https://www.imdb.com/title/tt0066907/
Chato (Charles Bronson) muss wegen seiner indianischen Herkunft
primitive Beleidigungen von einem Sheriff ertragen. Als es ihm zu viel
wird, setzt er sich zur Wehr und erschießt den rassistischen Sheriff
schließlich. Die Einwohner der kleinen Stadt, die den amerikanischen
Ureinwohnern sowieso schon skeptisch gegenüber stehen, werden von dem
Ereignis in Rage gebracht. Die Aggressionen gehen schließlich sogar so
weit, dass der Bürgerkriegsveteran Quincy Whitmore (Jack Palance) einen
Trupp zusammenstellt, der Chato finden und eigenmächtig töten soll.
Chato flüchtet und ist gezwungen, seine Frau und sein Kind in der Wüste
zurückzulassen. Der Suchtrupp kann diese schließlich ausfindig machen.
Sie missbrauchen die Frau schwer und nehmen sie als Geisel. Chatos Sohn
gelingt die Flucht...
Bevor Charles Bronson und Michael Winner mit "Ein Mann sieht rot" einen wahrlich stilprägenden Vertreter des Rache-Kinos ablieferten, an dessen dramaturgischen Muster sich auch heute noch Filmemacher bedienen, erblickte zwei Jahre zuvor mit "Chatos Land" ihre erste Kollaboration das Licht der Welt. Ein Western, der für seine Zeit durchaus darum bemüht war, den Status quo des Genres zu hinterfragen und umzudefinieren. Denn wo sich zeitgenössische Einträge in den Western mit Vorliebe darum bemühten, indianische Stämme zu den unzweifelhaften Feindbildern zu erheben, sind die Indianer in "Chatos Land" keine meuchelnden, raubenden und vergewaltigenden Barbaren, sondern Menschen, die für sich und ihre Familien eine Möglichkeit suchen, ihr restliches Dasein in Frieden verrichten zu dürfen. In "Chatos Land" währt der Glaube an den Frieden nicht einmal fünf Minuten seiner Handlungszeit, sieht sich das Halbblut Chato (Charles Bronson) doch gleich zu Anfang dazu gezwungen, den Sheriff einer Kleinstadt aus Notwehr zu erschießen. Auf diese Tat hin nimmt ein vom Kriegsveteranen Quincy Whitmore (Jack Palance) angeführtes Geschwader die Spur des von den Apachen abstammenden Chato auf und schwört Vergeltung für den Tod ihres obersten Gesetzeshüters. Michael Winner orientiert sich dabei bis zu einem gewissen Grad an John Fords Kriegsfilm Die letzte Patrouille aus dem Jahre 1934, in dem ein britischer Offizier in der mesopotamischen Wüste von einem arabischen Scharfschützen erschossen wird.
Gleichermaßen nimmt "Chatos Land" in gewisser Weise auch "Ein Mann sieht rot" vorweg, ist auch Chato eigentlich ein sich nach Harmonie sehendes Individuum, welches zum Handeln gezwungen wird, nachdem der Indianer-hassende Mob auf seinen Fersen nicht nur seine Frau vergewaltigt, sondern auch seinen Bruder bei lebendigem Leibe verbrennen lässt. Michael Winner inszeniert diese Geschichte gewohnt kompetent und stramm, bestätigt seinen Ruf als formidabler Genre-Handwerker und hat mit Charles Bronson und vor allem dem wunderbaren Jack Palance zwei Darsteller aufzubieten, die eine unheimliche Präsenz besitzen und ihr gesamtes Charisma in ihrem stoisch-kernigen Wesen bündeln. Die inhaltliche Umkehrung altmodischer Western-Konventionen in Bezug auf die Persönlichkeit und das Verhalten der Figuren gesteht "Chatos Land" eine weitere, ganz und gar zeitgeschichtliche Deutungsebene zu. Denn offenkundig versteht sich "Chatos Land" auch als bittere Vietnam-Parabel, in der die glorreichen Helden, die hier letztlich versoffene, notgeile und niederträchtige Texaner darstellen, in einem "fremden Land" auf ihre Grenzen stoßen und einem bestialischen Zerstörungskrieg zum Opfer fallen. Die Gruppe wird Mann für Mann dezimiert. Mag "Chatos Land" in seinen sozial- und gesellschaftskritischen Bemühungen auch nicht anspruchsvoll sein, er stellt dennoch eindrucksvoll unter Beweis, dass Gewalt, die hier augenscheinlich die einzige Kommunikationsmöglichkeit ist, um sich über die kulturellen und ethnischen Demarkationslinien hinaus zu verständigen, keine Aussicht darauf bietet, um mit sich und der Welt ins Reine zu kommen. Nicht für die Indianer, nicht für die Siedler. Für keinen Menschen. Rache gebietet niemals die Chance auf Gerechtigkeit, sondern evoziert nur einen blutbesudelten Teufelskreislauf - Gewalt erzeugt Gegengewalt. "Chatos Land" ist damit ernsthaft darum bemüht, ein ehrliches Bild der Indianer anzufertigen und gebiert daraus eine von Gewalt dominierte, straff inszenierte und gut besetzte Vietnam-Parabel wie Anklage an den Rassismus.
7/10
Von CAPELIGHT PICTURES erschien der Film hierzulande in einem tollen Mediabook:
Freitag, 31. Juli 2020
Winter's Bone (2010)
https://www.imdb.com/title/tt1399683/
Ree Dolly (Jennifer Lawrence) muss ihren untergetauchten und hoch verschuldeten Vater Jessup auftreiben, bevor das klapprige Familienhaus im amerikanischen Outback der Ozark Mountains verpfändet wird und Ree, ihre Schwestern (Isaiah Stone, Ashlee Thompson) sowie ihre psychisch kranke Mutter damit auf der Straße sitzen. Doch niemand will den Meth-Dealer gesehen haben. Die halbherzige Unterstützung ihres gewalttätigen Onkels Teardrop (John Hawkes) hilft der verzweifelten 17-Jährigen kaum weiter - abgesehen davon ist sie ganz auf sich allein gestellt. Schnell wird Ree klar, dass sie auf einem gefährlichen Geheimnis auf der Spur ist...
"Winter's Bone" ist ein ruhiges und langsam erzähltes Drama, welches das raue Leben in einer der ärmeren Gegenden der USA präsentiert. In diesem Fall ist es das Örtchen Ozarks in Missouri. Dort lebt die siebzehnjährige Ree Dolly, die im Alleingang für sich und ihre arme Familie sorgen muss. Jennifer Lawrence gelingt es hervorragend, die Hilflosigkeit, die Erschöpfung und die Trauer ihrer Rolle überaus authentisch darzustellen. Immer wieder kämpft Ree mit Stolz und Entschlossenheit dagegen an, doch die Verzweiflung und ihre innere Zerrissenheit bleibt den ganzen Film über präsent. Dieser Film brachte Jennifer Lawrence ihre erste Oscar-Nominierung als beste Hauptdarstellerin ein. Völlig zurecht. Doch leider können die wirklich sehr guten Darstellerleistungen (auch von Nebenfiguren, u.a. John Hawkes und Isaiah Stone) den starken Mangel an Handlung nicht überschatten. Die Geschichte bleibt trotz der Thematik ziemlich einseitig, sodass selten wirklich Spannung aufkommt und mit den Charakteren nur wenig passiert.
Es fällt dennoch schwer, sich der innerlichen Wut auf das menschengemachte Elend dieser kleinen gebeutelten Famile zu entziehen. Mit jeder Szene steigt der Hass auf dieses drogenverseuchte Hinterweltlerpack, um dann gleich wieder in Anbetracht der Ambivalenz des Lebens demontiert zu werden. Während man Teardrop nach dem ersten Besuch als gewalttätigen, Frauen schlagenden Drogenjunkie, kennenlernt, wandelt er sich später zum einzig loyalen Verbündeten. Die Frau, die Ree gerade noch das Gesicht zu Brei geschlagen hat, ist beim nächsten Aufeinandertreffen ihre Rettung.
Trotz dieses Aspekte und der Tragik in der Geschichte vermag es der Film dennoch nicht, eine wirkliche emotionale Bindung zum Zuschauer aufbauen, weshalb der Film einen, wie das Setting, meistens ziemlich kalt lässt. Es ist gut möglich, dass das die Absicht der Regisseurin war, alles sehr unterkühlt zu zeigen, doch dadurch entstand eine zu starke Distanziertheit zu den Charakteren. Nichtsdestotrotz hat der Film durchaus ein paar durchschlagende Momente zu bieten, die ein arg flaues Magengefühl hinterlassen. "Winter's Bone" ist durchaus kein angenehmer Film, aber er präsentiert ein inhaltlich und atmosphärisch authentisches Bild der düsteren Seite der USA. Dreckig, schonungslos, unsentimental, fast dokumentarisch geht es hier zu. Ein an und für sich guter Independent-Film, dem es an allerdings an einem guten Spannungsbogen und einer interessanten Story-Entwicklung mangelt, um wirklich mitreißen zu können.
7/10
Ree Dolly (Jennifer Lawrence) muss ihren untergetauchten und hoch verschuldeten Vater Jessup auftreiben, bevor das klapprige Familienhaus im amerikanischen Outback der Ozark Mountains verpfändet wird und Ree, ihre Schwestern (Isaiah Stone, Ashlee Thompson) sowie ihre psychisch kranke Mutter damit auf der Straße sitzen. Doch niemand will den Meth-Dealer gesehen haben. Die halbherzige Unterstützung ihres gewalttätigen Onkels Teardrop (John Hawkes) hilft der verzweifelten 17-Jährigen kaum weiter - abgesehen davon ist sie ganz auf sich allein gestellt. Schnell wird Ree klar, dass sie auf einem gefährlichen Geheimnis auf der Spur ist...
"Winter's Bone" ist ein ruhiges und langsam erzähltes Drama, welches das raue Leben in einer der ärmeren Gegenden der USA präsentiert. In diesem Fall ist es das Örtchen Ozarks in Missouri. Dort lebt die siebzehnjährige Ree Dolly, die im Alleingang für sich und ihre arme Familie sorgen muss. Jennifer Lawrence gelingt es hervorragend, die Hilflosigkeit, die Erschöpfung und die Trauer ihrer Rolle überaus authentisch darzustellen. Immer wieder kämpft Ree mit Stolz und Entschlossenheit dagegen an, doch die Verzweiflung und ihre innere Zerrissenheit bleibt den ganzen Film über präsent. Dieser Film brachte Jennifer Lawrence ihre erste Oscar-Nominierung als beste Hauptdarstellerin ein. Völlig zurecht. Doch leider können die wirklich sehr guten Darstellerleistungen (auch von Nebenfiguren, u.a. John Hawkes und Isaiah Stone) den starken Mangel an Handlung nicht überschatten. Die Geschichte bleibt trotz der Thematik ziemlich einseitig, sodass selten wirklich Spannung aufkommt und mit den Charakteren nur wenig passiert.
Es fällt dennoch schwer, sich der innerlichen Wut auf das menschengemachte Elend dieser kleinen gebeutelten Famile zu entziehen. Mit jeder Szene steigt der Hass auf dieses drogenverseuchte Hinterweltlerpack, um dann gleich wieder in Anbetracht der Ambivalenz des Lebens demontiert zu werden. Während man Teardrop nach dem ersten Besuch als gewalttätigen, Frauen schlagenden Drogenjunkie, kennenlernt, wandelt er sich später zum einzig loyalen Verbündeten. Die Frau, die Ree gerade noch das Gesicht zu Brei geschlagen hat, ist beim nächsten Aufeinandertreffen ihre Rettung.
Trotz dieses Aspekte und der Tragik in der Geschichte vermag es der Film dennoch nicht, eine wirkliche emotionale Bindung zum Zuschauer aufbauen, weshalb der Film einen, wie das Setting, meistens ziemlich kalt lässt. Es ist gut möglich, dass das die Absicht der Regisseurin war, alles sehr unterkühlt zu zeigen, doch dadurch entstand eine zu starke Distanziertheit zu den Charakteren. Nichtsdestotrotz hat der Film durchaus ein paar durchschlagende Momente zu bieten, die ein arg flaues Magengefühl hinterlassen. "Winter's Bone" ist durchaus kein angenehmer Film, aber er präsentiert ein inhaltlich und atmosphärisch authentisches Bild der düsteren Seite der USA. Dreckig, schonungslos, unsentimental, fast dokumentarisch geht es hier zu. Ein an und für sich guter Independent-Film, dem es an allerdings an einem guten Spannungsbogen und einer interessanten Story-Entwicklung mangelt, um wirklich mitreißen zu können.
7/10
Donnerstag, 30. Juli 2020
Angel Heart (1987)
https://www.imdb.com/title/tt0092563/
New York City, 1955: Über einen Anwalt namens Herman Winesap (Dann Florek) wird der heruntergekommene Privatdetektiv Harry Angel (Mickey Rourke) dem unheimlichen Louis Cyphre (Robert De Niro) vorgestellt. Angel erhält von dem diabolischen Cyphre den lukrativen Auftrag, eine vermisste Person für ihn zu finden: Der vor dem Krieg als Schlagersänger unter dem Namen Johnny Favorite bekannte John Liebling ist ihm noch die Erfüllung seines Vertrags schuldig. Johnny Favorite soll im Krieg Verletzungen erhalten haben, die ihn an Gesicht und Geist versehrten. Erste Spuren führen Angel in eine Klinik, in der Favorite behandelt worden sein soll. Von dem Morphin-abhängigen Arzt Fowler (Michael Higgins) erfährt er, dass der Sänger in den Süden gebracht worden sein soll. Wenig später ist Fowler tot. Aus Angst, mit dem Mord in Verbindung gebracht zu werden, flieht Angel nach Louisiana, wo er Favorite vermutet. Hier soll Favorite mit Margaret Krusemark (Charlotte Rampling) eine Verlobte und Evangeline Proudfoot eine Geliebte gehabt haben. Die zwischenzeitlich verstorbene Evangeline hat eine 17-jährige Tochter hinterlassen, Epiphany Proudfoot (Lisa Bonet). Während er mit ihr schläft, wird Angel von blutigen Visionen heimgesucht. Ein weiteres Gespräch mit Margaret Krusemark offenbart Angel, dass Favorite ein mächtiger Zauberer war, der für den späteren Ruhm seine Seele an den Teufel verkaufte. Nicht nur diese Geschichte erfüllt Angel mit Horror. Auch weitere Zeichen und Morde führen den Schnüffler immer tiefer in eine Welt des Grauens, aus der es kein Entrinnen gibt...
Es gibt Filme, die funtionieren beim ersten oder zweiten Mal anschauen unglaublich gut, verlieren danach jedoch ihre Wirkung. Schließlich weiß man, worauf es hinausläuft, der Überraschungseffekt ist nicht mehr da und man erkennt eventuelle Schwachpunkte, die von der anfänglichen Faszination überschattet wurden. Solche Filme gibt es, doch "Angel Heart" ist da komplett anders. Tatsächlich gewinnt er mit jeder Sichtung hinzu. Trotz des bekannten Ablaufs, der nicht mehr eintrettenden Überraschung. Es erschließen sich dafür immer mehr Details, die die Genialität der Geschichte, des Drehbuchs und Alan Parkers meisterhafter Inszenierung immer größer werden lassen. Der Film ist vollgestopft mit Symbolik und Metaphern, ist bis ins Kleinste nahezu perfekt konstruiert und durchdacht. Je öfter man ihn sieht, desto mehr entdeckt man in den einzelnen Szenen. Beim ersten Durchlauf ist dies absolut unmöglich, selbst beim zweiten oder dritten Mal lassen sich nicht alle Anspielungen von Parker erkennen. Wo andere Filme hier und da mal etwas einstreuen, das bei wiederholter Sichtung für einen Aha-Effekt sorgt, besteht bei "Angel Heart" jede Szenen fast nur aus solchen Aha-Momenten. Das ist so unglaublich brillant konzipiert, der pure Wahnsinn. Oft wird "Angel Heart" in die Genre-Kategorien "Psycho- und Mysterythriller" eingeteilt. Was man zu einem Großteil wirklich erhält, ist ein zäher und komplexer Detektiv-Krimi. Viele Figuren treten auf, werden befragt und alle verbindet irgendwie etwas miteinander. In dem Figurengeflecht verliert man schnell den Überblick, wer nun wessen Geliebte oder wessen Freund war, weswegen es sich hier um einen Film handelt, der Konzentration erfordert und es seinem Publikum nicht immer leicht macht. Vieles wird nur angedeutet oder wortwörtlich im Dunkeln gelassen. Vorgekaut wird einem hier gar nichts.
Das soll jetzt aber um Himmels Willen nicht abschrecken: Auch beim ersten Mal ist "Angel Heart" bereits sensationell. Schon beim Vorspann, in dem nur eine düstere Gasse gezeigt wird, schleicht sich diese unheilvolle Stimmung ein, dank Trevor Jones' grauenvoll-wunderschönen Score, der einen über den ganzen Film begleitet und maßgeblich zu der fesselnden Stimmung beiträgt. Was "Angel Heart" letztlich davor rettet, in Langeweile abzudriften, sind zwei Dinge. Erstens die wahnsinnig gelungene Atmosphäre. Immer wieder werden Bilder eingefangen, die zum einen hochästhetisch, zum anderen auch verdammt schaurig sind. Ob sich rückwärts drehende Ventilatoren; Blut, das von der Decke tropft; eine schwarze Gestalt, die einsam auf einer Kirchenbank sitzt. Obwohl, oder gerade wohl weil der Film nie ein hohes Tempo fährt, schnürt sich die Stimmung gnadenlos zusammen. Harry Angel bei seinen Ermittlungen in der okkulten Szene von New Orleans zuzusehen, wie er immer weiter in einen Fall hineinschlittert, der so unscheinbar beginnt, mit jedem Tag mysteriöser und bedrohlicher wird, ist Spannung auf aller höchstem Niveau. Alan Parker schafft es durch seine auf den Punkt optimale Inszenierung, dass man als Zuschauer, wie Harry Angel, immer tiefer in diesen Sumpf hineingezogen wird, bis zum Schluss nicht sicher, was einem am Ende der Reise erwarten wird. Ohne jetzt zu viel zu verraten, dafür müsste man erschossen werden, das Finale setzt allem die Krone auf.
Zu guter Letzt muss noch auf die Darsteller eingegangen werden: "Angel Heart" ist die beste Rolle, die Mickey Rourke je verkörpert hat. Was aus dem Mann hätte werden können, stellt er hier eindrucksvoll unter Beweis. Er hätte wirklich der nächste Marlon Brando sein können. Ein unglaubliches Charisma und darstellerisch hier auf Weltklasseniveau. Lisa Bonet, dem breiten Publikum sonst nur aus der "Cosby-Show" bekannt, ist die augenscheinliche Unschuld und Versuchung in Person. Diese Rolle hätte sie fast ihr Engagement in der Erfolgssitcom gekostet, die wohl um ihren sauberen Ruf gefürchtet hat. Und dann natürlich Robert De Niro, einer der größten aller Zeiten, der in seinen wenigen Szenen eine Präsenz an den Tag legt, die einen den Atem anhalten lässt. Wie faszinierend es sein kann, wenn jemand ein Ei isst - eine grandiose Szene und Paradebeispiel für die Wirkung bei mehrfacher Sichtung. "Angel Heart" ist ein absolutes Meisterwerk, das ohne jeden Zweifel rein gar nichts über die Jahre eingebüßt hat und eigentlich nur noch besser wird. Sehr empfehlenswert.
8/10
Uncut und in HD kommt der Film von NSM im auf 444 Stück limitierten Mediabook.
New York City, 1955: Über einen Anwalt namens Herman Winesap (Dann Florek) wird der heruntergekommene Privatdetektiv Harry Angel (Mickey Rourke) dem unheimlichen Louis Cyphre (Robert De Niro) vorgestellt. Angel erhält von dem diabolischen Cyphre den lukrativen Auftrag, eine vermisste Person für ihn zu finden: Der vor dem Krieg als Schlagersänger unter dem Namen Johnny Favorite bekannte John Liebling ist ihm noch die Erfüllung seines Vertrags schuldig. Johnny Favorite soll im Krieg Verletzungen erhalten haben, die ihn an Gesicht und Geist versehrten. Erste Spuren führen Angel in eine Klinik, in der Favorite behandelt worden sein soll. Von dem Morphin-abhängigen Arzt Fowler (Michael Higgins) erfährt er, dass der Sänger in den Süden gebracht worden sein soll. Wenig später ist Fowler tot. Aus Angst, mit dem Mord in Verbindung gebracht zu werden, flieht Angel nach Louisiana, wo er Favorite vermutet. Hier soll Favorite mit Margaret Krusemark (Charlotte Rampling) eine Verlobte und Evangeline Proudfoot eine Geliebte gehabt haben. Die zwischenzeitlich verstorbene Evangeline hat eine 17-jährige Tochter hinterlassen, Epiphany Proudfoot (Lisa Bonet). Während er mit ihr schläft, wird Angel von blutigen Visionen heimgesucht. Ein weiteres Gespräch mit Margaret Krusemark offenbart Angel, dass Favorite ein mächtiger Zauberer war, der für den späteren Ruhm seine Seele an den Teufel verkaufte. Nicht nur diese Geschichte erfüllt Angel mit Horror. Auch weitere Zeichen und Morde führen den Schnüffler immer tiefer in eine Welt des Grauens, aus der es kein Entrinnen gibt...
Es gibt Filme, die funtionieren beim ersten oder zweiten Mal anschauen unglaublich gut, verlieren danach jedoch ihre Wirkung. Schließlich weiß man, worauf es hinausläuft, der Überraschungseffekt ist nicht mehr da und man erkennt eventuelle Schwachpunkte, die von der anfänglichen Faszination überschattet wurden. Solche Filme gibt es, doch "Angel Heart" ist da komplett anders. Tatsächlich gewinnt er mit jeder Sichtung hinzu. Trotz des bekannten Ablaufs, der nicht mehr eintrettenden Überraschung. Es erschließen sich dafür immer mehr Details, die die Genialität der Geschichte, des Drehbuchs und Alan Parkers meisterhafter Inszenierung immer größer werden lassen. Der Film ist vollgestopft mit Symbolik und Metaphern, ist bis ins Kleinste nahezu perfekt konstruiert und durchdacht. Je öfter man ihn sieht, desto mehr entdeckt man in den einzelnen Szenen. Beim ersten Durchlauf ist dies absolut unmöglich, selbst beim zweiten oder dritten Mal lassen sich nicht alle Anspielungen von Parker erkennen. Wo andere Filme hier und da mal etwas einstreuen, das bei wiederholter Sichtung für einen Aha-Effekt sorgt, besteht bei "Angel Heart" jede Szenen fast nur aus solchen Aha-Momenten. Das ist so unglaublich brillant konzipiert, der pure Wahnsinn. Oft wird "Angel Heart" in die Genre-Kategorien "Psycho- und Mysterythriller" eingeteilt. Was man zu einem Großteil wirklich erhält, ist ein zäher und komplexer Detektiv-Krimi. Viele Figuren treten auf, werden befragt und alle verbindet irgendwie etwas miteinander. In dem Figurengeflecht verliert man schnell den Überblick, wer nun wessen Geliebte oder wessen Freund war, weswegen es sich hier um einen Film handelt, der Konzentration erfordert und es seinem Publikum nicht immer leicht macht. Vieles wird nur angedeutet oder wortwörtlich im Dunkeln gelassen. Vorgekaut wird einem hier gar nichts.
Das soll jetzt aber um Himmels Willen nicht abschrecken: Auch beim ersten Mal ist "Angel Heart" bereits sensationell. Schon beim Vorspann, in dem nur eine düstere Gasse gezeigt wird, schleicht sich diese unheilvolle Stimmung ein, dank Trevor Jones' grauenvoll-wunderschönen Score, der einen über den ganzen Film begleitet und maßgeblich zu der fesselnden Stimmung beiträgt. Was "Angel Heart" letztlich davor rettet, in Langeweile abzudriften, sind zwei Dinge. Erstens die wahnsinnig gelungene Atmosphäre. Immer wieder werden Bilder eingefangen, die zum einen hochästhetisch, zum anderen auch verdammt schaurig sind. Ob sich rückwärts drehende Ventilatoren; Blut, das von der Decke tropft; eine schwarze Gestalt, die einsam auf einer Kirchenbank sitzt. Obwohl, oder gerade wohl weil der Film nie ein hohes Tempo fährt, schnürt sich die Stimmung gnadenlos zusammen. Harry Angel bei seinen Ermittlungen in der okkulten Szene von New Orleans zuzusehen, wie er immer weiter in einen Fall hineinschlittert, der so unscheinbar beginnt, mit jedem Tag mysteriöser und bedrohlicher wird, ist Spannung auf aller höchstem Niveau. Alan Parker schafft es durch seine auf den Punkt optimale Inszenierung, dass man als Zuschauer, wie Harry Angel, immer tiefer in diesen Sumpf hineingezogen wird, bis zum Schluss nicht sicher, was einem am Ende der Reise erwarten wird. Ohne jetzt zu viel zu verraten, dafür müsste man erschossen werden, das Finale setzt allem die Krone auf.
Zu guter Letzt muss noch auf die Darsteller eingegangen werden: "Angel Heart" ist die beste Rolle, die Mickey Rourke je verkörpert hat. Was aus dem Mann hätte werden können, stellt er hier eindrucksvoll unter Beweis. Er hätte wirklich der nächste Marlon Brando sein können. Ein unglaubliches Charisma und darstellerisch hier auf Weltklasseniveau. Lisa Bonet, dem breiten Publikum sonst nur aus der "Cosby-Show" bekannt, ist die augenscheinliche Unschuld und Versuchung in Person. Diese Rolle hätte sie fast ihr Engagement in der Erfolgssitcom gekostet, die wohl um ihren sauberen Ruf gefürchtet hat. Und dann natürlich Robert De Niro, einer der größten aller Zeiten, der in seinen wenigen Szenen eine Präsenz an den Tag legt, die einen den Atem anhalten lässt. Wie faszinierend es sein kann, wenn jemand ein Ei isst - eine grandiose Szene und Paradebeispiel für die Wirkung bei mehrfacher Sichtung. "Angel Heart" ist ein absolutes Meisterwerk, das ohne jeden Zweifel rein gar nichts über die Jahre eingebüßt hat und eigentlich nur noch besser wird. Sehr empfehlenswert.
8/10
Uncut und in HD kommt der Film von NSM im auf 444 Stück limitierten Mediabook.
Cleaner - Cleaner: Sein Geschäft ist der Tod (2007)
https://www.imdb.com/title/tt0896798/
Tom Cutler (Samuel L. Jackson) war einst Polizist, ist nun aber in Pension. Deswegen hockt er aber nicht zu Hause rum. Nein, lieber arbeitet er als Cleaner. Er säubert Tatorte und wird in der Regel von der Polizei dazu beauftragt. Eines Tages verschlägt ihn sein Job in eine Luxusvilla, in der ein Mann auf einem Sofa erschossen wurde. Bald stellt sich heraus, dass der Auftrag diesmal nicht von den Behörden kam, sondern anonym erteilt wurde. Tom hat unbewusst an einem Mord partizipiert. Doch damit nicht genug: Der Putzmann gerät zudem ins Kreuzfeuer einer Intrige auf oberster Ebene des weitflächig korrupten Polizeiapparats. Mit Hilfe seines ehemaligen Partners Eddie Lorenzo (Ed Harris) versucht er herauszufinden, was genau dahintersteckt. Die hübsche High-Society-Lady Ann Norcut (Eva Mendes), die Frau des Opfers, hilft ebenfalls...
Tom Cutler (Samuel L. Jackson) war einst Polizist, ist nun aber in Pension. Deswegen hockt er aber nicht zu Hause rum. Nein, lieber arbeitet er als Cleaner. Er säubert Tatorte und wird in der Regel von der Polizei dazu beauftragt. Eines Tages verschlägt ihn sein Job in eine Luxusvilla, in der ein Mann auf einem Sofa erschossen wurde. Bald stellt sich heraus, dass der Auftrag diesmal nicht von den Behörden kam, sondern anonym erteilt wurde. Tom hat unbewusst an einem Mord partizipiert. Doch damit nicht genug: Der Putzmann gerät zudem ins Kreuzfeuer einer Intrige auf oberster Ebene des weitflächig korrupten Polizeiapparats. Mit Hilfe seines ehemaligen Partners Eddie Lorenzo (Ed Harris) versucht er herauszufinden, was genau dahintersteckt. Die hübsche High-Society-Lady Ann Norcut (Eva Mendes), die Frau des Opfers, hilft ebenfalls...
Nach
dem recht vielversprechenden Einstieg, bei dem sich "Cleaner" herrlich
schwarzhumorig präsentiert, könnte man sich wundern, warum einem dieser Streifen bisher noch nicht untergekommen ist. Die Antowrt wird einem furchtbar schnell serviert, denn leider entpuppt sich das Ganze,
bei dem Samuel L. Jackson in die titelgebende Rolle des Tatortreinigers
schlüpft, im weiteren Verlauf als stark spannungsreduzierter Thriller,
dessen namhafter Cast (u.a. noch mit von der Partie der ansonsten so
knochentrockene Ed Harris, die hübsch anzusehende Eva Mendes und Luis
Guzmán, der stets einen guten Nebendarsteller abgibt) im ersten Moment
zunächst aufhorchen lässt, wobei sich jedoch hier schauspielerisch
niemand außerordentlich hervortut. Das Script um Korruption innerhalb des Polizeiapparats ist leider
eindeutig zu einfältig und unspektakulär, um letztendlich für einen
nachhaltigen Eindruck zu sorgen, sodass sich wohl auch erklärt, weshalb "Cleaner" an den Kinokassen so gnadenlos floppte. Lediglich etwas mehr
als ein Fünftel der eigentlichen Produktionskosten konnten weltweit
wieder eingespielt werden. Trotz der guten Vorgaben kommt über die ganze Lauflänge absolut nichts
was man nicht schon woanders in mehr oder weniger gelungen gesehen hat,
ebenso wenig hat man den Eindruck dass die Akteure hier nur mitgemacht
haben um ein paar Rechnungen zu bezahlen. Insofern erwaret einen hier
echt ein simples und niemals irgendwie besonders werdenes Filmchen.
4,5/10
4,5/10
Hustlers (2019)
https://www.imdb.com/title/tt5503686/
Die Stripperinnen Destiny (Constance Wu), Ramona Vega (Jennifer Lopez), Diamond (Cardi B) und ihre Kolleginnen arbeiten jeden Abend hart, um ihre schmierige, aber durchaus wohlhabende Kundschaft bei Laune zu halten. Doch obwohl die zu großen Teilen aus reichen Wall-Street-Spekulanten besteht, nehmen die Frauen jeden Abend nur einen Hungerlohn mit nach Hause, von dem sie kaum die Miete bezahlen können. Doch damit soll nun ein für alle mal Schluss sein. Gemeinsam hecken sie einen raffinierten Plan aus, mit dem sie die Geschäftsmänner um ihre substantiellen Reichtümer erleichtern und die soziale Gerechtigkeit in einem Amerika, das durch die Spekulanten beinahe ruiniert wurde, wieder ein bisschen geraderücken können...
Jennifer Lopez rettet den Film nicht. Damit ist gleich zu Beginn das wichtigste gesagt, denn wenn man irgendwo im Netz eine Kritik liest, dann geht es immer darum, wie großartig Frau Lopez hier ihre Rolle auslegt, wie fantastisch sie an der Stange tanzt, wie knackig sie mit ihren 50 Jahren doch aussieht, Frau Lopez hier, Frau Lopez da. Nur macht Frau Lopez alleine keinen guten Film aus, wenn der Rest nicht überzeugt. Lediglich überzeugt kann man von der Aussage sein, dass man ihr die Hausnummer "50" niemals ansehen würde. "Hustlers" erzählt die wahre Geschichte um Stripperinnen, die ihre Kunden ausbeuten indem sie Ihnen K.O. Tropfen ins Getränk mischen um dann an deren Kreditkarten zu kommen und damit in Saus und Braus zu leben. Das interessante daran ist, dass es keine erfundene Story ist, sondern eben auf wahren Begebenheiten fusst. Die Geschichte basiert auf einem aufsehenerregenden Artikel von Jessica Pressler, der 2015 im "New York Magazine" erschien.
"Hustlers" in der Regie von Lorene Scafaria erzählt eine Geschichte über Frauenfreundschaft. Die Handlung setzt im Jahr 2007 ein, kurz vor der großen Finanzkrise, die auch die Frauen im Stripclub "Moves" hart treffen wird. Den Rahmen bildet ein Gespräch, das Destiny 2014 mit einer Journalistin (Julia Stiles) führt, nachdem "alles außer Kontrolle" geraten ist. Der Begriff fiel zu Beginn schon mal: Dies will auch eine Geschichte über Kontrolle sein: die der mit ihren zugerichteten Körpern arbeitenden Frauen über ihre eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse und damit über die Männer, die ihre Kunden sind. Das hätte spannend werden können, doch das Gegenteil ist der Fall. Ein Grund dafür ist die offenbar eherne Massenkompatibilität des Star-Images von Jennifer Lopez. Diesem in unzähligen People-Magazine-Stories gepflegten Image soll kein Bruch zugemutet werden; mit ihm muss auch die leicht anrüchige Rolle der Ramona versöhnt werden. Und so wirkt Ramona denn auch fast wie Jennifer Lopez selbst: eine schöne und irgendwie doch anständige Frau um die 50, die aussieht wie 30, viel Geld verdient und es vornehmlich für Luxuswaren ausgibt.
Immer wieder werden Ramona und Destiny beim Shoppen gezeigt. Immer wieder sieht man sie vor Begeisterung außer sich geraten über ein Paar High Heels von Louboutin, die Handtasche von Hérmes oder einen Chinchilla-Pelz. Doch mit der Finanzkrise verlieren die Frauen ihre Einkünfte; Versuche, sich eine andere, quasi "ehrbare" Existenz zu schaffen, scheitern an den Verhältnissen, etwa fehlender Rücksicht auf Alleinerziehende. Also werden die Frauen kreativ: Gemeinsam mit anderen bilden Ramona und Destiny eine kleine Bande, die reiche Männer mit Drogen betäubt und dann deren Kreditkartenlimit ausreizt. Dass dies für sie genauso ein Geschäft wie die Finanzgeschäfte an der Wall Street ist, wird ausgesprochen, aber nicht verbildlicht. Wiederholt inszeniert Lorene Scafaria zwar die Wärme zwischen den Frauen, mehr noch aber deren Shopping-Glück: Die Arme voller Haut-Couture-Tüten, stürmen sie euphorisiert durch die Szenerie.
Die Schlussfolgerung ist ernüchternd. Die starken Frauen, welche die Männer zu Opfern machen, sind hier als Konsumentinnen am nützlichsten. "Hustlers" stellt keine Fragen an seine Figuren; der Film reflektiert auch nicht über Körper oder Sex, sondern setzt vielmehr auf Sexyness und Glamour, wovon es reichlich gibt im Tabloid-Format. Die kriminellen Aktivitäten sind relativiert durch die eigentliche Grundanständigkeit der Protagonistinnen, die wenigstens im Fall von Destiny am Ende dann das hollywoodübliche kathartische Schuldeingeständnis zur Folge hat. "Hustlers" will indes mehr bieten als Schwesternschaftgerede und Augenfutter - nämlich Gesellschaftskritik üben. "Leute, die verletzt wurden, verletzen Leute", sagt Ramona zum Ende hin und: "Diese Stadt, das ganze Land, ist ein Stripclub. Auf der einen Seite sind die Leute, die mit dem Geld werfen, auf der anderen die Menschen, die dafür tanzen." Das klingt dann doch (zu) banal.
6/10
Die Stripperinnen Destiny (Constance Wu), Ramona Vega (Jennifer Lopez), Diamond (Cardi B) und ihre Kolleginnen arbeiten jeden Abend hart, um ihre schmierige, aber durchaus wohlhabende Kundschaft bei Laune zu halten. Doch obwohl die zu großen Teilen aus reichen Wall-Street-Spekulanten besteht, nehmen die Frauen jeden Abend nur einen Hungerlohn mit nach Hause, von dem sie kaum die Miete bezahlen können. Doch damit soll nun ein für alle mal Schluss sein. Gemeinsam hecken sie einen raffinierten Plan aus, mit dem sie die Geschäftsmänner um ihre substantiellen Reichtümer erleichtern und die soziale Gerechtigkeit in einem Amerika, das durch die Spekulanten beinahe ruiniert wurde, wieder ein bisschen geraderücken können...
Jennifer Lopez rettet den Film nicht. Damit ist gleich zu Beginn das wichtigste gesagt, denn wenn man irgendwo im Netz eine Kritik liest, dann geht es immer darum, wie großartig Frau Lopez hier ihre Rolle auslegt, wie fantastisch sie an der Stange tanzt, wie knackig sie mit ihren 50 Jahren doch aussieht, Frau Lopez hier, Frau Lopez da. Nur macht Frau Lopez alleine keinen guten Film aus, wenn der Rest nicht überzeugt. Lediglich überzeugt kann man von der Aussage sein, dass man ihr die Hausnummer "50" niemals ansehen würde. "Hustlers" erzählt die wahre Geschichte um Stripperinnen, die ihre Kunden ausbeuten indem sie Ihnen K.O. Tropfen ins Getränk mischen um dann an deren Kreditkarten zu kommen und damit in Saus und Braus zu leben. Das interessante daran ist, dass es keine erfundene Story ist, sondern eben auf wahren Begebenheiten fusst. Die Geschichte basiert auf einem aufsehenerregenden Artikel von Jessica Pressler, der 2015 im "New York Magazine" erschien.
"Hustlers" in der Regie von Lorene Scafaria erzählt eine Geschichte über Frauenfreundschaft. Die Handlung setzt im Jahr 2007 ein, kurz vor der großen Finanzkrise, die auch die Frauen im Stripclub "Moves" hart treffen wird. Den Rahmen bildet ein Gespräch, das Destiny 2014 mit einer Journalistin (Julia Stiles) führt, nachdem "alles außer Kontrolle" geraten ist. Der Begriff fiel zu Beginn schon mal: Dies will auch eine Geschichte über Kontrolle sein: die der mit ihren zugerichteten Körpern arbeitenden Frauen über ihre eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse und damit über die Männer, die ihre Kunden sind. Das hätte spannend werden können, doch das Gegenteil ist der Fall. Ein Grund dafür ist die offenbar eherne Massenkompatibilität des Star-Images von Jennifer Lopez. Diesem in unzähligen People-Magazine-Stories gepflegten Image soll kein Bruch zugemutet werden; mit ihm muss auch die leicht anrüchige Rolle der Ramona versöhnt werden. Und so wirkt Ramona denn auch fast wie Jennifer Lopez selbst: eine schöne und irgendwie doch anständige Frau um die 50, die aussieht wie 30, viel Geld verdient und es vornehmlich für Luxuswaren ausgibt.
Immer wieder werden Ramona und Destiny beim Shoppen gezeigt. Immer wieder sieht man sie vor Begeisterung außer sich geraten über ein Paar High Heels von Louboutin, die Handtasche von Hérmes oder einen Chinchilla-Pelz. Doch mit der Finanzkrise verlieren die Frauen ihre Einkünfte; Versuche, sich eine andere, quasi "ehrbare" Existenz zu schaffen, scheitern an den Verhältnissen, etwa fehlender Rücksicht auf Alleinerziehende. Also werden die Frauen kreativ: Gemeinsam mit anderen bilden Ramona und Destiny eine kleine Bande, die reiche Männer mit Drogen betäubt und dann deren Kreditkartenlimit ausreizt. Dass dies für sie genauso ein Geschäft wie die Finanzgeschäfte an der Wall Street ist, wird ausgesprochen, aber nicht verbildlicht. Wiederholt inszeniert Lorene Scafaria zwar die Wärme zwischen den Frauen, mehr noch aber deren Shopping-Glück: Die Arme voller Haut-Couture-Tüten, stürmen sie euphorisiert durch die Szenerie.
Die Schlussfolgerung ist ernüchternd. Die starken Frauen, welche die Männer zu Opfern machen, sind hier als Konsumentinnen am nützlichsten. "Hustlers" stellt keine Fragen an seine Figuren; der Film reflektiert auch nicht über Körper oder Sex, sondern setzt vielmehr auf Sexyness und Glamour, wovon es reichlich gibt im Tabloid-Format. Die kriminellen Aktivitäten sind relativiert durch die eigentliche Grundanständigkeit der Protagonistinnen, die wenigstens im Fall von Destiny am Ende dann das hollywoodübliche kathartische Schuldeingeständnis zur Folge hat. "Hustlers" will indes mehr bieten als Schwesternschaftgerede und Augenfutter - nämlich Gesellschaftskritik üben. "Leute, die verletzt wurden, verletzen Leute", sagt Ramona zum Ende hin und: "Diese Stadt, das ganze Land, ist ein Stripclub. Auf der einen Seite sind die Leute, die mit dem Geld werfen, auf der anderen die Menschen, die dafür tanzen." Das klingt dann doch (zu) banal.
6/10
Apocalypse Now (Final Cut) (1979)
https://www.imdb.com/title/tt0078788/
1969, Vietnamkrieg: Der Militärpolizist Benjamin L. Willard (Martin Sheen) wird beauftragt, den abtrünnigen US-Colonel Walter E. Kurtz (Marlon Brando) zu töten, der sich von der amerikanischen Militärführung distanziert hat und nun im Dschungel Kambodschas über sein eigenes "Reich" herrscht. Von Saigon aus macht sich Willard per Patrouillenboot zusammen mit Chief Petty Officer Philips (Albert Hall), dem nervenschwachen Saucier Jay Hicks (Frederic Forrest), dem Greenhorn und Surfer Lance B. Johnson (Sam Bottoms) und dem siebzehnjährigen Tyrone Miller (Laurence Fishburne) auf den Weg, den unkontrollierbaren Colonel Kurtz zu finden. Bei ihrer Suche reisen die Männer durch die Hölle. Denn auf der Mission begleiten sie stets Tod, Verzweiflung, Wahnsinn und die Absurdität eines sinnfreien Kriegs. Und schließlich fühlt sich Willard bald selbst von der geheimnisvollen Macht des Dschungels angezogen...
Die Geschichte von "Apocalypse Now" beginnt mit einer 289-Minütigen Workprint-Version des Films, die schon vor langer Zeit auf VHS ihr Unwesen trieb, aber nie offiziell erschienen ist und vor der Cannes-Premiere 1979 entstand. Dort zeigte Coppola eine kürzere "Work in Progress"-Version des Films, die etwa 3 Stunden ging und die Goldene Palme, die höchste Auszeichnung des Filmfestivals, gewann. Im Anschluss kürzte der Regisseur den Film um viele Szenen und so kam im Herbst 1979 die offizielle Kinofassung mit nur ca. 147 Minuten Laufzeit in die Kinos. Zum 40. Geburtstag beschert Francis Ford Coppola dem geneigten Publikum nun also eine neue Version seines legendären Antikriegsfilms. Der Film dauert nun ohne Abspann 175 Minuten und ist somit wieder 20 Minuten kürzer als die Redux Version, aber eben auch knapp 30 Minuten länger als die damalige Kinofassung. Coppola selbst bezeichnet diese Version nun als "Final Cut".
Übergreifend kann man festhalten, dass die neue Filmfassung tendenziell eher auf der Redux Version basiert, wie man schon an der näher daran liegenden Laufzeit erahnen konnte. Im Grunde ist Coppola hier einen Mittelweg gegangen. Manche gegenüber der Kinofassung dazu gekommene Szenen wurden wieder komplett gestrichen, manche nur verkürzt. Ganz geschnitten wurden das zweite Aufeinandertreffen mit den Playboy Bunnies sowie die Szene gegen Ende, bei der Willard im Container liegt und Kurtz das Time Magazine liest. Auch wenn Coppola selbst im Interview auf Vanityfair nur auf die Kontinuität in diesem Filmabschnitt eingeht, liegt die dort geäußerte Vermutung nahe, dass man die Spielereien mit den Mädels im #MeToo-Zeitalter vielleicht etwas kritisch gesehen hat. Die Szene mit der Zeitschrift lässt sich noch klarer dem geänderten Zeitgeist zuschreiben, denn heutzutage hat das Time Magazine schlicht nicht mehr den gleichen Einfluss wie noch vor einigen Jahren. Lediglich verkürzt wurde der lange Szenenblock in der französischen Plantage und die Dinner-Szene mit Verschwörungstheorien über die Plantage. Der Aufenthalt bei den französischen Besetzern ist immer eine kritisch diskutierte Erweiterung der Redux-Version gewesen. Bei der ersten Ankündigung des Final Cuts zeigten sich deshalb viele enttäuscht, dass diese Szene prinzipiell noch enthalten ist. Tatsächlich ändert sich durch die kleineren Eingriffe nun aber der Schwerpunkt: Politische Statements geraten in den Hintergrund und die kleine Romanze zwischen Willard und Roxanne ist so stärker im Fokus. Auch mit diesem Aspekt war nicht jeder Fan zufrieden, Coppola zufolge dient dies aber als Bindeglied zur einleitenden Szene. Hier zerstört Willard bekanntermaßen alleine sein Hotelzimmer in Gedanken an seine ehemalige Frau.
Durch "Der Pate" und "Der Pate II" war Francis Ford Coppola zum Star aufgestiegen - und er blieb hungrig. Mit "Apocalypse Now" ging der Regisseur eines der bis dato ambitioniertesten Projekte der Kinogeschichte an. Die Dreharbeiten waren derart schwierig und unverhofft lang, dass ihnen zu Recht ein eigener Dokumentarfilm gewidmet wurde: "Hearts of Darkness: A Filmmaker’s Apocalypse". Doch das Durchhalten allen Zweifeln zum Trotz zahlte sich aus. "Apocalypse Now" ist ein Meisterwerk. Visionär Coppola inszeniert den Vietnamkrieg passenderweise als psychedelisch angehauchten Albtraum. Egal ob in ruhigen oder lauten Momenten, die sich clever abwechseln: die genial komponierten Bilder wirken unglaublich lebendig, unglaublich echt, abgerundet von perfekt platzierten Musikstücken. Eine derartige Atmosphäre wird es im Zeitalter der Computereffekte nicht mehr geben. Martin Sheen derweil hält die surreale Handlung mit einer kernigen, intensiven Darbietung zusammen. Ein abgehalfterter Marlon Brando wird angemessen in Halbdunkelheit gehüllt und durch raffinierte Lichtspiele zum Phantom-Endboss stilisiert. - Dazwischen wimmeln zu viele prägnante Nebenrollen, um sie hier alle zu nennen.
"Apocalypse Now" hat praktisch alles: Action, Drama, eine Prise Humor und sogar eine kleine Romanze, die so reduziert bleibt, dass sie sich stimmig einfügt. Die literarische Vorlage - die Erzählung "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad, 1899 - wird kreativ auf den Vietnamkrieg übertragen, um dessen Absurdität, wie auch eine innere Reise herauszuarbeiten. Der Fluss im Film stellt die Vene dar, die ins Herz der Finsternis führt, wo die Essenz des menschlichen Grauens beziehungsweise die Entmenschlichung lauert. "Apocalypse Now" ist ein umwerfendes Mammutprojekt für die Ewigkeit, einer der besten, wenn nicht der beste (Anti-)Kriegsfilm aller Zeiten, als "Final Cut" in der besten Version.
9/10
Von ARTHOUSE/STUDIOCANAL erschien der Film in 4K Ultra-HD im limitierten Steelbook:
Quellen:
Inhaltsangabe: Studiocanal / ARTHAUS
1969, Vietnamkrieg: Der Militärpolizist Benjamin L. Willard (Martin Sheen) wird beauftragt, den abtrünnigen US-Colonel Walter E. Kurtz (Marlon Brando) zu töten, der sich von der amerikanischen Militärführung distanziert hat und nun im Dschungel Kambodschas über sein eigenes "Reich" herrscht. Von Saigon aus macht sich Willard per Patrouillenboot zusammen mit Chief Petty Officer Philips (Albert Hall), dem nervenschwachen Saucier Jay Hicks (Frederic Forrest), dem Greenhorn und Surfer Lance B. Johnson (Sam Bottoms) und dem siebzehnjährigen Tyrone Miller (Laurence Fishburne) auf den Weg, den unkontrollierbaren Colonel Kurtz zu finden. Bei ihrer Suche reisen die Männer durch die Hölle. Denn auf der Mission begleiten sie stets Tod, Verzweiflung, Wahnsinn und die Absurdität eines sinnfreien Kriegs. Und schließlich fühlt sich Willard bald selbst von der geheimnisvollen Macht des Dschungels angezogen...
Die Geschichte von "Apocalypse Now" beginnt mit einer 289-Minütigen Workprint-Version des Films, die schon vor langer Zeit auf VHS ihr Unwesen trieb, aber nie offiziell erschienen ist und vor der Cannes-Premiere 1979 entstand. Dort zeigte Coppola eine kürzere "Work in Progress"-Version des Films, die etwa 3 Stunden ging und die Goldene Palme, die höchste Auszeichnung des Filmfestivals, gewann. Im Anschluss kürzte der Regisseur den Film um viele Szenen und so kam im Herbst 1979 die offizielle Kinofassung mit nur ca. 147 Minuten Laufzeit in die Kinos. Zum 40. Geburtstag beschert Francis Ford Coppola dem geneigten Publikum nun also eine neue Version seines legendären Antikriegsfilms. Der Film dauert nun ohne Abspann 175 Minuten und ist somit wieder 20 Minuten kürzer als die Redux Version, aber eben auch knapp 30 Minuten länger als die damalige Kinofassung. Coppola selbst bezeichnet diese Version nun als "Final Cut".
Übergreifend kann man festhalten, dass die neue Filmfassung tendenziell eher auf der Redux Version basiert, wie man schon an der näher daran liegenden Laufzeit erahnen konnte. Im Grunde ist Coppola hier einen Mittelweg gegangen. Manche gegenüber der Kinofassung dazu gekommene Szenen wurden wieder komplett gestrichen, manche nur verkürzt. Ganz geschnitten wurden das zweite Aufeinandertreffen mit den Playboy Bunnies sowie die Szene gegen Ende, bei der Willard im Container liegt und Kurtz das Time Magazine liest. Auch wenn Coppola selbst im Interview auf Vanityfair nur auf die Kontinuität in diesem Filmabschnitt eingeht, liegt die dort geäußerte Vermutung nahe, dass man die Spielereien mit den Mädels im #MeToo-Zeitalter vielleicht etwas kritisch gesehen hat. Die Szene mit der Zeitschrift lässt sich noch klarer dem geänderten Zeitgeist zuschreiben, denn heutzutage hat das Time Magazine schlicht nicht mehr den gleichen Einfluss wie noch vor einigen Jahren. Lediglich verkürzt wurde der lange Szenenblock in der französischen Plantage und die Dinner-Szene mit Verschwörungstheorien über die Plantage. Der Aufenthalt bei den französischen Besetzern ist immer eine kritisch diskutierte Erweiterung der Redux-Version gewesen. Bei der ersten Ankündigung des Final Cuts zeigten sich deshalb viele enttäuscht, dass diese Szene prinzipiell noch enthalten ist. Tatsächlich ändert sich durch die kleineren Eingriffe nun aber der Schwerpunkt: Politische Statements geraten in den Hintergrund und die kleine Romanze zwischen Willard und Roxanne ist so stärker im Fokus. Auch mit diesem Aspekt war nicht jeder Fan zufrieden, Coppola zufolge dient dies aber als Bindeglied zur einleitenden Szene. Hier zerstört Willard bekanntermaßen alleine sein Hotelzimmer in Gedanken an seine ehemalige Frau.
Durch "Der Pate" und "Der Pate II" war Francis Ford Coppola zum Star aufgestiegen - und er blieb hungrig. Mit "Apocalypse Now" ging der Regisseur eines der bis dato ambitioniertesten Projekte der Kinogeschichte an. Die Dreharbeiten waren derart schwierig und unverhofft lang, dass ihnen zu Recht ein eigener Dokumentarfilm gewidmet wurde: "Hearts of Darkness: A Filmmaker’s Apocalypse". Doch das Durchhalten allen Zweifeln zum Trotz zahlte sich aus. "Apocalypse Now" ist ein Meisterwerk. Visionär Coppola inszeniert den Vietnamkrieg passenderweise als psychedelisch angehauchten Albtraum. Egal ob in ruhigen oder lauten Momenten, die sich clever abwechseln: die genial komponierten Bilder wirken unglaublich lebendig, unglaublich echt, abgerundet von perfekt platzierten Musikstücken. Eine derartige Atmosphäre wird es im Zeitalter der Computereffekte nicht mehr geben. Martin Sheen derweil hält die surreale Handlung mit einer kernigen, intensiven Darbietung zusammen. Ein abgehalfterter Marlon Brando wird angemessen in Halbdunkelheit gehüllt und durch raffinierte Lichtspiele zum Phantom-Endboss stilisiert. - Dazwischen wimmeln zu viele prägnante Nebenrollen, um sie hier alle zu nennen.
"Apocalypse Now" hat praktisch alles: Action, Drama, eine Prise Humor und sogar eine kleine Romanze, die so reduziert bleibt, dass sie sich stimmig einfügt. Die literarische Vorlage - die Erzählung "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad, 1899 - wird kreativ auf den Vietnamkrieg übertragen, um dessen Absurdität, wie auch eine innere Reise herauszuarbeiten. Der Fluss im Film stellt die Vene dar, die ins Herz der Finsternis führt, wo die Essenz des menschlichen Grauens beziehungsweise die Entmenschlichung lauert. "Apocalypse Now" ist ein umwerfendes Mammutprojekt für die Ewigkeit, einer der besten, wenn nicht der beste (Anti-)Kriegsfilm aller Zeiten, als "Final Cut" in der besten Version.
9/10
Von ARTHOUSE/STUDIOCANAL erschien der Film in 4K Ultra-HD im limitierten Steelbook:
Quellen:
Inhaltsangabe: Studiocanal / ARTHAUS
Mittwoch, 29. Juli 2020
Homeboy (1988)
https://www.imdb.com/title/tt0095316/
Johnny Walker (Mickey Rourke) ist ein Kämpfer – ein Cowboy, dessen beste Zeit als Profiboxer längst vorbei ist. Doch er hat nie aufgegeben. Der smarte Wesley (Christopher Walken), ein kaltblütiger Verbrecher, versucht Johnny für seinen großen Coup zu gewinnen, doch der hat andere Pläne: Aus Liebe zu der schönen Ruby (Debra Feuer) will er einen letzten Kampf wagen. Während Wesley seinen Überfall vorbereitet, betritt Johnny den Ring zum tödlichen Duell...
"Homeboy" ist einer der letzten Rourke-Filme aus seinen frühen Jahren, entstanden 1988, kurz vor Mickey Rourkes zwischenzeitlichem Karrierende in Hollywood und kurz bevor er es sich mit der Traumfabrik komplett verschissen hatte. Es sollte danach noch lange dauern, bis er wieder auf dem Trapez stand. "Homeboy" schwitzt und stinkt und atmet den Gestank von alkoholverrnebelten Kneipengerüchen, er kommt aus einer Zeit, in der in den Staaten noch so richtige Dirty Movies gemacht wurden. Man könnte meinen, dass "Homeboy" wie ein früher "The Wrestler" ist, als Randy The Ram noch fit (und schön) war. Aber dem ist nicht wirklich so. "Homeboy" ist anders. "Homeboy" ist viel weniger subtil, viel weniger Psychostudie, "Homeboy" ist viel mehr erdig und eben Dirty Movie aus den späten Achtziger Jahren, als noch nicht alles so sauber und geleckt war. Ein einfacher, ehrlicher, echter Film, mit einer einfachen, ehrlichen, echten Geschichte (erstmals schrieb Mickey Rourke hier das Drehbuch für einen Film), einfach und straight rübergebracht. On Point, ein Film der sich nie, zu keiner Sekunde verhebt, oder meint etwas zu sein, was er eben nicht ist. Einfach eben, im besten Sinne.
Um fair zu sein, es gibt manch es Mal schon dumme Sprüche/Dialoge und kleinere Storyhänger, selbst eine achtzigermäßige Lovestory wurde auch mit reingepackt, aber das alles ist immer noch hinnehmbar umgesetzt. Denn ganz schnell wird der Film dann auch wieder blutig und derb. Und Rourke als wütendes Boxerwrack (aus heutiger Sicht etwas unpassend mit reinrassiger 80's Musik unterlegt), schreiend und geifernd und randalierend im Regen, da blitzt dann eben doch ein wenig Randy The Ram durch.
Und es geht hier nicht um Rocky, es geht hier nicht um den American Dream, den American Way of Life, es geht hier nicht um Aufstieg, nicht darum nach oben zu kommen. Die Leute in "Homeboy" sind unten. Ganz unten. Und sie wissen wer sie sind und wo sie sind. Unten eben, da wo alles ursprünglich herkommt. Hier geht es um Lebenswege, nicht um Erfolgswege. Hier geht es um eine Chance, nicht um richtig oder falsch, hier geht es ums jetzt oder niemals. Dreck am Stecken hat hier jeder und ganz von unten wegkommen wird hier keiner. Kein großer Anspruch, roh, Alkohol, Fäuste, hart, auch oft soft, teilweise mit Schmalzmusik unterlegt, Boxerdrama, Eighties-Feeling, Kriminalität und Kämpfe, Vergnügungsparks und Blut, Schweiß und Tränen, Christopher Walken als Schmalspur-Promoter und Teilzeit-Gangster, Mickey Rourke als ebenso fertige wie gutherzige ehemalige Boxhoffnung, das alles gibt es als bunte Mischung in "Homeboy" zu sehen. "Homeboy" ist im Endeffekt sicher kein großer, wichtiger, tiefer Film, aber für sich selbst, ganz bei sich selbst, ein absolut sehenswertes, nie langweiliges, authentisches, cooles, trauriges, eben echtes Stück "Old School Rourke". Ein einfacher Film eben, den man, gerade wenn man nicht das große Meisterwerk erwartet, vorbehaltlos schauen und dann vielleicht auch ungeniert mögen kann.
6,5/10
Von OfDb Filmworks erschien der Film im Mediabook. Die Auflage ist stark limitiert.
Johnny Walker (Mickey Rourke) ist ein Kämpfer – ein Cowboy, dessen beste Zeit als Profiboxer längst vorbei ist. Doch er hat nie aufgegeben. Der smarte Wesley (Christopher Walken), ein kaltblütiger Verbrecher, versucht Johnny für seinen großen Coup zu gewinnen, doch der hat andere Pläne: Aus Liebe zu der schönen Ruby (Debra Feuer) will er einen letzten Kampf wagen. Während Wesley seinen Überfall vorbereitet, betritt Johnny den Ring zum tödlichen Duell...
"Homeboy" ist einer der letzten Rourke-Filme aus seinen frühen Jahren, entstanden 1988, kurz vor Mickey Rourkes zwischenzeitlichem Karrierende in Hollywood und kurz bevor er es sich mit der Traumfabrik komplett verschissen hatte. Es sollte danach noch lange dauern, bis er wieder auf dem Trapez stand. "Homeboy" schwitzt und stinkt und atmet den Gestank von alkoholverrnebelten Kneipengerüchen, er kommt aus einer Zeit, in der in den Staaten noch so richtige Dirty Movies gemacht wurden. Man könnte meinen, dass "Homeboy" wie ein früher "The Wrestler" ist, als Randy The Ram noch fit (und schön) war. Aber dem ist nicht wirklich so. "Homeboy" ist anders. "Homeboy" ist viel weniger subtil, viel weniger Psychostudie, "Homeboy" ist viel mehr erdig und eben Dirty Movie aus den späten Achtziger Jahren, als noch nicht alles so sauber und geleckt war. Ein einfacher, ehrlicher, echter Film, mit einer einfachen, ehrlichen, echten Geschichte (erstmals schrieb Mickey Rourke hier das Drehbuch für einen Film), einfach und straight rübergebracht. On Point, ein Film der sich nie, zu keiner Sekunde verhebt, oder meint etwas zu sein, was er eben nicht ist. Einfach eben, im besten Sinne.
Um fair zu sein, es gibt manch es Mal schon dumme Sprüche/Dialoge und kleinere Storyhänger, selbst eine achtzigermäßige Lovestory wurde auch mit reingepackt, aber das alles ist immer noch hinnehmbar umgesetzt. Denn ganz schnell wird der Film dann auch wieder blutig und derb. Und Rourke als wütendes Boxerwrack (aus heutiger Sicht etwas unpassend mit reinrassiger 80's Musik unterlegt), schreiend und geifernd und randalierend im Regen, da blitzt dann eben doch ein wenig Randy The Ram durch.
Und es geht hier nicht um Rocky, es geht hier nicht um den American Dream, den American Way of Life, es geht hier nicht um Aufstieg, nicht darum nach oben zu kommen. Die Leute in "Homeboy" sind unten. Ganz unten. Und sie wissen wer sie sind und wo sie sind. Unten eben, da wo alles ursprünglich herkommt. Hier geht es um Lebenswege, nicht um Erfolgswege. Hier geht es um eine Chance, nicht um richtig oder falsch, hier geht es ums jetzt oder niemals. Dreck am Stecken hat hier jeder und ganz von unten wegkommen wird hier keiner. Kein großer Anspruch, roh, Alkohol, Fäuste, hart, auch oft soft, teilweise mit Schmalzmusik unterlegt, Boxerdrama, Eighties-Feeling, Kriminalität und Kämpfe, Vergnügungsparks und Blut, Schweiß und Tränen, Christopher Walken als Schmalspur-Promoter und Teilzeit-Gangster, Mickey Rourke als ebenso fertige wie gutherzige ehemalige Boxhoffnung, das alles gibt es als bunte Mischung in "Homeboy" zu sehen. "Homeboy" ist im Endeffekt sicher kein großer, wichtiger, tiefer Film, aber für sich selbst, ganz bei sich selbst, ein absolut sehenswertes, nie langweiliges, authentisches, cooles, trauriges, eben echtes Stück "Old School Rourke". Ein einfacher Film eben, den man, gerade wenn man nicht das große Meisterwerk erwartet, vorbehaltlos schauen und dann vielleicht auch ungeniert mögen kann.
6,5/10
Von OfDb Filmworks erschien der Film im Mediabook. Die Auflage ist stark limitiert.
피에타 - Pieta (2012)
https://www.imdb.com/title/tt2299842/
Gang-Do (Lee Jung-Jin) ist ein skrupelloser Schuldeneintreiber und bekommt von all seinen Schuldnern das geforderte Geld wieder. Auf welche Art und Weise er es sich beschafft, spielt für ihn dabei keinerlei Rolle. Kaltherzig und gnadenlos geht er seiner Beschäftigung nach, als er eines Tages Besuch von einer mysteriösen Frau (Jo Min-Su) bekommt. Diese behauptet, dass sie seine Mutter sei. Am Anfang glaubt er ihr kein Wort, da er als Waisenkind aufgewachsen ist und somit keinerlei Erinnerungen an seine Eltern besitzt. Nach und nach weicht jedoch die Skepsis und er lässt die Frau immer mehr in sein Leben. Daraufhin kündigt er sogar seinen grausamen Job. Plötzlich wird seine Mutter gekidnappt und Gang-Do vermutet, dass es sich um einen Racheakt handelt. Systematisch spürt er alle seine früheren Opfer auf. Als er dem Täter schließlich näher kommt, stößt er auf dunkle Geheimnisse...
7,5/10
Gang-Do (Lee Jung-Jin) ist ein skrupelloser Schuldeneintreiber und bekommt von all seinen Schuldnern das geforderte Geld wieder. Auf welche Art und Weise er es sich beschafft, spielt für ihn dabei keinerlei Rolle. Kaltherzig und gnadenlos geht er seiner Beschäftigung nach, als er eines Tages Besuch von einer mysteriösen Frau (Jo Min-Su) bekommt. Diese behauptet, dass sie seine Mutter sei. Am Anfang glaubt er ihr kein Wort, da er als Waisenkind aufgewachsen ist und somit keinerlei Erinnerungen an seine Eltern besitzt. Nach und nach weicht jedoch die Skepsis und er lässt die Frau immer mehr in sein Leben. Daraufhin kündigt er sogar seinen grausamen Job. Plötzlich wird seine Mutter gekidnappt und Gang-Do vermutet, dass es sich um einen Racheakt handelt. Systematisch spürt er alle seine früheren Opfer auf. Als er dem Täter schließlich näher kommt, stößt er auf dunkle Geheimnisse...
Drei Jahre lang hat sich Kim Ki-duk vom Filmgeschäft gänzlich zurückgezogen. Er brauchte eine Pause, musste sich neu sortieren und neue Kraft tanken. 2012 meldete er sich dann mit seinem Film "Pieta" eindrucksvoll zurück, gewann sogar den Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen von Venedig und bedeutete für Kim auch eine Art Neubeginn als Regisseur, wie er selbst erklärte. Kraftvoll und intensiv inszeniert Ki-duk Kim dieses koreanische Thriller-Drama über Schuld, Vergebung und vor allem Mitleid, welches auch im Titel des Films wiederzufinden ist. Die "Pieta" ist nämlich die italienische Bezeichnung für Mitleid und gleichzeitig der Titel einer Skulptur Berninis, die Maria zeigt wie sie den Leichnam Jesu in ihrem Schoß hält. Dazu ist die Liebe ein zentrales Motiv des Films. Die Liebe von Eltern zu ihren Kindern und die Leere, die entsteht, wenn man von dieser Liebe nichts erfahren kann. Eine Liebe aber eben auch, wie sie Maria für Jesus übrige hatte.
Allerdings lässt sich Kim ein paar Mal zu oft auf die christliche Symbolik ein und auch wenn die Inspiration für diesen Film eben aus dem Vatikan kommt, so wirkt es dann doch immer wieder ein wenig zu aufdringlich. Jedoch nur in diesen Szenen, denn ansonsten wirkt der Film unglaublich subtil. Die eigentlich extrem brutale Gewalt wird angenehmerweise oft nur angedeutet und eher indirekt präsentiert. Natürlich fließt auch das Blut in rauen Mengen, aber der Akt der Gewalt wird dem Zuschauer eher durch Reaktionen, durch Blicke und Schreie näher gebracht. Das ist dann allerdings noch viel heftiger, als wenn man die Brutalität mit eigenen Augen sehen muss, und sicher nichts für zarte Gemüter. Brutal und gleichzeitig zurückgenommen und sensibel, das gibt es nicht oft und Kim baut diese Zurückgenommenheit noch weiter aus, wenn er den Score nur sehr ruhig einfließen lässt und selbst die Darsteller für koreanische Verhältnisse sehr dezent agieren, zumindest nicht so übertrieben, wie man es in anderen Filmen aus Fernost zu sehen bekommt. Die Wandlung von Lee Kang-do (Jung-jin Lee) vom eiskalten, skrupellosen Geldeintreiber hin zum liebenden Sohn wirkt dadurch enorm glaubwürdig und auch seine Filmmama Mi-Son (Cho Min-Soo) schafft es, gleichzeitig Wärme auszustrahlen und doch stets undurchsichtig zu bleiben. Sie erscheint diszipliniert und gleichzeitig so unglaublich zerbrechlich. Toll.
Besonders sehenswert ist es aber, wenn man den dritten Hauptdarsteller betrachtet, nämlich das Geld. Der schnöde Mammon ist Ursache allen Übels, Auslöser dieser Geschichte und ihrer Entwicklung. Das Gewinnstreben der unbekannten Geldverleiher bringt die Sache erst ins Rollen. Und im Grunde ist es somit der Kapitalismus, der für Gewalt, Verletzung, Leid und Tod verantwortlich ist. Dies vor allem in eine Art verspätete Coming-of-Age-Geschichte eines jungen Mannes und seiner vermeintlichen Mutter einzubauen, das ist schon aller Ehren wert und bringt dem Film auch die zusätzliche Würze, die anderen ähnlich gelagerten Filmen oft fehlt.
Allerdings lässt sich Kim ein paar Mal zu oft auf die christliche Symbolik ein und auch wenn die Inspiration für diesen Film eben aus dem Vatikan kommt, so wirkt es dann doch immer wieder ein wenig zu aufdringlich. Jedoch nur in diesen Szenen, denn ansonsten wirkt der Film unglaublich subtil. Die eigentlich extrem brutale Gewalt wird angenehmerweise oft nur angedeutet und eher indirekt präsentiert. Natürlich fließt auch das Blut in rauen Mengen, aber der Akt der Gewalt wird dem Zuschauer eher durch Reaktionen, durch Blicke und Schreie näher gebracht. Das ist dann allerdings noch viel heftiger, als wenn man die Brutalität mit eigenen Augen sehen muss, und sicher nichts für zarte Gemüter. Brutal und gleichzeitig zurückgenommen und sensibel, das gibt es nicht oft und Kim baut diese Zurückgenommenheit noch weiter aus, wenn er den Score nur sehr ruhig einfließen lässt und selbst die Darsteller für koreanische Verhältnisse sehr dezent agieren, zumindest nicht so übertrieben, wie man es in anderen Filmen aus Fernost zu sehen bekommt. Die Wandlung von Lee Kang-do (Jung-jin Lee) vom eiskalten, skrupellosen Geldeintreiber hin zum liebenden Sohn wirkt dadurch enorm glaubwürdig und auch seine Filmmama Mi-Son (Cho Min-Soo) schafft es, gleichzeitig Wärme auszustrahlen und doch stets undurchsichtig zu bleiben. Sie erscheint diszipliniert und gleichzeitig so unglaublich zerbrechlich. Toll.
Besonders sehenswert ist es aber, wenn man den dritten Hauptdarsteller betrachtet, nämlich das Geld. Der schnöde Mammon ist Ursache allen Übels, Auslöser dieser Geschichte und ihrer Entwicklung. Das Gewinnstreben der unbekannten Geldverleiher bringt die Sache erst ins Rollen. Und im Grunde ist es somit der Kapitalismus, der für Gewalt, Verletzung, Leid und Tod verantwortlich ist. Dies vor allem in eine Art verspätete Coming-of-Age-Geschichte eines jungen Mannes und seiner vermeintlichen Mutter einzubauen, das ist schon aller Ehren wert und bringt dem Film auch die zusätzliche Würze, die anderen ähnlich gelagerten Filmen oft fehlt.
7,5/10
レッドタートル ある島の物語 - Reddo Tātoru: Aru Shima no Monogatari - The Red Turtle - La Tortue Rouge - Die rote Schildkröte (2016)
https://www.imdb.com/title/tt3666024/
Nur durch ein Wunder überlebt ein Mann ein Unglück, nach dem er als Schiffbrüchiger auf einer einsamen Insel strandet. Dort gibt es zwar genug, um sein Überleben zu sichern, aber er ist auch ganz alleine dort und muss sich mit zahlreichen Gefahren herumschlagen. Dass er nicht den Rest seines Lebens dort verbringen kann, ist für ihn klar und so baut er sich ein Floß, um die Insel wieder verlassen zu können. Doch jedes Mal, wenn er aufbrechen will, kommt ihm eine rote Schildkröte in die Quere, die sein Gefährt zerstört. Als die Schildkröte eines Tages an Land gespült wird, greift der Mann sie an, damit er endlich ungehindert verschwinden kann. Doch kaum liegt das Tier tot zu seine Füßen, wird der Mann von Gewissensbissen geplagt. Da schlüpft aus dem Panzer der Schildkröte plötzlich eine Frau, mit der er schließlich eine Familie gründet und viele Jahre auf der Insel lebt...
Der existenzielle Parabel-Charakter dieser Geschichte ist so grandios unübersehbar, dass man sich schon fragt, wie der überhaupt übersehen werden kann. In "Die rote Schildkröte" ist es nicht Adam (und Eva), das ist nicht Robinson Crusoe, das ist einfach: der Mensch. Und der Mensch wird ungefragt in die Existenz geworfen. Diese ist, gerade am Anfang, gnadenlos. Ist das Überleben gesichert, folgt der Protest gegen die Widrigkeiten der Insel und des Seins. Der Mensch protestiert gegen die Ungnade, in all diese enge Widerwärtigkeit des Leben-Müssen-Sollens ohne besondere exaltierte Aussicht auf Belohnung, geworfen worden zu sein. Was tun also? Flucht. Der Mann baut sich sich ein Floß, um das verheissungsvolle Schlaraffenland hinter dem Horizont zu finden. Doch das Leben vereitelt derlei eskapistische Luftschlösser. Der Mann scheitert zwangsläufig und die Wirklichkeit stößt ihn immer wieder zurück auf sich. Wie ein eine unsichtbare Macht.
Jenseits der Insel existiert aber der "grünere Garten"; die angespülte Flasche beweist es. Und nach dem Barriere des Nicht-Vorankommens akzeptiert ist, taucht sie auf. Sie, in der Form der Schildkröte, ein Gewand, ein Versteck. Sie testet den Mann, prüft, und lässt letztlch ihre Hüllen fallen. Und dann ist es vollbracht: Mann und Frau, Adam und Eva. Das Leben, die Natur. Einklang. Und aus dieser Natur entspringt alsbald ein Kind, dass ebenso die Welt entdecken will und mit der harschen Realtiät der Insel zurecht kommen muss. Und irgendwann wird aus dem Kind ein junger Jugendlicher, später ein junger Erwachsener, während die Eltern ergrauen.
Das Kind entdeckt, gleich seinem Vater, die Sehnsucht nach der Ferne, die die Mutter nie kannte und verlässt die Insel. Es wird nie mehr zurückkehren, gleich, ob beide Eltern mit sehnsüchhtigen Blicken in die Ferne blicken, um am Horizoiont vielleicht den einen Punkt auszumachen, der die Rückkehr ihres Sohnes ankündigt. Hat er es geschafft? Lebt er noch? Lässt ihn die neue Welt nicht los? Diese Fragen beantwortet der Film nicht und lässt den Zuschauer gern im Glauben, dass alles gut geworden ist. Letztlich wacht der alte Mann in der Nacht auf, blickt noch einmal in die Ferne, den sich in den Weiten des Ozeans schimmernden Mond und die Sterne, die Unendlichkeit und... stirbt. Damit endet die Parabel und auch der Kreislauf des Lebens, die sich immer wiederholende Natur der Sache, die, obwohl in Nuancen eines Weges differenziert, doch stest dieselbe alte Geschichte ist. Man kommt nicht umhin, sich vor dem Bildschirm wieder zu finden, gebannt auf den Abspann starrend und über das Leben sinnierend.
"Die rote Schildkröte" ist eine audiovisuelle Schönheit (ko-produziert von Studio Ghibli), die komplett ohne Dialoge auskommt und zum Zeichnen der Charaktere und Erzählen der Geschichte auch gar keinen Dialog benötigt. Gleichzeitig allerdings auch ziemlich manipulativ inszeniert, der ultimative Crowd Pleaser. Die Bilder und der Soundtrack prügeln dem Zuschauer quasi schon ein, den Film schön, emotional und süß zu finden, etwas Anderes wird gar nicht erst zugelassen.
Nur durch ein Wunder überlebt ein Mann ein Unglück, nach dem er als Schiffbrüchiger auf einer einsamen Insel strandet. Dort gibt es zwar genug, um sein Überleben zu sichern, aber er ist auch ganz alleine dort und muss sich mit zahlreichen Gefahren herumschlagen. Dass er nicht den Rest seines Lebens dort verbringen kann, ist für ihn klar und so baut er sich ein Floß, um die Insel wieder verlassen zu können. Doch jedes Mal, wenn er aufbrechen will, kommt ihm eine rote Schildkröte in die Quere, die sein Gefährt zerstört. Als die Schildkröte eines Tages an Land gespült wird, greift der Mann sie an, damit er endlich ungehindert verschwinden kann. Doch kaum liegt das Tier tot zu seine Füßen, wird der Mann von Gewissensbissen geplagt. Da schlüpft aus dem Panzer der Schildkröte plötzlich eine Frau, mit der er schließlich eine Familie gründet und viele Jahre auf der Insel lebt...
Der existenzielle Parabel-Charakter dieser Geschichte ist so grandios unübersehbar, dass man sich schon fragt, wie der überhaupt übersehen werden kann. In "Die rote Schildkröte" ist es nicht Adam (und Eva), das ist nicht Robinson Crusoe, das ist einfach: der Mensch. Und der Mensch wird ungefragt in die Existenz geworfen. Diese ist, gerade am Anfang, gnadenlos. Ist das Überleben gesichert, folgt der Protest gegen die Widrigkeiten der Insel und des Seins. Der Mensch protestiert gegen die Ungnade, in all diese enge Widerwärtigkeit des Leben-Müssen-Sollens ohne besondere exaltierte Aussicht auf Belohnung, geworfen worden zu sein. Was tun also? Flucht. Der Mann baut sich sich ein Floß, um das verheissungsvolle Schlaraffenland hinter dem Horizont zu finden. Doch das Leben vereitelt derlei eskapistische Luftschlösser. Der Mann scheitert zwangsläufig und die Wirklichkeit stößt ihn immer wieder zurück auf sich. Wie ein eine unsichtbare Macht.
Jenseits der Insel existiert aber der "grünere Garten"; die angespülte Flasche beweist es. Und nach dem Barriere des Nicht-Vorankommens akzeptiert ist, taucht sie auf. Sie, in der Form der Schildkröte, ein Gewand, ein Versteck. Sie testet den Mann, prüft, und lässt letztlch ihre Hüllen fallen. Und dann ist es vollbracht: Mann und Frau, Adam und Eva. Das Leben, die Natur. Einklang. Und aus dieser Natur entspringt alsbald ein Kind, dass ebenso die Welt entdecken will und mit der harschen Realtiät der Insel zurecht kommen muss. Und irgendwann wird aus dem Kind ein junger Jugendlicher, später ein junger Erwachsener, während die Eltern ergrauen.
Das Kind entdeckt, gleich seinem Vater, die Sehnsucht nach der Ferne, die die Mutter nie kannte und verlässt die Insel. Es wird nie mehr zurückkehren, gleich, ob beide Eltern mit sehnsüchhtigen Blicken in die Ferne blicken, um am Horizoiont vielleicht den einen Punkt auszumachen, der die Rückkehr ihres Sohnes ankündigt. Hat er es geschafft? Lebt er noch? Lässt ihn die neue Welt nicht los? Diese Fragen beantwortet der Film nicht und lässt den Zuschauer gern im Glauben, dass alles gut geworden ist. Letztlich wacht der alte Mann in der Nacht auf, blickt noch einmal in die Ferne, den sich in den Weiten des Ozeans schimmernden Mond und die Sterne, die Unendlichkeit und... stirbt. Damit endet die Parabel und auch der Kreislauf des Lebens, die sich immer wiederholende Natur der Sache, die, obwohl in Nuancen eines Weges differenziert, doch stest dieselbe alte Geschichte ist. Man kommt nicht umhin, sich vor dem Bildschirm wieder zu finden, gebannt auf den Abspann starrend und über das Leben sinnierend.
"Die rote Schildkröte" ist eine audiovisuelle Schönheit (ko-produziert von Studio Ghibli), die komplett ohne Dialoge auskommt und zum Zeichnen der Charaktere und Erzählen der Geschichte auch gar keinen Dialog benötigt. Gleichzeitig allerdings auch ziemlich manipulativ inszeniert, der ultimative Crowd Pleaser. Die Bilder und der Soundtrack prügeln dem Zuschauer quasi schon ein, den Film schön, emotional und süß zu finden, etwas Anderes wird gar nicht erst zugelassen.
Nachhaltig interessant und spannend ist dagegen der Inhalt, der
hoffnungsvoll und zugleich überraschend nihilistisch ausfällt, wenn man
etwas genauer darüber nachdenkt. Oberflächlich handelt es sich dabei um
eine Liebes- und Lebensgeschichte zwei einsamer Menschen, die zueinander
finden, auf einer tieferen Ebene lässt sich "Die rote Schildkröte"
allerdings auch als Abriss der Menschheitsgeschichte auf der Erde und
die Beziehung des Menschen zur selbigen sowie zur Natur interpretieren.
8,5/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Universum Film
Dienstag, 28. Juli 2020
The Princess Bride - Die Braut des Prinzen (1987)
https://www.imdb.com/title/tt0093779/
Weil sein kleiner Enkel (Fred Savage) krank das Bett hüten muss, kommt ihn der Großvater (Peter Falk) besuchen um ihm seine Lieblingsgeschichte vorzulesen. Dabei handelt es sich um das Märchen der "Brautprinzessin" und die Liebesgeschichte zwischen dem Stalljungen Westley (Cary Elwes) und der schönen Buttercup (Robin Wright). Das glückliche Paar verlebt eine wunderbare Zeit zusammen, bis das Schiff Westleys vom furchtbaren Piraten Roberts gekapert wird. In der Annahme, Westley sei getötet worden, schwört Buttercup der Liebe ab, wird aber wider ihrem Willen zur Braut des Prinzen Humperdinck (Chris Sarandon) erwählt. Zur Eheschließung kommt es aber nicht, weil Buttercup bei einem Ausritt entführt und auf ein Schiff verschleppt wird. Mit der Absicht, die schöne Frau zu töten und somit einen Krieg zwischen den beiden benachbarten Königreichen auszulösen, stechen die Banditen in See. Doch plötzlich taucht ein mysteriöser Fremder auf, der Buttercup aus den Fängen der Gesetzlosen befreien kann. Es ist Westley, der die Kaperung seines Schiffes doch überlebt hat! Doch gerade, als alles gut zu werden scheint, geschieht das nächste Unglück...
"Was für Kinder gut ist, kann doch eigentlich für Erwachsene nicht schlecht sein" ... noch selten war ein eigentlich öder Spruch so passend wie bei diesem Film. Mustergültig inszeniert hier Rob Reiner ein Fantasy-Märchen, das nur so sprüht vor naivem aber trotzdem sinnigen Humor. Ein Klassiker des modernen Märchenfilms. Sympathisch, ironisch und, wie alle alle guten Filme, funktioniert "Die Braut des Prinzen" auf vielen verschiedenenen Ebenen und für alle Altersklassen. Peter Falk spielt den Großvater, der seinem Enkel aus einem Märchenbuch vorliest, das er selbst bereits als Kind gehört hat. Doch bereits Falks Stimme lässt den Zuschauer in ihrer Ironie erahnen, dass wir es hier mit einem Märchen jenseits der Gebrüder Grimm zu tun haben.
Die schöne Buttercup verliebt sich in ihren Stalljungen, eine wahre Liebe wie sie in hundert Jahren nur einmal geschieht! Er reist in die Ferne, um Geld zu verdienen, weil er sie sonst nicht heiraten kann und wird von einem schwarzen Piraten ermordet. Buttercup willigt in ihrer Trauer ein, den feigen Prinzen Humperdinck zu heiraten (ein wunderbar snobistischer Bösewicht, gespielt von Chris Sarandon), doch sie wird von drei Gaunern entführt. Ein genialischer Giftzwerg, der den ehrenwerten Beruf des Kriegstreibers ausübt, ein spanischer Künstler der Fecht-Kunst und ein gutartiger Riese. Doch diese Schandtat wird vereitelt durch den Verfolger mit der schwarzen Maske, scheinbar der schreckliche Pirat, in Wahrheit der Stalljunge. Das Liebespaar muss noch so einige Rückschläge wegstecken und wir erleben eine ganze Revue skurriler Charaktere. Mögen sich Kinder auch schön gruseln vor schreienden Aalen, die Buttercup fressen wollen, so werden Erwachsene ihren Spass an "The Princess Bride " haben.
Rob Reiner sucht die Pointen in seinem Fantasy Märchen. Fast ist sein Film eine Satire, doch bleibt Reiners Humor immer liebevoll seinen Figuren gegenüber. Bestimmt gibt es keinen Regisseur, der nettere Filme dreht. Wohl auch kaum einen, der romantischere Liebesfilme inszeniert, denn natürlich wird am Ende geküsst. "Die Braut des Prinzen" ist damit ein warmherziges, aufwendiges und charmantes Märchen, das völlig zeitlos daherkommt und mit seiner Fülle an Witz und Handlung überrascht. Selbst Bösewichte haben hier einen schmunzelnden Blick, Gefahren sind aufregende Herausforderungen und die Guten sind unübertoffene Helden, die man mit viel Wohlwollen und Sympathie durchs Abenteuer begleitet. Ein absolut sehenswertes Filmerlebniss für Groß und Klein.
8,5/10
Von TURBINE Medien kommt der Film im auf 1.500 Stück limitierten Mediabook auf Ultra HD Blu-ray und Blu-ray.
Weil sein kleiner Enkel (Fred Savage) krank das Bett hüten muss, kommt ihn der Großvater (Peter Falk) besuchen um ihm seine Lieblingsgeschichte vorzulesen. Dabei handelt es sich um das Märchen der "Brautprinzessin" und die Liebesgeschichte zwischen dem Stalljungen Westley (Cary Elwes) und der schönen Buttercup (Robin Wright). Das glückliche Paar verlebt eine wunderbare Zeit zusammen, bis das Schiff Westleys vom furchtbaren Piraten Roberts gekapert wird. In der Annahme, Westley sei getötet worden, schwört Buttercup der Liebe ab, wird aber wider ihrem Willen zur Braut des Prinzen Humperdinck (Chris Sarandon) erwählt. Zur Eheschließung kommt es aber nicht, weil Buttercup bei einem Ausritt entführt und auf ein Schiff verschleppt wird. Mit der Absicht, die schöne Frau zu töten und somit einen Krieg zwischen den beiden benachbarten Königreichen auszulösen, stechen die Banditen in See. Doch plötzlich taucht ein mysteriöser Fremder auf, der Buttercup aus den Fängen der Gesetzlosen befreien kann. Es ist Westley, der die Kaperung seines Schiffes doch überlebt hat! Doch gerade, als alles gut zu werden scheint, geschieht das nächste Unglück...
"Was für Kinder gut ist, kann doch eigentlich für Erwachsene nicht schlecht sein" ... noch selten war ein eigentlich öder Spruch so passend wie bei diesem Film. Mustergültig inszeniert hier Rob Reiner ein Fantasy-Märchen, das nur so sprüht vor naivem aber trotzdem sinnigen Humor. Ein Klassiker des modernen Märchenfilms. Sympathisch, ironisch und, wie alle alle guten Filme, funktioniert "Die Braut des Prinzen" auf vielen verschiedenenen Ebenen und für alle Altersklassen. Peter Falk spielt den Großvater, der seinem Enkel aus einem Märchenbuch vorliest, das er selbst bereits als Kind gehört hat. Doch bereits Falks Stimme lässt den Zuschauer in ihrer Ironie erahnen, dass wir es hier mit einem Märchen jenseits der Gebrüder Grimm zu tun haben.
Die schöne Buttercup verliebt sich in ihren Stalljungen, eine wahre Liebe wie sie in hundert Jahren nur einmal geschieht! Er reist in die Ferne, um Geld zu verdienen, weil er sie sonst nicht heiraten kann und wird von einem schwarzen Piraten ermordet. Buttercup willigt in ihrer Trauer ein, den feigen Prinzen Humperdinck zu heiraten (ein wunderbar snobistischer Bösewicht, gespielt von Chris Sarandon), doch sie wird von drei Gaunern entführt. Ein genialischer Giftzwerg, der den ehrenwerten Beruf des Kriegstreibers ausübt, ein spanischer Künstler der Fecht-Kunst und ein gutartiger Riese. Doch diese Schandtat wird vereitelt durch den Verfolger mit der schwarzen Maske, scheinbar der schreckliche Pirat, in Wahrheit der Stalljunge. Das Liebespaar muss noch so einige Rückschläge wegstecken und wir erleben eine ganze Revue skurriler Charaktere. Mögen sich Kinder auch schön gruseln vor schreienden Aalen, die Buttercup fressen wollen, so werden Erwachsene ihren Spass an "The Princess Bride " haben.
Rob Reiner sucht die Pointen in seinem Fantasy Märchen. Fast ist sein Film eine Satire, doch bleibt Reiners Humor immer liebevoll seinen Figuren gegenüber. Bestimmt gibt es keinen Regisseur, der nettere Filme dreht. Wohl auch kaum einen, der romantischere Liebesfilme inszeniert, denn natürlich wird am Ende geküsst. "Die Braut des Prinzen" ist damit ein warmherziges, aufwendiges und charmantes Märchen, das völlig zeitlos daherkommt und mit seiner Fülle an Witz und Handlung überrascht. Selbst Bösewichte haben hier einen schmunzelnden Blick, Gefahren sind aufregende Herausforderungen und die Guten sind unübertoffene Helden, die man mit viel Wohlwollen und Sympathie durchs Abenteuer begleitet. Ein absolut sehenswertes Filmerlebniss für Groß und Klein.
8,5/10
Von TURBINE Medien kommt der Film im auf 1.500 Stück limitierten Mediabook auf Ultra HD Blu-ray und Blu-ray.
5150 rue des Ormes - 5150 Elm’s Way: Spiel um dein Leben (2009)
https://www.imdb.com/title/tt1331291/
Ein Fahrradunfall mit Folgen. Als der Teenager Yannick Bérubé (Marc-André Grondin) mit seinem Gefährt hinfällt ahnt er noch nicht, dass dies der Beginn seines größten Alptraums sein wird. Vom sadistischen Nachbarn Jacques Beaulieu (Normand D'Amour) eingesperrt und misshandelt, entwickelt sich ein grausames Spiel um Yannicks Zukunft. Dabei ist nicht nur Jacques mit seinem Glauben, das Böse zu bekämpfen, ein grenzwertiger Charakter, die ganze Beaulieu-Familie leidet unter psychischen Störungen. Das führt zu gewalttätigen Auswüchsen, mit denen sich die Persönlichkeiten um Vater Jacques und seine Tochter Michelle (Mylène St-Sauveur) immer wieder entladen. Aber Yannick wird eine Möglichkeit offeriert, seinem Leiden ein Ende zu machen. Er muss sich mit seinem Peiniger in einer Partie Schach messen. Der Einsatz: Yannicks Leben...
Obwohl er als harter Folterfilm verkauft wird, setzt "5150 Elm's Way" nicht so sehr auf Splatter und Gore-Effekte, sondern konzentriert sich vor allem auf den psychischen Terror und die mentalen Auswirkungen von Yannicks Gefangenschaft. Das ist definitiv die richtige Entscheidung, denn die Inszenierung von Yannicks zunehmender Wahnsinnigkeit gehört zu den großen Stärken des Films. Sein Geisteszustand spiegelt sich in unterschiedlichen visuellen Darstellungsformen. Während er zunächst verängstigt, aber bei klarem Verstand ist, beginnt er zunehmend zu halluzinieren und den Sinn für die Realität zu verlieren. Dies kulminiert in den Schachpartien mit Jaques, die sich in einer Phantasiewelt aus Yannicks Psyche abspielen.
Lobenswert ist außerdem die schauspielerische Leistung und differenzierte Darstellung von Jaques Familie. Maude, Jacques Frau, ist von diesem eingeschüchtert und flüchtet sich in die Religiösität. Die ältere Tochter Michelle soll Jaques Nachfolgerin werden, handelt jedoch nicht nach seinem Kodex, sondern aus sadistischen Trieben heraus. Dazu kommt noch die stumme Tochter Anne, die in ein Heim abgeschoben werden soll. Die Spannungen und Meinungsverscheidenheiten zwischen den Familienmitgliedern nehmen beständig zu und auch innerhalb der Familie läßt sich die Vorspiegelung einer heilen Welt nicht lange aufrechterhalten.
Getragen wird der Film von den Charakteren, visuellen Einfällen und der Spannung des Handlungsverlaufs. Unbefriedigend bleiben dabei einige inhaltliche Aspekte der Geschichte. Vor allem die Erklärungen für Jacques Motivation, zum Serienmörder zu werden, und wie er dies vom Schachspiel ableitet, bleiben reichlich diffus. Das macht "5150 Elm's Way" zu einem handwerklich soliden Psycho-Horror mit einigen reizvollen kinematographischen Einfällen, dem es im Plot leider an Substanz mangelt. Im Vergleich zu seinen zeitgenössischen französischen Verwandten konzentriert er sich angenehmerweise weniger auf reine physische Folter, sondern setzt sich vor allem mit der Psyche seiner Protagonisten auseinander. Unterm Strich also kein schlechter Film. Die Vertriebsfirma macht aber den Fehler "5150 Elm's Way: Spiel um dein Leben" mit den Filmen der französischen Horrorwelle, wie "High Tension" zu vergleichen, was zwangsläufig zu einer Enttäuschung führt. Und er ist viel zu lang.
6,5/10
Ein Fahrradunfall mit Folgen. Als der Teenager Yannick Bérubé (Marc-André Grondin) mit seinem Gefährt hinfällt ahnt er noch nicht, dass dies der Beginn seines größten Alptraums sein wird. Vom sadistischen Nachbarn Jacques Beaulieu (Normand D'Amour) eingesperrt und misshandelt, entwickelt sich ein grausames Spiel um Yannicks Zukunft. Dabei ist nicht nur Jacques mit seinem Glauben, das Böse zu bekämpfen, ein grenzwertiger Charakter, die ganze Beaulieu-Familie leidet unter psychischen Störungen. Das führt zu gewalttätigen Auswüchsen, mit denen sich die Persönlichkeiten um Vater Jacques und seine Tochter Michelle (Mylène St-Sauveur) immer wieder entladen. Aber Yannick wird eine Möglichkeit offeriert, seinem Leiden ein Ende zu machen. Er muss sich mit seinem Peiniger in einer Partie Schach messen. Der Einsatz: Yannicks Leben...
Obwohl er als harter Folterfilm verkauft wird, setzt "5150 Elm's Way" nicht so sehr auf Splatter und Gore-Effekte, sondern konzentriert sich vor allem auf den psychischen Terror und die mentalen Auswirkungen von Yannicks Gefangenschaft. Das ist definitiv die richtige Entscheidung, denn die Inszenierung von Yannicks zunehmender Wahnsinnigkeit gehört zu den großen Stärken des Films. Sein Geisteszustand spiegelt sich in unterschiedlichen visuellen Darstellungsformen. Während er zunächst verängstigt, aber bei klarem Verstand ist, beginnt er zunehmend zu halluzinieren und den Sinn für die Realität zu verlieren. Dies kulminiert in den Schachpartien mit Jaques, die sich in einer Phantasiewelt aus Yannicks Psyche abspielen.
Lobenswert ist außerdem die schauspielerische Leistung und differenzierte Darstellung von Jaques Familie. Maude, Jacques Frau, ist von diesem eingeschüchtert und flüchtet sich in die Religiösität. Die ältere Tochter Michelle soll Jaques Nachfolgerin werden, handelt jedoch nicht nach seinem Kodex, sondern aus sadistischen Trieben heraus. Dazu kommt noch die stumme Tochter Anne, die in ein Heim abgeschoben werden soll. Die Spannungen und Meinungsverscheidenheiten zwischen den Familienmitgliedern nehmen beständig zu und auch innerhalb der Familie läßt sich die Vorspiegelung einer heilen Welt nicht lange aufrechterhalten.
Getragen wird der Film von den Charakteren, visuellen Einfällen und der Spannung des Handlungsverlaufs. Unbefriedigend bleiben dabei einige inhaltliche Aspekte der Geschichte. Vor allem die Erklärungen für Jacques Motivation, zum Serienmörder zu werden, und wie er dies vom Schachspiel ableitet, bleiben reichlich diffus. Das macht "5150 Elm's Way" zu einem handwerklich soliden Psycho-Horror mit einigen reizvollen kinematographischen Einfällen, dem es im Plot leider an Substanz mangelt. Im Vergleich zu seinen zeitgenössischen französischen Verwandten konzentriert er sich angenehmerweise weniger auf reine physische Folter, sondern setzt sich vor allem mit der Psyche seiner Protagonisten auseinander. Unterm Strich also kein schlechter Film. Die Vertriebsfirma macht aber den Fehler "5150 Elm's Way: Spiel um dein Leben" mit den Filmen der französischen Horrorwelle, wie "High Tension" zu vergleichen, was zwangsläufig zu einer Enttäuschung führt. Und er ist viel zu lang.
6,5/10
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