Samstag, 26. Juni 2021

[FFFnights REPRISE] Caveat (2020)

https://www.imdb.com/title/tt7917178/

Der an Amnesie leidende Isaac (Jonathan French) wird von Kumpel Barret (Ben Caplan) gebeten, für ein paar Tage die Tochter seines verstorbenen Bruders zu beaufsichtigen. Olga (Leila Sykes) ist schizophren mit katatonischen Zuständen und kann nicht allein sein. Einmal im Jahr trauert sie in einem verlassenen Haus um ihren Vater, der sich dort im Keller erschossen hat. Nicht erwähnt hat der Kumpel, dass das Haus auf einer einsamen Insel liegt. Und es gibt eine Bedingung: Isaac muss seinen Aufenthalt angekettet in einem ledernen Geschirr verbringen. Dass die Kette lang genug ist, um durchs ganze Haus zu streifen, ist da auch kein Trost. Doch aus Geldmangel nimmt der junge Mann den Job an...

"Caveat" ist ein beeindruckender und oft erschreckender Film. Damian Mc Carthys Regiedebüt spielt fast ausschließlich an einem Ort, mit lediglich zwei Menschen, die in einem gammeligen, schwach beleuchteten Haus, einer richtiggehenden Albtraumlandschaft, gefangen sind. Verblassenden, modrige Gemälde flüstern in der Nacht, und ein Spielzeugkaninchen mit menschengroßen Glasaugen fungiert als Kanarienvogel im Bergwerk, der wütend auf eine Trommel schlägt, als Warnung, als Vorbote des nahenden Unheils. Jedes Mal, wenn das Kaninchen auf seiner Trommel herumtrommelt, starrt Isaac wild durch den Raum, aber da ist nichts, nur leere Räume und angelehnte Türen.

Man kann die feuchte Luft in diesem Haus praktisch riechen. Die junge Frau ist anfangs nirgends zu sehen. Doch da ist ja noch das Ledergeschirr, welches Isaac tragen muss, das an einer langen Kette befestigt ist - und der Schlüssel wird praltischerweise außerhalb von Isaacs Reichweite aufbewahrt. Ein vernünftiger Mensch würde Moe sagen, dass er sich sein Jobangebot sonst wohin stecken soll. Nicht so Isaac, und nachdem er einen Blick auf Olga erhascht hat, die auf dem Boden hockt und ihr Gesicht bedeckt, stimmt er zu, das Geschirr zu tragen. Isaacs "Entscheidungen" - d.h. die Zustimmung, den Job überhaupt anzunehmen, die Missachtung der Befehle, die Barret ihm gegeben hat, die Entscheidung, in den dunklen Keller zu gehen, um zu sehen, was dort unten sein könnte, das ganze Drumherum - strapazieren die Glaubwürdigkeit, aber Mc Carthy weiß, worauf er hinaus will. Realismus und verständliche Entscheidungen sind nicht das, was ihn interessiert. Was ihn interessiert, ist die Atmosphäre in diesem schrecklichen Haus. Er legt Wert auf Stimmung und Setting, und er stellt die zerklüfteten Gefühlszustände seiner beiden Hauptfiguren in den Vordergrund. Alles andere tritt in den Hintergrund. Die wenigen Rückblenden in Olgas Kindheit, die ohne Vorwarnung in die Gegenwartsszenen galoppieren, sind sehr verstörend, zumal sie ohne Ton ablaufen. Richard G. Mitchells großartiger Score pulsiert und untermalt die Handlung und macht so etwas Harmloses wie das Öffnen einer Tür zu einem haarsträubenden Ereignis. Der Score wird nicht überstrapaziert, im Gegenteil: Es gibt lange Phasen, in denen die Musik ganz wegfällt. Die Abwesenheit der Musik ist fast so nervtötend wie ihre Anwesenheit. Auch Sykes ist über weite Strecken nicht zu sehen, aber man spürt immer, dass sie im Film ist, dass sie sich in den Räumen im Obergeschoss versteckt, dass sie vor der Tür lauert. Ihre distanzierte Haltung und ihre unbewegliche Stimme, selbst wenn sie eine Armbrust schwingt, tragen zu ihrer unheimlichen Wirkung bei. Sie ist eine wirklich beängstigende Präsenz. Und Jonathan French, der sein Langfilmdebüt gibt, ist ein sanftmütiger, nachdenklicher Jedermann, beunruhigt durch die Leere seines Verstandes, die Löcher in seiner Erinnerung, nie sicher, ob das, was er sieht, real ist.

Mc Carthy drehte "Caveat" auf dem sprichwörtlichen schmalen Grat, und das kommt dem Film zugute. Die Dunkelheit und die lange Stille erzeugen eine spürbare Unheimlichkeit, einen anhaltenden Zustand der Beklemmung, ohne sich auf irgendwelche Spezialeffekte oder schnell geschnittene, ausgefallene Kamerafahrten zu verlassen. Der Film ist nervenaufreibend und ein gutes Beispiel dafür, wie viel man mit einem geringen Budget erreichen kann, wenn man erfinderisch genug und vor allem sicher genug in der Geschichte ist, die man erzählen will.

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: MPI Films/Shudder

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