Sonntag, 20. Juni 2021

Luca (2021)

https://www.imdb.com/title/tt12801262/

Vor Luca (Stimme im Original: Jacob Tremblay) liegt ein fabelhafter Sommer an der italienischen Riviera. Während der Schulferien hat er nichts anderes vor, als faul in der Sonne zu liegen, im Meer zu baden, Eis zu schlecken und tellerweise leckere Pasta zu verschlingen. So malt sich Luca das zumindest aus, denn niemand ahnt, dass er und sein bester Freund Alberto (Jack Dylan Grazer) ein großes Geheimnis mit sich tragen: Die beiden sind keine menschlichen Jungen, sondern freundlich gesinnte Meereskreaturen, die ihre eigentliche Form nur unter Wasser oder im Kontakt mit Wasser annehmen. Ihre ersten Gehversuche in einer kleinen Küstenstadt an Land gestalten sich schwierig, doch dann lernen die beiden ein gleichaltes Menschenmädchen namens Giulia Marcovaldo (Emma Berman) kennen und freunden sich mit ihr an... 

Würde man es nicht wissen, man würde wohl sehr viel interpretieren müssen, um zu erkennen, dass "Luca" der erste queere Disney/PIXAR-Film ist. Warum? "Luca" schafft es, dieses Thema auf spielerische Art und Weise zu vermitteln, ohne auch nur eine eindeutig homosexuelle Szene zu zeigen. Man befindet sich ja immerhin noch im konservativen Disney-Territorium. Und es ist ja nicht so, dass selbst PIXAR alle Anfragen zu diesem Thema dementiert. Trotzdem stellt der Film eine starke Allegorie für das Aufwachsen als Homosexueller und das Finden einer Verbindung mit anderen LGBTQ-Menschen dar. "Luca" erzählt die Geschichte von zwei Jungen - Luca und Alberto - die ihre wahren Identitäten verbergen müssen, um einen Vorgeschmack auf das echte Leben unter der Bevölkerung der kleinen Stadt am Rande des Meeres zu bekommen. PIXAR vermarktet den Film als eine Coming-of-Age-Geschichte, in der die Jungen den Sommer ihres Lebens erleben, platziert die Erzählung aber zu einem Zeitpunkt im Leben der Jungen, bevor solche Überlegungen überhaupt ins Spiel kommen.

Und trotzdem schafft es PIXAR eine Parabel über jugendliche Homosexualität zu schaffen von der ersten Neugier, dem vorsichtigen Antasten, der Angst, der befreiten Unbeschwertheit, dem Rausch der Sinne und der Emanzipation. Wenn Alberto und Luca in ihrer befreiten Unbeschwertheit zusammen mit der Vespa den Hang runterrasen, Luca seine Angst durch Vertrauen in Alberto überwindet, sich eng an ihn klammert, anfangs nicht alles optimal läuft, es auch mal etwas wehtun könnte, es am Ende aber für beide ein atemberaubender Ritt wird, sind die Vergleiche offensichtlich. Aber auch die Schattenseiten einer obligatorischen jugendlichen Homosexualität im mehrheitlich konservativen Umfeld werden metaphorisch behandelt: Die ständige Sorge geoutet zu werden, die Homophobie und oftmals auch die Flucht aus dem engen familiären Umfeld. Die wohl aber beste Szene ist allerdings nicht der wilde Ritt auf der Vespa, sondern Lucas Versuch das Wasser zu überwinden um die Welt darüber zu erkunden. Es müsste so einfach sein, er müsste einfach nur auftauchen. Aber es kostet ihm so eine große Überwindung und fällt ihm so schwer. Am Ende gelingt es ihm nur mit der Hilfe und dem Anschwung seines Freundes Albertos. 

PIXAR, wie auch Disney selbst und andere Studios, war bisher sehr zurückhaltend, wenn es um die Darstellung von queeren Charakteren ging, und hat erst vor kurzem damit begonnen, solche Menschen darzustellen, und das meist nur am Rande und in kleinen Rollen. Als der erste Trailer und die Inhaltsangabe für "Luca" veröffentlicht wurden, reagierten viele mit Freude, dass der Film die ersten LGBTQ-Personen des gelobten Studios in den Hauptrollen zeigen könnte und das Coming-Out für ein junges Publikum so erforscht, wie es viele andere ernste Themen erforscht hat. Aber diejenigen, die an dem Projekt beteiligt sind, waren sehr schnell dabei, diese Tür zu schließen. 

Und so fühlt sich dann "Luca" auch an, so richtig will der Film es dann doch nicht sagen oder den Zuschauer mit der Nase reindrücken. Doch seis drum. Es ist eben immer noch Disney. "Luca" ist nämlich ansonsten ein bezauberndes Animationswerk aus dem Hause Pixar, dessen einzige große Schwäche seine generische Ausgangslage und die damit verbundenen Probleme sind. Tricktechnisch perfektion mit schönem italienischen Flair trifft eine gute Balance seitens Witz und warmherzigkeit, die Musik dazu lässt sofort unbeschwerte Urlaubsstimmung aufkommen und eine schöne Message zum Schluss entlässt "Luca" dann doch, trotz besagter Schwäche mit einem schönen Gefühl aus dem Kurzurlaub. Doch "Silenzio Bruno!" und Bellissimo, PIXAR! Als nächsten Schritt wäre etwas mehr Mut wünschenswert. Es ist wohl auch kein Zufall, dass der Ort in einem Klischee-Italien spielt, das italienischer aussieht, als Italien jemals war. ""Luca". Ein liebevoller Film, der Spaß macht, aber sehr viele Chancen vergibt. Wahrlich ein Sommer der Liebe.

8/10

Quellen:
Inhaltsangabe:
 Disney / Pixar

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