Drachen und Menschen lebten einst Seite an Seite im friedlichen Kumandra. Doch eine dämonische Macht drohte alles Leben im Land zu vernichten, sodass sich die Drachen gezwungen sahen, sich für die Menschen zu opfern. 500 Jahre später scheint nur noch ein Exemplar von ihnen zu existieren: der Drache Sisu (Stimme im Original: Awkwafina). Die eigenbrötlerische Kriegerin Raya (Kelly Marie Tran), die ihr ganzes Leben dafür trainiert hat, eine Wächterin des Drachenjuwels zu werden, macht sich zusammen mit ihrem Reittier Tuk Tuk (Alan Tudyk), dem Schwert ihres Vaters und einer magischen Scherbe auf die Reise, um diesen Drachen aufzuspüren. Denn eine Legende besagt, dass dies der einzige Weg sei, die Welt des Königreichs Kumandra wieder in Ordnung zu bringen und für Frieden zu sorgen...
Nach den letzten Abenteuern aus dem Hause Disney durfte man seine Erwartungen etwas herunterschrauben. Nicht nur die Realverfilmung von "Mulan" war eine große Enttäuschung, gemessen an den gesetzten Erwartungen, auch "Die Eiskönigin 2" war im Vergleich zu ihrem direkten Vorgänger eine derbe Enttäuschung. Und leider ist auch "Raya und der letzte Drache" nicht der ganz grosse Wurf geworden. Doch bei "Raya und der letzte Drache" ist dies nicht so furchtbar, wie bei den erstgenannten Verfilmungen, nein, "Raya und der letzte Drache" hat eigentlich nur ein riesiges Problem: Die viel zu kurze Laufzeit. Die wahnsinnig schnell voranschreitende Handlung lässt den interessanten Charateren und deren liebenswerten und teilweise zum Schmunzeln anregenden tollpatschigen Sidekicks kaum Zeit zur vollen Entfaltung. So bleibt vieles auf der Strecke. Dinge, über die man als Zuschauer nur zu gern mehr erfahren hätte. Denn die Welt von Raya ist unglaublich interessant, vielschichtig und ganz ohne Abstriche absolut grandios animiert.
Ja, man erfährt nicht viel über die Einzelschicksale von Rayas Begleiter. Das verhindert eine dringend benötigte emotionale Bindung mit diesen Charakteren. Es wäre auch gut gewesen, wenn Rayas Widersacherin etwas näher beleuchtet worden wäre - allen voran deren Motive. Denn so verkommt sie zu einer gelebten Egoistin und ihr plötzlicher Sinneswandel erscheint surreal. Dass diese Konstellation für eine Antagonistin ausreichen kann - dafür gibt es genug Belege. Doch hier erscheint es eher störend.
Das zweite Problem ist das Worldbuilding. Disney serviert dem Zuschauer das interessante asiatische Reich Kumandra. Leider in Form von Fast-Food. Ausser ein paar Banalitäten und Klischees erfährt der Zuschauer nicht wirklich viel. Weder, wie die Leute hier leben, über ihre Kultur oder ihre Herkunft. Eine Ausnahme bilden ihre kulinarischen Eigenheiten. Da sagen ein paar schöne Landschaftsaufnahmen auch nicht viel aus. Natürlich auch auch das Jammern auf hohem Niveau, doch für eine Geschichte dieses Kalibers ist das, was hier gezeigt wird, endeutig zu wenig. Doch auch wenn hier viel gemeckert werden kann, allein damit ist "Raya und der letzte Drache" nicht schlecht, ganz im Gegenteil.
Visuell ist der Film - wie nicht anders zu erwarten - eine Wucht. Es ist demnach entsprechend schade, dass eine 3D-Kinoasuwertung aufgrund der Pandemia-Situation ausfallen musste, der Film nur in wenigen Kinos gezeigt und bald schon auf dem Streamingdienst Disney+ bereitgestellt wurde. Anfangs noch als VIP-Zugang, seit Anfang Juni und noch lange vor einer anvisierten Kinoauswertung in Deutschland, als frei zugängliches Angebot. Der Verlust des Kinos ist der Gewinn des Streamings und er verzerrt leider die Daten: "Raya und der letzte Drache" ist eine Kinoproduktion, die auf höchstem Level erfolgt ist und dort absolut hingehört hätte, es nun aber aussehen läßt als seien neue Streamingtitel generell auf einem solch hohen Niveau. Der Film orientiert sich optisch an verschiedenen ostasiatischen Kulturen ( Vietnam, Thailand Malaysia, Laos, etc ) und das mit Erfolg. Einen Vorteil der schnell voranschreitenden Handlung kann man jedenfalls nicht von der Hand weisen: es gibt nahezu keinen Leerlauf. Dass die Story vom Reißbrett kommt und relativ einfach gehalten wird, ist weder überraschend (schließlich soll sie auch für Kinder zugänglich sein) noch problematisch, denn der Unterhaltungswert stimmt.
Die Hauptbedrohung des Landes, die Druun, erinnert optisch an die Obscuri aus "Pantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" (ausserdem funktionieren sie auch als Symbol für den Klimawandel, da sie alle Lebewesen in Stein und die Landschaft in eine Wüste verwandelt). Rayas Reittier Tuktuk sieht aus wie ein gigantisches Gürteltier, die Drachen haben Fell und erinnern damit an die alte Darstellung chinesischer Drachen. Der von der Geschichtsschreibung zur Legende verklärte Drache entpuppt sich auch schnell als ziemlich chaotisch und verpeilt, was dem Spaßfaktor keinesfalls schadet. Auch a Action mangelt es hier nicht. Die Kämpfe mit ostasiatischen Waffen sind hervorragend choreographiert. Die Verfolgungsjagden sind absolut sehenswert und auch Humor blitzt hier und da durch. Botschaft und Ende sind halt typisch Disney: ein wenig naiv, ziemlich süßlich, aber seit Jahrzehnten bewährt. Wenn man jetzt noch der Handlung mehr Zeit gegeben hätte sich zu vertiefen, dann wäre "Raya und der letzte Drache" ein hervorragender Film und das neue Meisterwerk Disneys geworden. So bleibt der Film "nur" gut.8/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Disney
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