Hye-Sun (Stimme im Original: Eun-Kyung Shim) ist eine rebellische junge Frau, die von Zuhause ausreißt, um mit ihrem Taugenichts von Freund zusammenzuleben. Die beiden bewohnen zusammen ein kleines Apartment, welches ihnen aber mit der Zeit zu teuer wird, bis sie die Miete schließlich nicht mehr aufbringen können. Da kommt dem gewalttätig werdenden Freund die Schnapsidee, dass Hye-Sun das Geld durch Prostitution auftreiben soll. Der Frau bleibt nichts anderes übrig, als erneut die Flucht zu ergreifen. Während sie durch die Gassen irrt und ihr Vater (Ryu Seung-Ryong) verzweifelt nach ihr sucht, bahnt sich eine neue Gefahr ihren Weg: Die Beiden müssen schon bald feststellen, dass sich ein Zombie-Epidemie in der Stadt breit macht und die Untoten fast überall sind. Im Untergrund des Hauptbahnhofes hat eine Epidemie ihren Ursprung, die zahllose Menschen in Zombies verwandelt. Ob Vater und Tochter noch rechtzeitig zueinander finden können?
Die Vorgeschichte zu "Train To Busan" ist kein Sequel im eigentlichen Sinne. Weder wird auf die Realverfilmung Bezug genommen (wenn man von der Bahnstation mal absieht), noch erhält man hier Erklärungen, wie es zu der Epidemie und der daraus resultierenden Zombie-Apokalypse kam. Regisseur Yeon Sang-ho, der auch später bei der Realverfilmung auf dem Regiestuhl Platz nahm, hat dies auch nicht nötig. Auch wenn "Seoul Station" seinen Ursprung in Seoul finden, sind es zwei völlig unterschiedliche Geschichten, die maximal in derselben Zeitlinie spielen. Die Geschichte konzentriert sich auf verschiedene Gruppen von
Menschen, die versuchen in der urbanen Pandemie zu überleben. Während
die Reisenden im "Train To Busan" den symbolischen Querschnitt der
südkoreanischen Gesellschaft darstellen, sind hier die Charaktere
entrechtete Mitglieder einer entfremdeten "Unterschicht". Zentral (und
nicht sonderlich subtil) werden sozialen Fragen als untoter Subtext
benutzt. Deutlich grimmiger und unheilvoller als der Realfilm wird das
Zombie-Motiv zu einer Krankheit der Gesellschaft, verpackt in einem
Standard-Horror-Actioner.
Die Obdachlosen randalieren, das melden die ersten Notrufe. Und schon
vor dem ersten Biss macht Regisseur Yeon Sang-ho klar, dass er keine
Lust darauf hat, bloß Zombie-Klischees runterzubeten. "Seoul Station"
nimmt sich anfangs auch einige Zeit, mal einen Blick auf jene zu werfen, die in der
südkoreanischen Gesellschaft ganz unten stehen. Menschen wie die junge
Hyun-suen, die vor ihrer Vergangenheit als Prostituierte davonläuft. Yeon Sang-ho beschreibt hier keine
blütenreinen Alltags-Menschen als seine Hauptfiguren. Er nimmt sich
Gestalten vor, die leicht bis ziemlich gestört wirken. Und die nicht nur
in Extrem-Situation psychisch zu Grunde gehen, sondern schon echt
abgefuckt wirken. Deshalb wirkt allein der unscheinbar ruhge Auftakt von
"Seoul Station" bereits bitter. Ein blutender alter Mann schluft durch
die Menschen-Menge und keiner will helfen, weil er ziemlich stinkt
und deswegen natürlich ein Penner sein muss. Natürlich ist dies nicht nur ein Problem der südkoreanischen
Gesellschaft. Aber ein Blickwinkel, den kaum eine "Zombie-Apokalypse"
zuvor eingenommen hat.
Yeon Sang-ho präsentiert eine Welt, die Armut ausblendet und wir hier, über Nacht "großzügig" in den U-Bahn-Stationen einpfercht. Und wenn die überaus aggressiven Beißer dann alles überrennen, melden die überforderten Polizisten selbstverständlich, dass ein Problem mit den Gesindel gibt. Er kommentiert Südkorea als einen Ort der an Leistungsdenken, Egoismus und mangelnder Solidarität krankt. Mit einem etwas hölzernen Animationsstil, der seine Figuren in harte Linien zeichnet, verstärkt er auch optisch seine politische Prämisse.
"Seoul Station" ist beileibe nicht heillos, dafür sorgen immer wieder Verschnaufpausen und die Nebenhandlung des unnüzen Boyfriends und des sich sorgenden Daddys, die Hyun-suen zur Hilfe eilen wollen.Doch insgesamt ist es ein guter und teilweise auch anspruchsvoller Film. Allein richtig stark wirkt die Tatsache, dass Yeon Sang-ho seine Mitmenschen in all ihrer Rücksichtslosigkeit zeigt. Sicherheits-Kräfte, die auf alles und jeden ballern, gehören selbstredend zur Grundausstattung des Zombie-Films. Aber selten nahm sich jemand die Zeit um zu verdeutlichen, dass die ehemaligen wichtigen Söhne und Töchter Südkoreas schon vor der Epidemie aus dem Sichtfeld verbannt wurden.Das ist auch der Grund, weshalb "Seoul Station" nicht einfach nur ein weiterer Animations-Film mit Horror-Setting darstellt. Er ist vielmehr eine herbe Erinnerung daran, wie kalt und rücksichtslos eine Welt sein kann, bevor es an allen Ecken und Kanten brennt. Passend dazu hält "Seoul Station" dann auch einen ultrafiesen Twist bereit, der letztlich klarmacht, dass Yeon Sang-ho, wie einst George A. Romero, die Untoten klugerweie als Stilmittel oder Statisten einsetzt. Weniger als eine schale Haupt-Attraktion, die einer eh leblosen Story etwas Pep einhauchen sollen. "Seoul Station" ist damit ein deprimierender, nihilistische und skeptische Zombie-Film mit einigen kraftvollen Bildern, der aber insgesamt nicht ganz die Intensität des Realfilms erreicht.
7,5/10
Von SPLENDID erschien der Film im auf 2.000 Stück limitierten und
nummerierten Mediabook, welches zudem neben der hier besprochenen Vorgeschichte auch den Realfilm "Train To Busan" enthält.
Quellen:
Inhaltsangabe: Splendid
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