Donnerstag, 30. Juli 2020

Apocalypse Now (Final Cut) (1979)

https://www.imdb.com/title/tt0078788/

1969, Vietnamkrieg: Der Militärpolizist Benjamin L. Willard (Martin Sheen) wird beauftragt, den abtrünnigen US-Colonel Walter E. Kurtz (Marlon Brando) zu töten, der sich von der amerikanischen Militärführung distanziert hat und nun im Dschungel Kambodschas über sein eigenes "Reich" herrscht. Von Saigon aus macht sich Willard per Patrouillenboot zusammen mit Chief Petty Officer Philips (Albert Hall), dem nervenschwachen Saucier Jay Hicks (Frederic Forrest), dem Greenhorn und Surfer Lance B. Johnson (Sam Bottoms) und dem siebzehnjährigen Tyrone Miller (Laurence Fishburne) auf den Weg, den unkontrollierbaren Colonel Kurtz zu finden. Bei ihrer Suche reisen die Männer durch die Hölle. Denn auf der Mission begleiten sie stets Tod, Verzweiflung, Wahnsinn und die Absurdität eines sinnfreien Kriegs. Und schließlich fühlt sich Willard bald selbst von der geheimnisvollen Macht des Dschungels angezogen...

Die Geschichte von "Apocalypse Now" beginnt mit einer 289-Minütigen Workprint-Version des Films, die schon vor langer Zeit auf VHS ihr Unwesen trieb, aber nie offiziell erschienen ist und vor der Cannes-Premiere 1979 entstand. Dort zeigte Coppola eine kürzere "Work in Progress"-Version des Films, die etwa 3 Stunden ging und die Goldene Palme, die höchste Auszeichnung des Filmfestivals, gewann. Im Anschluss kürzte der Regisseur den Film um viele Szenen und so kam im Herbst 1979 die offizielle Kinofassung mit nur ca. 147 Minuten Laufzeit in die Kinos. Zum 40. Geburtstag beschert Francis Ford Coppola dem geneigten Publikum nun also eine neue Version seines legendären Antikriegsfilms. Der Film dauert nun ohne Abspann 175 Minuten und ist somit wieder 20 Minuten kürzer als die Redux Version, aber eben auch knapp 30 Minuten länger als die damalige Kinofassung. Coppola selbst bezeichnet diese Version nun als "Final Cut".

Übergreifend kann man festhalten, dass die neue Filmfassung tendenziell eher auf der Redux Version basiert, wie man schon an der näher daran liegenden Laufzeit erahnen konnte. Im Grunde ist Coppola hier einen Mittelweg gegangen. Manche gegenüber der Kinofassung dazu gekommene Szenen wurden wieder komplett gestrichen, manche nur verkürzt. Ganz geschnitten wurden das zweite Aufeinandertreffen mit den Playboy Bunnies sowie die Szene gegen Ende, bei der Willard im Container liegt und Kurtz das Time Magazine liest. Auch wenn Coppola selbst im Interview auf Vanityfair nur auf die Kontinuität in diesem Filmabschnitt eingeht, liegt die dort geäußerte Vermutung nahe, dass man die Spielereien mit den Mädels im #MeToo-Zeitalter vielleicht etwas kritisch gesehen hat. Die Szene mit der Zeitschrift lässt sich noch klarer dem geänderten Zeitgeist zuschreiben, denn heutzutage hat das Time Magazine schlicht nicht mehr den gleichen Einfluss wie noch vor einigen Jahren. Lediglich verkürzt wurde der lange Szenenblock in der französischen Plantage und die Dinner-Szene mit Verschwörungstheorien über die Plantage. Der Aufenthalt bei den französischen Besetzern ist immer eine kritisch diskutierte Erweiterung der Redux-Version gewesen. Bei der ersten Ankündigung des Final Cuts zeigten sich deshalb viele enttäuscht, dass diese Szene prinzipiell noch enthalten ist. Tatsächlich ändert sich durch die kleineren Eingriffe nun aber der Schwerpunkt: Politische Statements geraten in den Hintergrund und die kleine Romanze zwischen Willard und Roxanne ist so stärker im Fokus. Auch mit diesem Aspekt war nicht jeder Fan zufrieden, Coppola zufolge dient dies aber als Bindeglied zur einleitenden Szene. Hier zerstört Willard bekanntermaßen alleine sein Hotelzimmer in Gedanken an seine ehemalige Frau.

Durch "Der Pate" und "Der Pate II" war Francis Ford Coppola zum Star aufgestiegen - und er blieb hungrig. Mit "Apocalypse Now" ging der Regisseur eines der bis dato ambitioniertesten Projekte der Kinogeschichte an. Die Dreharbeiten waren derart schwierig und unverhofft lang, dass ihnen zu Recht ein eigener Dokumentarfilm gewidmet wurde: "Hearts of Darkness: A Filmmaker’s Apocalypse". Doch das Durchhalten allen Zweifeln zum Trotz zahlte sich aus. "Apocalypse Now" ist ein Meisterwerk. Visionär Coppola inszeniert den Vietnamkrieg passenderweise als psychedelisch angehauchten Albtraum. Egal ob in ruhigen oder lauten Momenten, die sich clever abwechseln: die genial komponierten Bilder wirken unglaublich lebendig, unglaublich echt, abgerundet von perfekt platzierten Musikstücken. Eine derartige Atmosphäre wird es im Zeitalter der Computereffekte nicht mehr geben. Martin Sheen derweil hält die surreale Handlung mit einer kernigen, intensiven Darbietung zusammen. Ein abgehalfterter Marlon Brando wird angemessen in Halbdunkelheit gehüllt und durch raffinierte Lichtspiele zum Phantom-Endboss stilisiert. - Dazwischen wimmeln zu viele prägnante Nebenrollen, um sie hier alle zu nennen.

"Apocalypse Now" hat praktisch alles: Action, Drama, eine Prise Humor und sogar eine kleine Romanze, die so reduziert bleibt, dass sie sich stimmig einfügt. Die literarische Vorlage - die Erzählung "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad, 1899 - wird kreativ auf den Vietnamkrieg übertragen, um dessen Absurdität, wie auch eine innere Reise herauszuarbeiten. Der Fluss im Film stellt die Vene dar, die ins Herz der Finsternis führt, wo die Essenz des menschlichen Grauens beziehungsweise die Entmenschlichung lauert. "Apocalypse Now" ist ein umwerfendes Mammutprojekt für die Ewigkeit, einer der besten, wenn nicht der beste (Anti-)Kriegsfilm aller Zeiten, als "Final Cut" in der besten Version.

9/10

Von ARTHOUSE/STUDIOCANAL erschien der Film in 4K Ultra-HD im limitierten Steelbook:


Quellen
:

Inhaltsangabe
: Studiocanal / ARTHAUS

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