exemplar vom Protz-Mercedes des Luden Jupp stiehlt, kriegt er richtig Ärger. Zwar bringt er Jupp den Auspuff notgedrungen wieder, doch dessen tödliches Ultimatum, bis abends um Punkt sieben eine Kiste der seltenen Biermarke "Ramsdorfer Kölsch" zu beschaffen, erweist sich als irrsinnig schwierig. Denn ausgerechnet zur selben Zeit wird "Gianna S." in der Stadt erwartet...

Die völlig assoziale Komödie mit vollkommen dummen, prolligen Sprüchen ist das Filmdebüt von Tom Gerhardt. Das Drehbuch stammt von ihm und er übernimmt auch drei Rollen, was schon mal alles darauf hindeutet, dass "Voll normaaal" komplett auf ihn zugerichtet wurde. Dabei fällt auf, dass der Film überhaupt keine Story besitzt. Was hier geschieht, bedarf auch keinerlei Handlung. Es ist schon erstaunlich, mit wie wenig Substanz so ein Film doch durchkommen kann, wenn der Rest einfach stimmt. Dabei ist es fraglich, ob das hier der Fall ist, denn nahezu alles gleicht einer Totalkatastrophe. Das Drehbuch bekommt null Punkte, eine Figurenzeichnung im klassischen Sinne gibt es ebensowenig, wie einen typischen Filmaufbau. Null Tiefgang, keinerlei Niveau, erst recht keinen Anspruch und Gags, wie sie teilweise schlimmer nicht ausfallen könnten.

Damit man dieses Machwerk überhaupt mögen kann, muss man auf jeden Fall etwas mit Tom Gerhardts Humor anfangen können. Dieser ist derbe, dumm, prollig und schlicht blöde - doch manchmal ist das sogar ganz witzig. Hilmi Sözer ist da etwas weniger zu sehen und übernimmt hier eher die Rolle des Sidekicks, ist aber dennoch ganz amüsant. Gerhardt reißt einfach alles an sich und bringt das dermaßen bekloppt herüber, dass man es nur lustig oder grauenvoll finden kann. Veronica Ferres wird sich für ihre Rolle wahrscheinlich am ehesten schämen und Die Toten Hosen waren damals wohl sowieso im Vollsuff. Ganz egal, welche Schauspieler man hier sieht, Gerhardt steht über allen und er macht das, als wäre er im Delirium. Ob man das als gute Leistung bezeichnen kann bleibt ein Mysterium, aber eine Leistung ist es auf jeden Fall. Der Humor passt sich diesem Nonsens unterster Schublade an. Auf Dauer verliert auch "Voll normaaal" wieder seinen Reiz, aber dennoch schaut man sich die rund 90 Minuten Laufzeit ganz gerne an, denn gerade weil es sowas von keinen roten Faden gibt, kann man auch nie wissen, wie es denn weitergehen wird.

4,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Constantin Film

Sonntag, 27. Juni 2021

[KINO FFFnights] Gaia - Gaia: Grüne Hölle (2021)

https://www.imdb.com/title/tt11881160/

Bei einem Überwachungseinsatz in einem Urwald trifft eine Parkrangerin  und ihr Partner (Monique Rockman und Anthony Oseyemi) auf zwei Überlebenskünstler, die einen postapokalyptischen Lebensstil verfolgen. Der Junge und sein philosophischer Vater scheinen ihre eigene Religion zu haben und eine geheimnisvolle Beziehung zur Natur. Es gibt viele verdächtige Aspekte in ihrer Existenz, aber als die Hütte eines Nachts von seltsamen, post-menschlichen Wesen angegriffen wird, erfährt sie, dass es eine größere Bedrohung in dieser aufstrebenden Wildnis gibt...

Der südafrikanische Horrorfilm "Gaia" setzt vor allem auf sehr einfallsreiche visuelle Effekte. Das Opening verspricht einen eher prosaischen "Lost-In-The-Wild"-Thriller und stellt die Nationalpark-Ranger Gabi (Monique Rockman) und Winston (Anthony Oseyemi) vor, die ein Boot durch einen besonders dichten, unbewohnten Teil des Tsitsikamma-Waldes navigieren. Doch der spannende Ton ändert sich bald in einen Survival-Horror, bei dem Mutter Natur Raubtier, Beute oder ein übernatürliches Wesen sein könnte. In Schüben erinnert der Film ein wenig an "Long Weekend". Der Öko-Horror nimmt sich Zeit, um den Zuschauer subtil an das Genre heranzuführen und zeigt sehr genau, welche dunklen Mächte in den Wäldern, die ein spannungsgeladenes Trio menschlicher Charaktere umgeben, im Spiel sind. In einer eleganten Verschmelzung von digitaler und prothetischer Kunstfertigkeit platzen ganze Flechten aus Pilzen durch die Haut wie ein fieser Ausschlag; menschliches Fleisch wird aggressiv und unfreiwillig durch die Flora getarnt. Die Effekte von "Gaia" werden jedoch nicht durch eine entsprechende Gewandtheit beim Schreiben ergänzt; nach einer gewissen Zeit fühlt sich die Erzählung eher blutleer als rätselhaft an.

Der Schauplatz des Films hingegen ist originell und faszinierend. Vor allem, wenn er vom Zuschauer einfordert, das seltsame Machtgefüge zwischen den Protagonisten herauszufinden, doch je mehr er eine größere bösartige Entität andeutet, die ihr Verhalten außerhalb der Hütte diktiert, desto weniger spannend wird der Film irgendwie. Die symbolischen Konfliktlinien werden zu früh gezogen, mit Gabi als Figur der menschlichen Zivilisation, die einer ungezähmten Naturlandschaft gegenübersteht, welche sich wehrt und Körper in einer wörtlichen und visuell poetischen Umkehrung des Abholzungsprozesses kolonisiert. "Gaia" überzeugt jedoch bis zum Schluss, indem er das Beste aus den natürlichen Ressourcen macht, die ihm zur Verfügung stehen, während er seine eigenen verträumten Visionen konstruiert. Kameramann Jorrie van der Walt arbeitet mit einer khakifarbenen Farbpalette, die Fleisch und Laub treffend mischt und die Majestät und das Mysterium der Landschaft gleichzeitig hervorhebt, ohne auf Postkartenansichten zurückzugreifen. Wenn Bouwer den großen Feind im Freien hartnäckig im Verborgenen hält, sorgen die Sounddesigner Tim Pringle und Melani Robertson dafür, dass der Zuschauer jedes Quaken, Klicken, Knarren und unheimliche Pfeifen hört. Diese Bäume brauchen keine Umweltschützer, der für sie spricht. In "Gaia" hört man ihre Drohungen laut und überdeutlich.

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: SquareOne

[KINO FFFnights] The Education Of Fredrick Fitzell - Flashback (2020)

https://www.imdb.com/title/tt8372094/

Fred (Dylan O'Brien) ist kein Detektiv, kein Geheimagent oder Philosoph. Er ist ein normaler Junge, der sich der großen 30 nähert und eine existenzielle Krise durchlebt. Sollte sich Fred seiner langjährigen Freundin verpflichten? Sollte er einen Firmenjob annehmen, um die Rechnungen zu bezahlen und damit seinen Traum begraben, Künstler zu werden? Sollte er die Wände seiner neuen Wohnung Sea Foam Blue oder Burnt Umber streichen? Nach einer zufälligen Begegnung mit einem Mann aus seiner Jugend, begibt sich Fred buchstäblich und metaphorisch auf die Reise in seine eigene Vergangenheit. 

Christopher MacBride führte bei seinem zweiten Spielfilm nicht nur Regie, er schrieb auch das Drehbuch zu "Flashback". Ein ambitioniertes Projekt und ein mutiger Film, denn MacBride wagt sich an einen Stoff, bei dem so viel passiert, dass es den einen oder anderen Regisseur überfordern könnte. Wunderschön von MacBride gedreht, profitiert "Flashback" davon, dass er ein visuell beeindruckender Film ist, der professionell aussieht und der Aufgabe gewachsen ist, eine komplexe Storyline wie diese zu erzählen. Obwohl der Film selbst gut aussieht und ein visuelles Spektakel ist, kann die Handlung nämlich manchmal etwas verwirrend für den Zuschauer werden. "Flashback" verdient es, mehrmals angesehen zu werden, um die Botschaft, die er zu vermitteln versucht, wirklich zu verstehen, fast wie "Donnie Darko" oder "The Butterfly Effect", beides Filme, die sich um Zeitreisen und die Veränderung der Zukunft dreht und schnell zu Kultfilmen geworden sind. Ein weiterer Pluspunkt von "Flashback" sind die starken Haupt- und Nebendarsteller. Dylan O'Brien bringt seine Erfahrung als Hauptdarsteller ein und gibt eine überzeugende Vorstellung als Frederick. An seiner Seite ist die überaus talentierte Maika Monroe zu sehen. Obwohl ihre Screentime arg begrenzt ist, überzeugt ihre Figur Cindy als mysteriöse High-School-Schülerin aus Fredericks Vergangenheit auf ganzer Linie. "Flashback" ist mit all seinen Schwächen im Pacing und in seiner schwankenden Spannungskurve defintiv ein Film, den man sich ansehen sollte. Sein Ehrgeiz, etwas Neues auszuprobieren, ist allein lobenswert. "Flashback" liefert etwas, das Filme im Kino vielleicht vermissen lassen. Wenn man also nach einem Film sucht, der einem (positive) Kopfschmerzen bereitet, dann sollten man "Flashback" mal eine Chance geben.

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: Capelight

[KINO FFFnights] Son (2021)

https://www.imdb.com/title/tt5624466/

Nachdem eine mysteriöse Gruppe von Personen in Lauras (Andi Matichak) Haus einbricht und versucht, ihren achtjährigen Sohn David (Luke David Blumm) zu entführen, fliehen die beiden aus der Stadt, um sich in Sicherheit zu bringen. Doch schon bald nach der missglückten Entführung wird David schwer krank und leidet unter immer sporadischeren Psychosen und Krämpfen. Ihren mütterlichen Instinkten folgend, um ihn zu retten, begeht Laura unaussprechliche Taten, um ihn am Leben zu erhalten, doch bald muss sie entscheiden, wie weit sie bereit ist zu gehen, um ihren Sohn zu retten.  

Was sich nach einem spannenden Thriller mit Horror-Elementen anhört ist unterm Strich leider nur ein lauwarmes Psycho-Drama, welches die Frage aufwirft, ob Laura (Andi Matichak) verrückt ist oder nicht. Der Arzt, der zu Beginn des Films die Brille abnimmt - der Zuschauer weiß sofort, das da keine guten Nachrichten folgen - fragt "Can I be honest with you?" - und man möchte schon in dieser frühen Phase des Films die Augen verdrehen. "Son" untersucht in seinem Verlauf, was denn wirklich mit Lauras Sohn David (Luke David Blumm) und seiner Mutter, die vor acht Jahren vor einer religiösen Sekte geflohen ist (zufällig genau der Zeitpunkt der Geburt das Sohnes), los ist. Der titelgebende Sohn ist Dreh- und Angelpunkt von Lauras Instabilität und außerdem streut Regisseur einen weiteren Fakt ein, der sein Überleben in gewisse Abhängigkeiten setzt. "Son" ist aber dabei nicht wirklich geheimnisvoll und sprengt damit den Spannungsbogen. Stattdessen geht es in einem Großteil des Films um die viel zu aufgesetzte Frage, was denn nun wirklich mit Laura ist, jene alleinstehende Frau, die ihre Vergangenheit vielleicht nur erfunden hat, was zwar gelegentlich erwähnt, aber nie ernsthaft in Betracht gezogen wird. Autor/Regisseur Ivan Kavanagh benutzt Elemente aus anderen Genres, um persönlichen Kummer (die Geburt des iegenen Kindes war wohl traumatisch) auf ein paar banale emotionale Symbole zu reduzieren. Die zahlreichen blutigen Elemente lenken kaum davon ab, dass "Son" die ganze Zeit über nur auf der Flucht ist. Der Rest des Films läuft ansonsten auf ein Horror-Bingo hinaus, inklusive schäbiger Motels, einer Hommage an "The Shining" (sehr omnipräsent in diesem Jahr), einem gewalttätigen Zuhälter und mehr. Damit wird aus "Son" weder Fisch noch Fleisch. Der einzig interessante Blick, nämlich der auf die Sekte und was wirklich passiert ist, bleibt dem Zuschauer, abgesehen von ein paar (wirklich gruseligen) Blicken auf ihre schlicht gekleideten Mitglieder, verwehrt. Und das ist dann unterm Strich eigentlich zu wenig.

5,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Altitude Film

[KINO FFFnights] Come True - Strange Dreams (2020)

https://www.imdb.com/title/tt7026488/

Die 18-jährige Sarah (Julia Sarah Stone) ist ein Ausreisser und obdachlos und hat ernsthafte Schlafprobleme. Sie sucht nach Hilfe, um von ihren Albträumen loszukommen. Also nimmt sie an einer Schlafstudie teil, die von einem Mann namens Dr. Meyer (Christopher Heatherington) an der örtlichen Universität geleitet, jedoch hauptsächlich von Jeremy (Landon Liboiron) und einer jungen Frau namens Anita (Carlee Ryski) ausgeführt wird. Da Dr. Meyers Team verschwiegen hat, wofür die Studie eigentlich gedacht ist und auch nicht erklären, mit welchen Methoden sie arbeiten und auch auf Sarah anwenden, wird Sarah zunehmend misstrauisch, die Studie fortzusetzen. Vor allem, da diese eindringlichen Visionen über sie kommen, wenn Sarah schläft. Doch aufgrund ihrer bereits investierten Zeit und dem geweckten Interesse setzt Sarah das Experiment fort, obwohl es jedes Mal, wenn sie die Augen schließt, seltsamer wird...

Einen recht eigenwilligen Beginn zeigt "Come True" dem Zuschauer, wenn Regisseur Anthony Scott Burns den Zuschauer mit unscharfen, stroboskopartigen Sequenzen konfrontiert. "Come True" ist aber nicht so vorhersehbar, wie der Film vielleicht den Anschein hat. Die bahnbrechende Studie, die darauf abzielt, die Wahrheit hinter der sogenannten Schlafparalyse aufzudecken, wird zum Mysterium für die Protagonistin, die sich schon sehr bald unwohl fühlt. Der Zuschauer nimmt die Rolle des allwissenden Erzählers ein und so ist es mehr ein Schock für Sarah als für den Betrachter, wenn der charmante Jeremy sich als Mitarbeiter der Schlafstudie offenbart. Und ebenso beunruhigend ist eine Panikattacke, in der Sarah ein vertrautes Bild aus einem ihrer Albträume gezeigt wird - nur eine schemenhafte Gestalt mit undeutlichen Augen. Oder wenn ein unbehaglich dunkler Gang sich plötzlich aufhellt und ein Wesen, nur bestehend aus einem Torso und daraus herausragenden 8 Gliedmaßen auf den Zuschauer losstürzt. Ja, gruselig ist der Film durchaus.

Denn das Konzept dieser furchteinflößenden, pechschwarzen Gestalten, die im Schlaf auf einen lauern und sich einem nähern, wenn man die Augen vor Schreck aufreißt, wird dem einen oder anderen wohl vertraut sein. Burns verleiht den Visionen in "Come True" eine beängstigende Schärfe, indem er sie in die Tiefen von Sarahs abstraktem Unterbewusstsein mit reichlich visueller Wucht einhüllt. In ihren Träumen schwebt sie durch dunkle Tunnel und sich unheimlich öffnende Türen, erhascht Blicke auf skulptierte Gliedmaßen und steinerne Körper, die von der Decke hängen, wobei die Bilder der manchmal stillstehenden, manchmal gruselig bewegten Schatten ständig präsent sind. Dies sind wirklich die effektivsten Szenen von "Come True". Die auf den Synthesizer zentrierte Filmmusik - Burns drehte nicht nur den Film, er stand auch für Drehbuch, Schnitt und musikalische Untermalung unter dem Pseudonym "Pilotpriest" - ist geradezu genial und erinnert vin ihren besten Momenten an "Blade Runner". Damit nähert sich "Come True" dem Niveau des paranoidem Terrors eines David Cronenberg, auch wenn er das nicht ganz erreicht.

An anderen Stellen wirkt Burns nicht so zielgerichtet. "Come True" orientiert sich an bestimmten Themen, wie z. B. dem obligatorischen ethischen Kodex, der ein wissenschaftliches Experiment leiten sollte. Aber er verwirft dieses Thema, bevor es in seine rganzen Bandbreits zum ragen kommt. Auch die pflichtbewusste Erwähnung vom "Room 237" (eine Dokumentation, die auf waghalsige Verschwörungstheorien in Stanley Kubricks "The Shining" anspielt und bereits in "Moonwalkers" filmisch Gestalt annahm) wirkt zu simpel. Noch trauriger ist, dass Burns nicht so tief in Sarahs emotionale Psyche eindringt, wie man es sich wünscht. Der aber sehr stylishe, wie unerwartete Twist im Finale versöhnt etwas und lässt den Zuschauer zufriden aber mit viel Diskussionsbedarf zurück.

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: Koch Films

[KINO FFFnights] 서복 - Seobok - Seo Bok - Seobog - The Clone: Der Schlüssel zur Unendlichkeit (2021)

https://www.imdb.com/title/tt13316722/

Min Ki-hun (Gong Yoo) ist ein ausgebrannter Geheimagent. Er leidet an einem Hirntumor und ist für die höheren Stellen der Regierung totes Holz. Er weiß selbst, dass die anhaltenden starken Kopfschmerzen, die ihn jetzt plagen, nur ein grausames Anzeichen für seinen bevorstehenden Tod sind. Nichtsdestotrotz wird Min widerwillig von dem zwielichtigen Chef Ahn (Jo Woo-jin) zurück ins Geschehen geholt, um sich um den ersten menschlichen Klon der Welt, Seobok (Park Bo-gum), zu kümmern, ein Testexemplar, dessen DNA die Macht hat, nicht nur den ehemaligen Agenten, sondern die gesamte Menschheit zu retten. Daher ist jeder auf der Jagd, um Seobok in die Hände zu bekommen und sein Geheimnis zu lüften. Ki-hun wird alles in seiner Macht stehende tun, um den Klon vor Menschen mit bösen Absichten zu schützen...

"Seobok" ist einer der Filme, die aufgrund der Covid-19-Pandemie mit erheblicher Verspätung in die Kinos kamen. Im Kern ein Sci-Fi-Thriller, der alles beinhaltet, was man von einem Blockbuster-Hit erwarten würde, ist Lee Yong-joos neuester Film eine faszinierende Interpretation der Geschichte der Suche nach dem ewigen Leben. So verworren sich die Geschichte auch anhört, es gibt etwas an Lee Yong-joos fluffigem Regiestil, dass "Seobok" durchweg symphatisch macht. Trotz der immer wieder abzuhakenden Plot-Punkte und der platten Blicke auf Korruption fühlt sich nichts übertrieben an, und der pseudo-philosophische Anstrich, der über die übergreifende Geschichte gestreut wird, trägt dazu bei, dass "Seobok" ein überzeugender Film ist.

Die gute und starke Charakterisierung der beiden Hauptdarsteller macht es dem Zuschauer einfach, den "Guten" während der knappen 90 Minuten Laufzeit die Daumen zu drücken und den Protagonisten dabei zuzusehen, wie sie versuchen zu überleben, während sie eigene moralische Dilemma abwägen. "Seobok" ist auch packend und kann beim Zuschauer durch das Stellen von psychologischen wie philosophischen Fragen im Zusammenspiel mit den Schauplätzen auch großes Mitgefühl auslösen. Zusammen mit einigen guten Action-Sequenzen, ebenso gutem CGI und einem etwas überbordernden Höhepunkt, der aber glücklichweise weiß, wann er aufhören muss, hat man einen Film, an dem es relativ wenig auszusetzen gibt. Das soll aber nicht heißen, dass "Seobok" etwas für jeden ist. Einige werden zweifellos den ruhigen Produktionsstil als unpassend für einen Sci-Fi-Film empfinden und die spärlich platzierten Momente flüchtiger, wenn auch nicht abreißender Action bemängeln. Diejenigen, die sich ein brachiales Stück Action-Kino ohne Atempause wünschen, werden wohl enttäuscht sein. Der beeindruckendste Aspekt des Thrillers ist zweifellos die schauspielerische Leistung, denn sowohl Gong Yoo als auch Park Bo-gum bieten in ihren Rollen eine hervorragende Performance. 

Ersterer, der den emotional spröden, aber sympathischen Ex-Agenten Ki-hun spielt, glänzt in der Subtilität seiner Darstellung. Park hingegen glänzt mit kompromisslosem Maximalismus. Zu Beginn passt der jungenhafte Charme des Frauenschwarms perfekt zu den Anfängen des Klons, wobei der Protagonist oft wie ein "verirrter Welpe" aussieht. Mit der Zeit schaltet Park jedoch auf eine erfreulich charismatische Darstellung um und zwingt den Zuschauer zur Aufmerksamkeit, während er den Höhepunkt zu seinem spektakulären Ende führt. Technisch muss man Lee Mo-gae ein Lob aussprechen, dessen erhabene Kinematographie dem Film eine geradezu verliebte Weltanschauung und, wenn nötig, eine bedrohliche Dunkelheit verleiht. Besonders lobenswert sind die weiten Aufnahmen der klaren, strahlenden Strände, aber generell sorgt Lee dafür, dass dieser Streifen auf visueller Ebene kontinuierlich abliefert. "Seobok" ist letztlich gut und unterhaltsam, wenngleich schwer einzuordnen. Er mag weit von einem Meisterwerk entfernt sein, aber für Fans des Mainstream-Kinos ist er eigentlich doppelt empfehlenswert.

7/10

Von SPLENDID erschien der Film im auf 1.500 Stück limitierten und nummerierten Mediabook, welches zusätzlich den Film "The Age Of Shadows" enthält. 

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Quellen
Inhaltsangabe: Splendid

Samstag, 26. Juni 2021

[KINO FFFnights] Jakob's Wife (2021)

https://www.imdb.com/title/tt11908982/

Anne (Barbara Crampton) ist mit dem Kleinstadtpfarrer Jakob (Larry Fessenden) verheiratet und hat das Gefühl, dass ihr Leben und ihre Ehe in den letzten 30 Jahren immer kleiner geworden sind. Nach einer zufälligen Begegnung mit „dem Meister“ entdeckt sie Bisswunden an ihrem Hals, ein neues Gefühl von Macht und ein Verlangen, größer und kühner zu leben als je zuvor. Während Anne zunehmend zwischen ihrer verlockenden neuen Existenz und ihrem früheren Leben hin- und hergerissen ist, wächst die Zahl der Leichen und Jakob wird klar, dass er um die Frau kämpfen muss, die er für selbstverständlich hielt. 

In "Jakob's Wife" wird das klassische Vampirthema in einen mitunter sehr amüsanten Kommentar zur Ehe und deren Restriktionen verpackt. Mit dem Drehbuch von Kathy Charles, Mark Steensland und Travis Stevens (der auch Regie führte) bewegt sich "Jakob's Wife" auf dem schmalen Grat zwischen Horror und (sanfter) Komödie, der für viele Regisseure schwer zu beschreiten ist. Aber Stevens ist sich seiner komödiantischen und dramatischen Möglichkeiten sehr wohl bewusst. Der Film hält gekonnt die Wage und opfert keine davon. Sowohl Larry Fessenden als Pfarrer, sowie Barbara Crampton als Anne spielen ihre Rollen mit schöner, dramatischer Intensität und schaffen es, gleichzeitig witzig und ergreifend zu sein, was beide für den Zuschauer überaus sympathisch macht. Beide gehen mit vollem Einsatz an ihre Rollen heran und vermitteln das Gefühl einer echten und komplizierten Beziehung zwischen dem Pastor und seiner Frau. Schön zu sehen sind die handgemachten Effekte und die Gestaltung der Vampire, die wieder eher an den klassischen "Nosferatu" erinnern.

Auch "Jakob's Wife" kommt natürlich nicht ohne den Twist aus. Als Jakob herausfindet, was aus seiner Frau geworden ist, übernimmt er - recht unbeholfen - die Rolle des heldenhaften Vampirjägers, und die beiden machen sich auf die Suche nach dem "Meister", dem Vampir, der sie verwandelt hat. Weil aber Crampton und Fessenden den Rhythmus dieses sonst in ihrem Weltbild eingepferchten Paares so gekonnt spielen - zwei Menschen, die kaum wissen, wie sie außerhalb der biblisch vorgeschriebenen Rollen miteinander umgehen sollen - erübrigt sich der Monolog im letzten Akt über die Grenzen, die dem weiblichen Selbstausdruck gesetzt sind. Crampton hat dem Zuschauer bis dahin bereits die Herrlichkeit ihrer Befreiung in einem bewusst glamourösen Spaziergang durch einen Supermarkt gezeigt und Fessenden offenbarte bereits die berauschende Mischung aus Angst und Aufregung, die Jakob empfindet, wenn er mit diesem neuen, unberechenbaren Wesen konfrontiert wird, das er da geheiratet hat. Er ist wohl nicht ganz unzufrieden mit dem, was sie geworden ist, obwohl er sich auch sehr vor ihr fürchtet. Sein Finale findet der Film in ein paar sehr gut durchdachten und gut ausgeführten Szenen, in denen Jakob und Anne versuchen, ihr Problem auf eigene Faust zu lösen. Stevens treibt die Absurdität auf fast schon slapstickartige Weise auf die Spitze, und das ist herrlich amüsant und unterhaltsam, wenn auch nicht der ganz große Wurf.

6,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Lighthouse

[FFFnights REPRISE] The Dry - The Dry: Die Lügen der Vergangenheit (2020)

https://www.imdb.com/title/tt5144174/

Federal Agent Aaron Falk (Eric Bana) kehrt nach über zwanzig Jahren in seine Heimatstadt zurück, um der Beerdigung seines Jugendfreundes Luke beizuwohnen, der angeblich seine Frau und sein Kind getötet hat, bevor er sich selbst das Leben nahm - ein Opfer des Wahnsinns, der diese Gemeinde nach mehr als einem Jahrzehnt der Dürre heimgesucht hat. Als Falk widerwillig zustimmt, zu bleiben und das Verbrechen zu untersuchen, reißt er eine alte Wunde auf - den Tod der 17-jährigen Ellie Deacon. Falk beginnt zu vermuten, dass diese beiden Verbrechen, die durch Jahrzehnte getrennt, miteinander verbunden sind. Während er darum kämpft, nicht nur Lukes Unschuld, sondern auch seine eigene zu beweisen, sieht sich Falk mit den Vorurteilen gegen ihn und der aufgestauten Wut einer verängstigten Gemeinde konfrontiert. Wer sagte vor all den Jahren nicht die Wahrheit? War es die Last der Lüge, die Luke nun zu seiner Tat trieb? Bleischwer wiegen die Geheimnisse der kleinen Stadt, die Aaron schrittweise ans Licht bringt...

"The Dry" ist die Verfilmung des gleichnamigen internationalen Bestsellers von Jane Harper aus dem Jahr 2016, beginnt mit Luftaufnahmen des ausgedörrten Landes in Kiewarra, einer Bauerngemeinde irgendwo außerhalb von Melbourne, die schon längst keine Landwirtschaft mehr betriebt. Robert Connolly führte hier Regie bei diesem außergewöhnlichen Krimi-Thriller, doch die Atmosphäre ist in keiner Weise generisch und die immense Hitze in jeder Szene zu spüren. Das Gleiche gilt für die Gemeinschaft, die sich inmitten dieser Wüstengegend zusammenkauert. Sie alle gefangen, nicht nur durch die Dürre, sondern auch durch zwei durch Jahrzehnte getrennte Verbrechen, die den ganzen Ort verbrennen zu droht.

Faszinierende Rückblenden, die in subjektiven Fragmenten präsentiert werden, sind in den Film eingestreut und unterbrechen Aaron Falks (Eric Bana) Ermittlungen in der Gegenwart. Die Editoren Nick Meyers und Alexandre de Franceschi liefern hier einen kunstvollen und sensiblen Job ab, indem sie eine Collage der Aktivitäten der Gruppe von vier Freunden - Ellie (BeBe Bettencourt), Luke (Sam Corlett), Gretchen (Claude Scott-Mitchell) und Aaron (Joe Klocek) - geschaffen haben, die zu Ellies Tod führen. Die Rückblenden zeigen nie zu viel, sie enthüllen ihre Wahrheiten eher langsam und ungewollt, manchmal springen sie auch vor oder zurück. Diese Herangehensweise macht den Zuschauer zum Detektiv, der versucht, die bereitgestellten Informationen zu interpretieren. Luke scheint Ellie zu verfolgen (wenn auch auf eine raue Art und Weise), während Aaron sich stillschweigend in sie verknallt. Gretchen ist ein meist passiver Mitläufer. Falks grimmiges und besorgtes Auftreten zeigt, wie sehr er auf Schritt und Tritt von seinem jungen Ich, seinen jungen Freunden und der schönen, lachenden, dem Untergang geweihten Ellie verfolgt wird.

Im Vrlauf der Geschichte von "The Dry" kommen auch die Rückblenden, die uns immer näher an Ellies Ertrinken heranführen. Aus der Gegenwart heraus, in der Aaron immer noch misstrauisch beäugt wird, lassen diese Rückblenden Zweifel an jedem einzelnen Satz aufkommen, die nicht nur er sagt, sondern jeder andere auch. Aaron trifft sich wieder mit Gretchen (Genevieve O'Reilly), und sie teilen Erinnerungen an Luke, an Ellie. Niemand scheint eine Ahnung zu haben, was Luke auslöste, warum er seine Familie töten würde. "The Dry" ist voll von denkwürdigen Charakteren: der Kleinstadtarzt (Daniel Frederiksen), der gestresste Grundschuldirektor (John Polson), der wortkarge Farmer (James Frecheville), der bei seiner Großmutter lebt: alle diese Menschen haben Geheimnisse, aber ob die Geheimnisse etwas mit dem Verbrechen zu tun haben, ist unbekannt. Aaron muss sich durch all das durchwühlen. Ein Teil der Freude an "The Dry" ist es, diese hervorragende Besetzung in Aktion zu sehen. Kameramann Stefan Duscio liefert enorme Weitwinkelaufnahmen des von der Dürre gezeichneten Landes, mit dem Rauch von Waldbränden, der in der Ferne aufsteigt, oder Staubteufel, die sich ihren Weg über ausgetrocknete Felder bahnen, Autos, die in Richtung Stadt rasen und dabei riesige staubige Spuren hinterlassen, was alles ein unheimliches Gefühl von Isolation und Kampf vermittelt. "The Dry" lässt einen nie vergessen, wo man sich befindet. Am deutlichsten wird dies in der Szene, in der Aaron zurück zum Fluss geht, in dem Ellie ertrunken ist. Nur dass der Fluss ausgetrocknet ist und nur eine Höhle übrig geblieben ist, die sich durch die Erde zieht.

Bana gelingt es wunderbar, die Zuversicht des "Großstadt"-Cops mit der Angst eines Mannes zu mischen, der sich mit seiner dunklen Vergangenheit auseinandersetzt. Was auch immer seine Schuld in Bezug auf Ellies Tod sein mag oder nicht - und der Film ist ein "Whodunit" auf zwei verschiedenen Spuren - er fühlt sich gehemmt, seine Unschuld zu verkünden. Da ist eine Traurigkeit in Banas Gesicht, in seiner Haltung, eine gequälte Trauer und Schuld, aber darüber liegt die Kompetenz und Gerissenheit eines Cops, der auf verdächtiges Verhalten und Ungereimtheiten achtet. Auf seine eigene, ruhige Art ist es eine sehr effektive und emotionale Darstellung. Die Kritik an der Zerstörung der kleinen Bauerngemeinden durch die Konzerne ist da, aber sie ist kein Plot-Punkt und wird nicht als offene "Botschaft" präsentiert. Und das allgemeine Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber Kräften, die viel größer sind als das Individuum, ist ebenfalls in die Atmosphäre eingewoben. Es ist die Textur des Lebens dieser Menschen. Und "The Dry" liefert eine Menge, und diese liefert er mit vollkommen überzeugender Unterhaltung ab. 

8/10

Quellen
Inhaltsangabe: Leonine

[FFFnights REPRISE] Violation (2020)

https://www.imdb.com/title/tt12801814/

Miriam (Madeleine Sims-Fewer) fährt mit ihrem Mann Caleb (Obi Abili) übers Wochenende aufs Land zu ihrer Schwester Greta (Anna Maguire). Das Verhältnis der beiden Frauen ist angespannt. Auch aus Miriams Ehe ist völlig die Luft raus, das Paar wechselt kaum ein Wort. Einzig von ihrem Schwager Dylan (Jesse LaVercombe) fühlt sie sich angenommen. Als ein feuchtfröhlicher Abend am Lagerfeuer mit ihm unerwartet aus dem Ruder läuft, bricht sich in der verletzten Miriam anschließend eine Wut Bahn, für die es kein Zurück mehr gibt...

Die Worte "nicht" und "stopp" scheinen in ihrer Bedeutung und Absicht ziemlich klar zu sein, aber sie ändern sich komplett, je nachdem, wer sie sagt und welchen Tonfall er benutzt, wie man in dem schockierenden "Violation" sehen kann. Madeleine Sims-Fewer, die zusammen mit Dusty Mancinelli das Drehbuch geschrieben und Regie geführt hat, steht als eine Frau im Mittelpunkt des Films, die in ihrer Rolle als Hauptdarstellerin eine unglaubliche körperliche Leistung abliefert. "Violation" ist ein Rape'n'Revenge-Movie, der in seinen Extremen, von luftiger Verträumtheit bis hin zu unerbittlicher Brutalität, anders ist als alle anderen. Der Film ist zutiefst verstörend in seiner Darstellung von Gewalt - das ist schon sehr harter Tobak. Wer sich auf "Violation" einlässt, sollte auch so wenig wie möglich über bestimmte Handlungspunkte wissen. Aber es genügt zu sagen, dass die warme, intime Ästhetik der ersten Hälfte des Films einem Ansatz weicht, der grafischer, düsterer und direkter ist. Auf eine Art und Weise, die an Lars von Trier erinnert, schaut die Kamera auch bei den blutigsten Szenen nicht weg. Aber es gibt keinen Rausch der Befriedigung in dieser Rache. Es ist einfach nur abscheulich und traurig.

Sims-Fewer und Mancinelli wollen, dass der Zuschauer Miriam klar sieht und erfährt, was sie durchmacht. Und doch ist sie als Figur ein bisschen wie eine Chiffre, trotz Sims-Fewers rauer und engagierter Darstellung. Man erfährt nie, was es mit dem Zerwürfnis mit ihrem Mann auf sich hat, und es gibt absolut nichts Aussagekräftiges über seinem Charakter. Das ist besonders bedauerlich, weil Caleb, der schwarz ist, die einzige farbige Person im Film ist. Problematisch ist auch die Entscheidung der Filmemacher, die Geschichte nicht in chronologischer Reihenfolge zu erzählen. Sie springen in der Zeit auf eine Art und Weise herum, die anfangs verwirrend ist und das Hirn des Zuschauers arbeiten lässt, weil es unklar ist, ob die Momente, die man sieht, vor oder während des Wochenendes des Paares stattfinden. Weiter verwirrend ist, dass diese Szenen auch in der Hütte spielen. Die durcheinander gewürfelte Erzählstruktur erlaubt ein paar Aha-Erlebnisse, schafft aber vor allem eine Distanz für den Zuschauer.

Kameramann Adam Crosby erzeugt eine ätherische Stimmung durch hauchdünne, pastellfarbene Weitwinkelaufnahmen von natürlicher Schönheit sowie durch enge Nahaufnahmen von Fliegen, die in einem Netz gefangen sind, oder einer Spinne, die auf einem Geländer krabbelt. Und Andrea Boccadoros Filmmusik, voll von ächzenden Streichern und zarten, perkussiven Stücken, trägt wesentlich zum beunruhigenden Ton bei. Doch während die Absicht der Filmemacher sicherlich lobenswert ist, ist der Film als Ganzes fast unmöglich zu empfehlen.

6/10

Von NAMELESS Media kommt der Film in HD im auf 444 Stück limitierten Mediabook:    

Quellen
Inhaltsangabe: Nameless/Shudder

[FFFnights REPRISE] 소리도 없이 - Sorido Eopsi - Voice Of Silence (2020)

https://www.imdb.com/title/tt10431572/

Der hinkende Chang-Bok (Yoo Jae-myeong) und der stumme Tae-In (Yoo Ah-in) erhalten die Möglichkeit, ihr karges Eierhändler-Gehalt aufzubessern: als Cleaner für die südkoreanische Mafia! Wann immer es zu foltern und zu töten gilt, beseitigen sie die Schlachtabfälle. Immer wieder rücken die beiden Männer an, wenn es darum geht, potenziell verräterische Spuren sowie Leichen zu beseitigen. Weil sie sich in der Vergangenheit als zuverlässig erwiesen haben, spielt ihnen einen ihrer besten Klienten einen weiteren Auftrag zu, der allerdings mit ihrem eigentlichen Aufgabenfeld nichts zu tun hat. Die beiden Männer sollen sich nämlich um die elfjährige Cho-hee (Moon Seung-ah) kümmern, die entführt wurde und dem Gangsterboss einiges an Geld einbringen soll, was dieser  dringend zur Tilgung seiner Schulden benötigt. Trotz dessen Widerwillens gelingt es Chang-bok seinem stummen Kollegen zu überreden, das Mädchen bei sich aufzunehmen, wo sie Bekanntschaft mit Tae-ins Schwester macht und sich mit dieser anfreundet. Was zunächst nur eine Lösung für ein paar Tage sein sollte, wird schon bald zu einem Problem, denn die Schuldner, unwillig noch länger zu warten, bringen den Gangsterboss um, wobei natürlich Chang-bok und Tae-in wieder zum Säubern des Tatorts bestellt werden. Nun versuchen sie alles, um zum einen das Mädchen loszuwerden und darüber hinaus an das Lösegeld zu kommen, doch auch das ist nicht mehr ganz so einfach, haben Tae-ins Schwester und er selbst eine gewisse Bindung zu dem Mädchen aufgebaut...

Das Spielfilmdebüt der koreanischen Regisseurin Hong Eui-jeong ist bemerkenswert. Die Mischung aus Thriller und Familiendrama zieht den Zuschauer sofort in ihren Bann. Gleichzeitig erzählt sie eine Geschichte von jenen Mitgliedern der Gesellschaft, die vergessen oder mundtot gemacht werden, ähnlich wie Tae-In. Einer der Kernaspekte des Drehbuchs von Hong Eui-jeong ist, wie eine bestimmte Dynamik zwischen den Charakteren aufgebaut wird, die eng mit dem Thema des Unsichtbarseins oder, im Fall von Tae-in, der Sprachlosigkeit verbunden ist. Während Chang-bok eine Art Mentor für seinen Kollegen zu sein scheint, der ihm Ratschläge gibt und ihm sagt, wie er sich in beiden Welten, der normalen und der kriminellen Unterwelt, zu verhalten hat, begnügt sich Tae-in damit, Befehle zu befolgen, während der Rest seines Lebens chaotisch ist, ähnlich wie sein Zuhause. Im Verlauf der Geschichte beginnt der Zuschauer die Art und Weise zu erkennen, wie Hong diese Mentalität in einen viel größeren Kontext implementiert hat, indem er Tae-in als Mitglied einer Gruppe darstellt, die von der Mehrheit nicht anerkannt oder unsichtbar ist, ohne eine Stimme - in mehr als einer Hinsicht.

Generell stellt Hongs Spielfilm eine Art Zwischenbereich der Gesellschaft dar. Die beiden männlichen Protagonisten gehören aufgrund ihres Berufes zum Rand der Gesellschaft, stellen aber auch die unterste Stufe in der Hierarchie der Unterwelt dar. Ähnlich wie Tae-in's Zuhause, eine baufällige Hütte, die hinter großen Büschen versteckt ist, ist ihr Leben in den Augen der Welt vergessen, während ihr wichtigstes Credo ist, das auch zu bleiben. Versuchen, unbemerkt zu bleiben und immer dankbar zu sein -  das sind nur zwei der Ratschläge, die Chang-bok seinem jüngeren Kollegen gibt, was sich in gewisser Weise wie ein Code für die beiden Welten anfühlt, deren Teil sie sind. Dieses Konzept ist mit dem in "Voice Of Silence" gezeigten Gesellschaftsbild verbunden, das den Menschen einen Wert zuweist und einer starren Hierarchie folgt. Es ist ein System, in dem Geld, Wert und Profit definieren, was einen Menschen ausmacht, wie im Fall von Cho-hee, deren Eltern es für richtig halten, um das Lösegeld zu feilschen, was dazu führt, dass die Tochter sagt, dass es so aussieht, als ob ihr kleiner Bruder jetzt genug für sie ist und sie überflüssig geworden ist. Obwohl es auf dem Papier das Gegenteil ist, spiegelt die kriminelle Unterwelt dieses Bild wider, vielleicht viel weniger subtil, wenn man bedenkt, dass viele Dialoge sich mit Themen wie Entführung, Lösegeld und wie viel Geld ein Mensch auf dem "Markt" verdienen könnte, beschäftigen.

Trotz der düsteren Ansichten und Themen ist es erstaunlich, wie hell und freundlich die Welt von "Voice Of Silence" nach außen hin zu sein scheint. Park Jung-hoons Kinematographie präsentiert wunderschöne ländliche Landschaften und leuchtende Farben, ein Kontrast zu einigen der im Film gezeigten Ereignisse, aber vielleicht auch eine Betonung dessen, wie normal manches davon für die Charaktere geworden ist, und wie Schönheit und Dunkelheit in dieser Geschichte Hand in Hand gehen. "Voice Of Silence" ist eine faszinierende und durchaus packende Mischung aus Drama und Thriller. Hong Eui-jeong hat ein ambitioniertes Werk geschaffen, dessen Besetzung und Ästhetik nur zwei Aspekte innerhalb einer Geschichte sind, die einen reichen, aber auch düsteren sozialen Subtext bietet. Sehr empfehlenswert.

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: Contents Panda / Film-Rezensionen

[FFFnights REPRISE] Caveat (2020)

https://www.imdb.com/title/tt7917178/

Der an Amnesie leidende Isaac (Jonathan French) wird von Kumpel Barret (Ben Caplan) gebeten, für ein paar Tage die Tochter seines verstorbenen Bruders zu beaufsichtigen. Olga (Leila Sykes) ist schizophren mit katatonischen Zuständen und kann nicht allein sein. Einmal im Jahr trauert sie in einem verlassenen Haus um ihren Vater, der sich dort im Keller erschossen hat. Nicht erwähnt hat der Kumpel, dass das Haus auf einer einsamen Insel liegt. Und es gibt eine Bedingung: Isaac muss seinen Aufenthalt angekettet in einem ledernen Geschirr verbringen. Dass die Kette lang genug ist, um durchs ganze Haus zu streifen, ist da auch kein Trost. Doch aus Geldmangel nimmt der junge Mann den Job an...

"Caveat" ist ein beeindruckender und oft erschreckender Film. Damian Mc Carthys Regiedebüt spielt fast ausschließlich an einem Ort, mit lediglich zwei Menschen, die in einem gammeligen, schwach beleuchteten Haus, einer richtiggehenden Albtraumlandschaft, gefangen sind. Verblassenden, modrige Gemälde flüstern in der Nacht, und ein Spielzeugkaninchen mit menschengroßen Glasaugen fungiert als Kanarienvogel im Bergwerk, der wütend auf eine Trommel schlägt, als Warnung, als Vorbote des nahenden Unheils. Jedes Mal, wenn das Kaninchen auf seiner Trommel herumtrommelt, starrt Isaac wild durch den Raum, aber da ist nichts, nur leere Räume und angelehnte Türen.

Man kann die feuchte Luft in diesem Haus praktisch riechen. Die junge Frau ist anfangs nirgends zu sehen. Doch da ist ja noch das Ledergeschirr, welches Isaac tragen muss, das an einer langen Kette befestigt ist - und der Schlüssel wird praltischerweise außerhalb von Isaacs Reichweite aufbewahrt. Ein vernünftiger Mensch würde Moe sagen, dass er sich sein Jobangebot sonst wohin stecken soll. Nicht so Isaac, und nachdem er einen Blick auf Olga erhascht hat, die auf dem Boden hockt und ihr Gesicht bedeckt, stimmt er zu, das Geschirr zu tragen. Isaacs "Entscheidungen" - d.h. die Zustimmung, den Job überhaupt anzunehmen, die Missachtung der Befehle, die Barret ihm gegeben hat, die Entscheidung, in den dunklen Keller zu gehen, um zu sehen, was dort unten sein könnte, das ganze Drumherum - strapazieren die Glaubwürdigkeit, aber Mc Carthy weiß, worauf er hinaus will. Realismus und verständliche Entscheidungen sind nicht das, was ihn interessiert. Was ihn interessiert, ist die Atmosphäre in diesem schrecklichen Haus. Er legt Wert auf Stimmung und Setting, und er stellt die zerklüfteten Gefühlszustände seiner beiden Hauptfiguren in den Vordergrund. Alles andere tritt in den Hintergrund. Die wenigen Rückblenden in Olgas Kindheit, die ohne Vorwarnung in die Gegenwartsszenen galoppieren, sind sehr verstörend, zumal sie ohne Ton ablaufen. Richard G. Mitchells großartiger Score pulsiert und untermalt die Handlung und macht so etwas Harmloses wie das Öffnen einer Tür zu einem haarsträubenden Ereignis. Der Score wird nicht überstrapaziert, im Gegenteil: Es gibt lange Phasen, in denen die Musik ganz wegfällt. Die Abwesenheit der Musik ist fast so nervtötend wie ihre Anwesenheit. Auch Sykes ist über weite Strecken nicht zu sehen, aber man spürt immer, dass sie im Film ist, dass sie sich in den Räumen im Obergeschoss versteckt, dass sie vor der Tür lauert. Ihre distanzierte Haltung und ihre unbewegliche Stimme, selbst wenn sie eine Armbrust schwingt, tragen zu ihrer unheimlichen Wirkung bei. Sie ist eine wirklich beängstigende Präsenz. Und Jonathan French, der sein Langfilmdebüt gibt, ist ein sanftmütiger, nachdenklicher Jedermann, beunruhigt durch die Leere seines Verstandes, die Löcher in seiner Erinnerung, nie sicher, ob das, was er sieht, real ist.

Mc Carthy drehte "Caveat" auf dem sprichwörtlichen schmalen Grat, und das kommt dem Film zugute. Die Dunkelheit und die lange Stille erzeugen eine spürbare Unheimlichkeit, einen anhaltenden Zustand der Beklemmung, ohne sich auf irgendwelche Spezialeffekte oder schnell geschnittene, ausgefallene Kamerafahrten zu verlassen. Der Film ist nervenaufreibend und ein gutes Beispiel dafür, wie viel man mit einem geringen Budget erreichen kann, wenn man erfinderisch genug und vor allem sicher genug in der Geschichte ist, die man erzählen will.

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: MPI Films/Shudder

[KINO FFFnights] Bad Hair - Bad Hair: Waschen, schneiden, töten (2020)

https://www.imdb.com/title/tt4798836/

Während des Aufstiegs der Musikrichtung New Jack Swing im Jahr 1989 strebt die ehrgeizige Anna Bludso (Elle Lorraine) aus Compton, LA, danach, VJane zu werden. Allerdings muss die junge schwarze Frau ständig hören, dass sie nicht das richtige Geschlecht, das richtige Gesicht, die richtige Hautfarbe oder das richtige Haar hat, um in der Welt des Musikfernsehens erfolgreich zu werden. Sie macht also einen Deal mit der neuen Leiterin eines Musiknetzwerks, die ihr rät, sie solle eine Haarverlängerung vornehmen lassen. Doch Annas neue Frisur ist alles andere als pflegeleicht und entwickelt schon bald ein mörderisches Eigenleben... 

Die Horror-Satire "Bad Hair" klingt, der Inhaltsangabe folgend, erst einmal genauso dämlich wie ähnlich gelagerte Filme ala "Killer Sofa" oder [hier beliebigen Asylum-Horror-Trash einfügen]. Trashig und so dämlich, dass es schon wieder gut ist. Nur wenige solche wagemutigen Projekte schaffen dies aber tatsächlich auch, die meisten solcher Granaten sind Blindgänger und landen im Sondermüll. "Bad Hair" ist aber nicht trashig, ganz im Gegenteil, und allein aus visueller Sicht cool. Das Creature-Feature legt die Prämisse zugrunde, dass das sich im Haar verbergende Monster von Blut ernährt und dabei nicht gerade wählerisch ist. Wie "The Blob" hat es die Fähigkeit, sich auf der Jagd nach Beute umzugestalten. Außerdem bringt es die Augen seiner Besitzerin Anna (Elle Lorraine) zum Leuchten und beschert ihr LSD-getränkte Flashbacks. Doch "Bad Hair" hat mit beinahe 2 Stunden Laufzeit das Problem des Leerlaufs. Er braucht einfach zu lange, um auf den Punkt zu kommen, anstatt seine Geschichte kurz und knackig zu erzählen. Der fehlende Fokus auf kontroverse Themen ist eher ein Fehler im Drehbuch, dass den Mund schlicht zu voll nimmt. Aggressionsproblematiken, Gentrifizierung, dem Bedürfnis der Medien, ein vorrangig weißes Publikum zu bedienen (der Film spielt im Jahr 1989) - und das ist nur die Satire-Seite. Auf der Horror-Seite bietet "Bad Hair" Hexen, Volksmärchen, Sklaverei und besessene Menschen. Die Horror-Seite funktioniert auch besser, auch wenn diese viele Versprechen nicht einlöst. Doch nachdem das Killergeflecht recht blutig in Annas Haar einsponnen wird, was lächerlich übertrieben, mit einem denkwürdig unheimlichen Cox und einer leidenden Lorraine, aufgeführt wird, folgt alsbald Angriff auf Angriff, welche sich auf demselben Niveau bewegen und den Spaß tatsächlich doch noch steigern. Doch die schier unüberschaubare Anzahl an Charkteren gehen bald zu Lasten des Nervenkostüms des Zuschauers. Die Szenen mit Annas Familie fühlen sich schräg an, obwohl sie für die Geschichte wesentlich sein sollten. Es dauert fast eine Stunde, bis das Haargespinst sein erstes Opfer fordert, obwohl es Anna mehr als nur ein wenig vor seinen bevorstehenden Absichten warnt. Auch wenn man diesen filmischen Blödsinn offen gegenübersteht, bleiben immer noch viel zu viele Fragen offen. Filme wie dieser müssen prägnant und knackig ablaufen, damit der Zuschauer sich gar nicht erst über Ungereimtheiten wundert. Die haarige Kreatur rettet den Film, aber eben nur fast.

6,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Leonine

Freitag, 25. Juni 2021

[KINO FFFnights] Kandisha (2020)

https://www.imdb.com/title/tt11058930/

Amélie (Mathilde Lamusse), Bintou (Suzy Bemba) und Morjana (Samarcande Saadi) vertreiben sich den Sommer in den Pariser Banlieues mit Sprayen, Dance Battles und Joints. Die drei abgebrühten Mädels sind nicht auf den Mund gefallen und würden füreinander alles tun. Bei einem ihrer Streifzüge durch die Nacht entdeckt Amélie unter einer abblätternden Tapete das Wort "Kan-disha". Morjana kennt die alte marokkanische Spukgeschichte über den Geist einer schönen Frau, der als rachelüsterner Dämon über Männer richtet. Natürlich machen sich die Freundinnen über die verstaubte Legende lustig. Als Amélie angegriffen und gedemütigt wird, beschwört sie in einem Wutanfall eben diesen Dämon herauf. Am nächsten Morgen ist ihr Angreifer tot. Man könnte es als Zufall abtun, wäre da nicht die Tatsache, dass kurz darauf ein weiterer ihrer männlichen Freunde ermordet wird...

Der Film beginnt mit einer weiten Aufnahme der hoch aufragenden, tristen Wohnblocks in einem nicht näher bezeichneten städtischen Teil Frankreichs. Bustillo und Maury nehmen sich Zeit, vielleicht ein wenig zu viel Zeit, um dem Zuschauer die Welt zu zeigen, in der ihre starken weiblichen Protagonisten leben. Mathilde Lamusse, Suzy Bemba und Samarcande Saadi bringen zusammen eine hervorragende Chemie auf die Leinwand. Ihre Darstellung ist damit auch Dreh- und Angelpunkt der eigentlich völlig banalen und eigentlich schon recht altbackenen Geschichte, und alle drei schaffen es so, den Zuschauer zu integrieren. Nachdem klar ist, dass hier wirklich böse Mächte am Werk sind, ist es (wieder einmal) die Aufgabe der Drei, den Dämon aufzuhalten und herauszufinden, wie man dies am besten tut. Dies gipfelt immerhin in einem ansprechenden Finale, bis dahin gibt es ein paar teilweise derbe blutige Einstellungen. Erneut haben Bustillo und Maury eine stringente Herangehensweise an die Struktur ihres Films, die lobenswert ist, auch wenn man ihnen die Handlung vielleicht nicht ganz abkauft. Sie stellen Erwartungen und Regeln auf und halten sich daran - und lassen ebenso einen finalen Twist aus. Was dabei herauskommt, ist ein weiteres passables Stück Horror vom Autor-Regie-Duo Alexandre Bustillo und Julien Maury, das vielleicht nicht so rasant ist wie ihre vorherigen Arbeiten, aber es ist trotzdem ein solides Werk. "Kandisha" ist solide und unterhaltsam, aber auch etwas träge. Sie erweitert die Palette der urbanenen Legenden um ein weiteres Monster. Okay. Was schön ist, ist der sanfte Anklang an Feminismus, wenn die drei Protagonistinnen das Kommando übernehmen. Gruselig, blutig und sicher  einen Blick wert, doch an "Inside" kommen Bustillo und Maury wohl nie mehr heran.

6/10

Quellen
Inhaltsangabe: Tiberius Film

[KINO FFFnights] The Owners (2020)

https://www.imdb.com/title/tt9806370/

"The Owners" basiert auf der gleichnamigen Graphic Novel "Une Nuit de Pleine Lun"/"Vollmondnacht" von Hermann und Yves H. Mary (Maisie Williams) und ihre Freunde brauchen Geld. Doch statt dieses mühsam zu verdienen, hoffen sie auf einen Raubüberfall, der sich lohnen könnte. Ihre Opfer: das alte Ehepaar Huggins (Sylvester McCoy und Rita Tushingham). Die beiden Rentner leben in einer gemütlichen Villa und sollen ziemlich viel Geld in einem Safe bunkern. Für Mary und Co. sind die alten Menschen ein gefundenes Fressen und sie rechnen nicht mit Schwierigkeiten. Doch die Huggins lassen sich nicht einfach ausrauben. Sie sind alles andere als ungefährlich und machen das Leben der jungen Einbrecher zur Hölle.

Home Invasion-Horror geht immer. Vermutlich weil es in den Köpfen der Zuschauer nichts gruseligeres gibt, als sich in seinen eigenen vier Wänden gegen irgendwelche Angreifer zur Wehr setzen zu müssen. Regisseur Julius Berg liefert mit "The Owners" nun seinen Beitrag zum Sub-Genre ab und zeigt seien Zuschauern einen recht blutigen, aber auch amüsanten Film, der mit einem wohlwollenden, wenngleich mittlerweile etwas erwartbaren Twist aufwartet. Jäger werden zu Gejagten, das war schon bei "You're Next" oder auch "Don't Breathe" der Fall. So kommt es, dass sich "The Owners" nicht unbedingt neu anfühlt. Es ist lediglich eine Variantion bekannter Muster. Dennoch ist "The Owners" amüsant, spannend und auch etwas absurd. Das Regiedebüt reicht in seiner Intensität aber nicht an einen "Don't Breathe" heran, doch das versucht der Film auch gar nicht erst. Er ist erfrischend, mit einer gutmütigen Albernheit und gespickt mit ein paar derben, blutigen Elementen. 

Die Figuren sind durch die Bank weg gut besetzt; ein sehr amüsanter Sylvester McCoy und eine fast satanische Rita Tushingham stoßen auf eine in die Aktion wiederwillig hineingezogene Maisie Williams, einen guten Jake Curran und ebenso passenden Ian Kenny. Dass hier nicht alles nach Plan läuft ist zu erwarten, aber dass das so aus dem Ruder läuft ist schon urkomisch. Der Tresor erweist sich als unknackbar und verärgert die Gruppe von Kriminellen, die eben nur Spaß daran haben, das Haus zu verwüsten und sich zu belegen, bis die Hugginses unerwartet früh nach Hause kommen. Die Co-Autoren Berg und Mathieu Gompel haben sichtlich Spaß an der Dynamik der Gruppe - vor allem, wenn es dann plötzlich ans Eingemachte geht. Das alles ist unterhaltsam und lustig zugleich und macht aus "The Owners" einen guten Film, der hinter seinen offensichtlichen Vorbildern zwar zurückbleibt, aber dennoch für Laune beim Zuschauer sorgt.

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: Wild Bunch

[KINO FFFnights] The Night - The Night: Es gibt keinen Ausweg (2020)

https://www.imdb.com/title/tt8102806/

Babak (Shahab Hosseini) und Neda Naderi (Niousha Jafarian) sind mit ihrer Tochter Shabnam (Leah Oganyan) bei einem anderen Paar mit iranisch-amerikanischen Wurzeln zu Gast. Doch auf dem Heimweg führt sie ihr GPS in die Irre und so landen sie schließlich in einem ebenso alten wie großen Hotel, in dem sie die einzigen Gäste sind. Nachdem sie vom schrägen Mann an der Rezeption (George Maguire) ein Zimmer zugewiesen bekommen haben, häufen sich bald die unheimlichen Vorkomnisse, die im Zusammenhang mit den unausgesprochenen Eheproblemen von Babak und Neda zu stehen scheinen... 

Kourosh Aharis "The Night" ist ein wirklich gutes Debüt. Ein kleiner Film, der sich irgendwie "groß" anfühlt, weil er auch einen weiteren Beweis dafür abliefert, dass ein guter Film nicht unbedingt viel Budget benötigt. Nicht, dass der Film billig aussieht - ganz im Gegenteil - aber wie ähnliche Debütfilme (zum Beispiel "The VVitch") verspricht er weitere zukünftige, interessante Projekte. Die Geschichte beginnt mit dem Ehepaar Babak Naderi (Shahab Hosseini) und seiner Frau Neda (Niousha Jafarian) und ihrer kleinen Tochter, die im Haus eines anderen Paares in Los Angeles herumhängen. Obwohl es größtenteils ein angenehmer Abend ist, ist klar, dass es in der Ehe Spannungen gibt, hauptsächlich wegen Babaks offensichtlichen Trinkproblem. Auf dem Heimweg streiten sie sich im Auto - Hauptsächlich darum, ob Babak am Steuer sitzen soll - und verirren sich. Ihr Navigationssystem spielt ohne ersichtlichen Grund verrückt, und es werden erste Hinweise laut, dass irgendetwas nicht stimmt. Da sie sich unwohl fühlen, beschließen sie, im Hotel "Normandie" zu übernachten - eines von vielen Handlungselementen in "The Night", das einer strengen logischen Prüfung nicht unbedingt standhält, da das Paar angeblich nur 30 Minuten entfernt wohnt, aber es ist hier (wie so oft) am besten, sich einfach auf den Film einzulassen und solche Ungereimtheiten hinzunehmen. Hier wechselt "The Night" in den "The Shining"-Modus, in dem Babak, Neda und ihr Kind einchecken und beginnen, immer unheimlichere Dinge zu hören und zu sehen.

Der Drehbuchautor Ahari und Co-Autor Milad Jarmooz verwenden gekonnt Kubricks Stil und fügen eine manchmal etwas zu theatralische Komponente hinzu, die die gesamte Spannung der Geschichte auf die Darstellerleistung auslegt und diese mit visuellen und musikalischen Schnörkeln verstärkt. Räume, Gänge, Gassen und Straßenlandschaften, die im wirklichen Leben unauffällig erscheinen würden, werden surreal verdreht, sodass ihnen plötzlich etwas Unheimliches beiwohnt. Kleine Nebensächlichkeiten, wie ein tropfender Wasserhahn oder das Surren eines Neon-Schildes, dass einen quält, wenn man sich aufgrund von Schmerzen und Stress eh schon in den Schlaf zwingen muss, tragen zur unangenehmen Stimmung von "The Night" bei. Zudem mischt Ahari dem Film eine bittesüße Note einer schwarzen Komödie hinzu, die wunderbar stimmig ist und passt. 

So zeigt der Film dem interessierten und gut informierten Horrofilmfan im Endeffekt doch noch etwas Neues - nichts Revolutionäres in Bezug auf Stil oder Thema aber subtile Variationen bekannter Zutaten. Und irgendwann kommt man an den Punkt, an dem glaubt, herausgefunden zu haben, was hier vorgeht und was als nächste passieren wird. Doch dann ändert der Film seine Richtung die Dinge und geht in eine andere Richtung - aber eine lohnende. Ahari, der den Film auch geschnitten hat, scheint sich nicht nur an einigen bekannten Klassikern des modernen Horrors zu orientieren, sondern an einer früheren Form des europäischen Kunstkinos, in denen realistische Situationen in Form von Metaphern dargestellt wurden, so trocken, dass man sie akzeptieren musste. Kafkaesk, wie man sagen würde, wie ein Traum, der sich anfühlt, als würde alles tatsächlich passieren, bis man feststellt, dass sich zu viele Dinge abwegig anfühlen.

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: Koch Films

[KINO FFFnights] The Paper Tigers (2020)

https://www.imdb.com/title/tt6060444/

Als Teenager waren Danny (Alain Uy), Hing (Ron Yuan) und Jim (Mykel Shannon Jenkins) nicht nur allerbeste Freunde, sondern von Kung-Fu besessen und die besten Schüler ihres Meisters Sifu Cheung (Roger Yuan). Doch bei einem großen Turnier kam es zu einem Streit, der das Ende ihrer Freundschaft bedeutete. 25 Jahre später sind sie alle Männer mittleren Alters, bei denen niemand mehr vermuten würde, wie gut sie einst kämpfen könnten. Als ihr Meister stirbt, kommen sie wieder zusammen und haben bald den Verdacht, dass Sifu ermordet wurde. Als bald auch ein Auftragskiller sie davon abbringen will, die Wahrheit herauszufinden, müssen sie ihre alten Streitereien beilegen und sich ihrer früheren Kampffähigkeiten besinnen.  

"The Paper Tigers" ist ein Krimi-Actioner der heitereren Sorte. Nicht zum Brüllen komisch, aber einfach nett. Zugegeben - viele Witzchen sind zwar recht dämlich und einige eigentlich komplexe menschliche Emotionen werden in spröde, Sitcom-ähnliche Dialoge und damit einhergehende Pointen gepresst, doch die Kampfszenen, die von Action-Regisseur Ken Quitugu choreografiert wurden, wiegen diese Penlichkeiten fast vollständig auf. "The Paper Tigers" ist damit nicht gerade der anspruchsvollste Actionfilm, aber er erfüllt seinen Zweck. Er ist symphatisch. Mit seiner starken Besetzung, angeführt von den Charakterdarstellern Alain Uy, Ron Yuan und Mykel Shannon Jenkins, aber auch aufgrund der schieren Unzerstörbarkeit von Familien- und Kampfkunstfilm-Klischees, die Autor/Regisseur/Redakteur Tran Quoc Bao in diesem Debütfilm verwendet, schafft er einen unterhaltsamen Kinofilm. 

Lektionen und Moral ergeben zusammen ein paar befriedigende Mini-Erzählungen innerhalb der gradlinigen Story und sogar mit ein paar überraschenden Wendungen kann der Streifen aufwarten. Die Charaktere dürfen während dieser Versatzstücke sogar aus der Rolle fallen, selbst wenn die Sparring-Kämpfe von Danny und seinen Freunden im Grunde nicht immer so verlaufen, wie man das vielleicht erwarten würde. Herzstück ist dann die finale Szene des Films, die letzten Runde von Dannys Kampf mit Sifu Cheungs Mörder. Bao beweist ein gutes Gespür für großartige Bilder, auch wenn sein Drehbuch nicht so überzeugend ist. Unterm Strich hebt sich "The Paper Tigers" kaum von der großen, breiten Masse ab und ist immer noch ein Martial-Arts-Film, der mit einem nächtlichen Kampf auf dem Dach und einem feierlichen Dim-Sum-Essen endet. Aber wer diese Art von leichten Crowdpleaser mag, wird hier bestimmt fündig.

6,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: AMP International

Donnerstag, 24. Juni 2021

[KINO FFFnights] A Quiet Place Part II - A Quiet Place 2 (2020)

https://www.imdb.com/title/tt8332922/

Nachdem Familie Abbott ihr Zuhause verlassen musste, ist Evelyn (Emily Blunt) nun mit ihren Kindern Regan (Millicent Simmonds) und Marcus (Noah Jupe) sowie dem neugeborenen Baby auf sich allein gestellt. An den unheimlichen Zuständen in der postapokalyptischen Welt hat sich nichts geändert: Die geräuschempfindlichen Biester, die die Erde im ersten Film überfielen, sind nach wie vor auf der Jagd. Jeder unbedachte Laut könnte sie auf den Plan rufen. Die Abbotts versuchen weiterhin, ein halbwegs normales Leben zu führen - ein Leben in absoluter Stille. Als sie den Überlebenden Emmett (Cillian Murphy) treffen, stellt sich für Evelyn bald die Frage, wie es weitergehen soll. Ist es an der Zeit, sich mit anderen zusammenzutun? Und wenn ja, wem kann man überhaupt trauen?

Es erscheint noch immer sehr surreal, wie Regisseur John Krasinski im April 2018 die Kinosäle verstummen lies. Mit "A Quiet Place" gelang ihm ein Kinoerrlebnis, bei dem der Zuschauer von der ersten Minute an kaum wagte zu atmen und penibel darauf bedacht war keine störenden Geräusche zu machen - das es im Kinosaal so unglaublich still war, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. In seinem Horrorfilm ging es darum, dass hyperakusive Wesen in diese Welt gekommen waren, die sich auf jedwedes lautes Geräusch stürzten und damit einen Großteil der Bevölkerung der Erde ausgelöscht hatten. Nur diejenigen, die fortan in aller Stille lebten, konnten überleben. Kein Wunder also, dass der Zuschauer, der in diesem Film gesogen wurde, nicht einmal wagte zu husten. Unvorstellbar damals die Vorstellung, dass Krasinski eine Fortsetzung zu dieser im Grunde in sich abgeschlossenen Geschichte aus dem Hut hätte zaubern können, doch so ist das nun mal mit Kassenschlagern: kommt der Erfolg, kommt auch ein Sequel. Nun erscheint es auch schwierig, die Regeln für die Fortsetzung aufrecht zu erhalten, doch Krasinski macht genau das: "A Quiet Place Part II" ist gar nicht mehr so quiet, im Gegenteil, er ist bedeutend größer, schneller und lauter und erfüllt damit schon mal das komplette Klischee von Fortsetzungen. Im direkten Vergleich zu seinem Vorgänger fällt auch auf, dass er bedeutend mehr Dialog hat und seine Horror- und Schockmomente sind nicht mehr ganz so subtil.

Doch Krassinski ist clever genug um sein Talent nicht in eine einfache Schublade stecken zu lassen. Er beweist mit der Fortsetzung, dass er in der Lage ist eine perfekte, spannende Unterhaltung abliefern zu können und zu wissen wann es Zeit ist, aufs Gaspedal zu treten oder den Gang rauszunhemen. Auch wenn die Welt, in der "A Quiet Place" spielt,etabliert ist, fühlt sie sich in dem direkten Sequel frisch und interessant an. Der erste Film endete im Wesentlichen auf seinem Höhepunkt, als die Familie Abbott nach etwa 400 Tagen des Terrors endlich das Weite suchten. "A Quiet Place 2" beginnt mit einem köstlich-grausamen Reset und geht zurück zu Tag 1, als noch niemand etwas wusste, was auf die Menschheit zukommt. Der Zuschauer weiß, was am Ende kommt (Krasinskis Plot behandelt den ersten Film als Pflichtprogramm), und das macht die Sequenz bei einem Baseballspiel voller Lärm zu einer besonders nervenaufreibenden Szene. Doch davon hat der Film viele. Allein die blitzartige Gewalt gewöhnt den Zuschauer sehr schnell wieder daran, Geräusche zu fürchten, während die verschiedenen Lösungsstrategien der Protagonisten in diesem Chaos für Spannung sorgen und allein dieser Auftakt bietet eine echt coole Sequenz (obgleich offensichtlich fehlerbehaftet und unlogisch). "A Quiet Place Part II" springt dann direkt an das Ende des letzten Films. Mit ihrem neugeborenen Baby schleicht Evelyn mit ihrer Tochter Regan (Millicent Simmonds) und ihrem Sohn Marcus (Noah Jupe) auf leisen Sohlen über den Sandweg, der zuvor von Lee angelegt worden war. Nachdem es im ersten Teil um die Aufopferung für die Familie ging, geht es in dieser Fortsetzung nun darum, was man aufgeben würde, um anderen zu helfen. Cillian Murphy spielt den trübseligen Emmett, einen Freund der Familie, der sich dieser Frage stellen muss. Er besitzt eine faszinierende Bitterkeit, die Angst machen kann und doch steigert sich der Film in der Angst vor anderen Menschen, die weniger nachgiebig sind als die Abbotts: Es ist schlicht beängstigend, wenn eine Gruppe von Menschen einen anstarrt, ohne ein Wort zu sagen. Mit mehren Handlungssträngen, in denen Krasinski sogar das Baby in Gefahr bringt, geht der Regisseur souverän um, doch er scheitert an einer gewissen Radikalität - nur um es sich dann so einfach wie möglich zu machen und sich auf Altbewährtes zu verlassen. Auch der ursprüngliche Reiz, nämlich minimale, leise Dialoge zu verwenden, wird in "Part II" vernachlässigt.

Die Leistungen der Darsteller indes bleiben solide und intensiv, auch wenn die Geschichte ihnen wenig Raum gibt. Blunt ist eher im geradlinigen Action-Modus, Simmonds  und Jupe sind wahre Profis, wenn es um Gekreische geht, doch beide bringen eine gewisse Zärtlichkeit in diese Geschichte. Die einzige Instanz, die sich schneller bewegt als Michael P. Shawvers Schnitt, sind die Monster selbst. Abgesehen davon, dass sie scheinbar aus dem All kommen, erfährt man nicht viel mehr über sie. Sie werden von Krasinski auch nicht weiter entwickelt und das beweist eigentlich nur, wie schwach sie konzipiert sind. Krasinskis Interesse, gegen die Erklärer-Fankultur anzugehen, ist faszinierend, aber der Mangel an Hintergrund fühlt sich an, als hätte er einfach zu wenig über seine Monster zu sagen. Sie werden hier zu schlichtweg langweiligen Bösewichten, die die Menschen aggressiv zum Schweigen bringen. Das Überraschende an der ganzen emotionalen Erfahrung von "A Quiet Place" verblasst hier größtenteils, vor allem, weil sich das alles mit einer betäubenden Menge an maximal lauten Geräuschen entfaltet; Marco Beltramis Score bringt die meditativen Themen des Originals ein, wenn er nicht gerade versucht, den Zuschauer mit dumpfen Bässen in den hinteren Teil des Kinos zu blasen. Aber die Momente, in denen Menschen und Monster aufeinandertreffen, sind unglaublich kinetisch und schaffen es, dass man an nichts anderes in der Geschichte denkt als an den Terror auf der Leinwand. Zusammen mit Kameramann Polly Morgan und Cutter Shawver erweist sich Krasinski als äußerst versiert im Aufbau und in der Schichtung von "In Your Face"-Sequenzen, besonders wenn drei verschiedene Handlungsstränge ihren Höhepunkt erreichen und Charaktere um ihr Leben schreien. Eine von Krasinskis besten visuellen Leistungen sind zwei Szenen, die den Zuschauer in eine Mittendrin-Perspektive versetzen, wie z.B. zu Beginn, als Evelyn versucht, vor einem auf sie zukommenden Bus zu entkommen. Diese spannenden Sequenzen geben dem Film zu Beginn und am Ende viel Adrenalin und wirken wie ein Wink des sich noch entwickelnden Krasinski: Er setzt auf "Enjoy Your Ride"-Filmemachen, auch wenn das zur Passivität des Zuschauers führen kann. Bleibt zu hoffen, dass "Part III" mehr Raum für das lässt, was die Leute von Anfang an zum Staunen gebracht hat.

8/10

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Quellen:
Inhaltsangabe
: Paramount Pictures