
Auf einer abgelegenen Insel in der Bretagne wird Ende des 18. Jahrhunderts die Pariser Malerin Marianne (Noémie Marchant) von einer verwitweten Gräfin (Valeria Golino) beauftragt, das Hochzeitsporträt ihrer Tochter zu zeichnen. Das klingt einfacher, als es ist, denn die künftige Braut und ehemalige Klosterschülerin Héloïse (Adèle Haenel) rebelliert gegen ihre Mutter und will aus Protest gegen die arrangierte Ehe nicht Modell stehen. Doch das Porträt ist für die Familie sehr wichtig, denn nur so kann die Eheschließung mit einem ihr unbekannten Mann aus Mailand offiziell bekannt gemacht werden. So bleibt Marianne nichts anderes übrig, als Héloïse während ihrer Spaziergänge an der Meeresküste genau zu beobachten und sie später aus dem Gedächtnis heraus zu zeichnen. Je länger die beiden Frauen Zeit miteinander verbringen, je tiefer die beiden sich dabei in die Augen sehen, desto näher kommen sie sich...
Bereits nach den ersten Minuten kann man sagen, dass das Werk von Céline Sciamma "Porträt einer jungen Frau in Flammen" selbst wie ein wundervolles Porträt daherkommt. Jede einzelne Einstellung wirkt wie eine perfekt ausbalancierte Komposition. Vor einer malerischen Kulisse lässt Sciamma ihre beiden Hauptdarstellerinnen Noémie Merlant und Adèle Haenel vornehmlich über Blicke kommunizieren, wodurch eine ungemeine Intensität entsteht, bei der man stets genau hinschauen möchte, damit man bloß keine Nuance verpasst. Vor allem Haenel macht als Adelige, die sich nur schwer mit ihrem bevorstehenden Schicksal einer arrangierten Hochzeit abfindet, eine wundervolle Figur - stets geheimnisvoll, tief traurig aber gleichzeitig häufig von einer naiven Fröhligkeit beseelt. In ihren besten Momenten erinnert sie so unweigerlich an Kim Min-hees überwältigende Darbietung in Park Chan-wooks Meisterwerk "Die Taschendiebin". Aber auch in den zwischenmenschlichen Interaktionen erinnert "Porträt einer jungen Frau in Flammen" immer wieder an die knisternde Stimmung in Parks emotionalen Thriller. Doch wo der Südkoreaner seiner Geschichte noch eine abgründige und raffinierte Thriller-Handlung hinzufügt, konzentriert sich Sciamma ganz auf die emotionalen Facetten ihrer Protagonistinnen. Und das handhabt sie mit solch einer Feinfühligkeit, wie man sie nur ganz selten erlebt. Ihr Blick auf ihre weiblichen Figuren ist von einer solch selbstverständlichen Sensibilität geprägt, sodass eine ganz andere Form von emotionaler wie erotischer Spannung entsteht. Trotz der teils freizügigen Augenblicke, sind es nicht diese Szenen, in denen das Knistern zu einem wahren Feuer heranwächst. Es sind die vielsagenden Blicke, die feinen Berührungen und die aus Angst festgehaltenen Gesten, die den Zuschauer die Luft anhalten lassen. Sciamma stellt so ihre Hauptdarstellerinnen niemals oberflächlich zur Schau, sondern zieht stets das emotionale Dilemma in den Fokus, die von Kamerafrau Claire Mathon in präzisen Bildern eingefangen werden.


Man muss allerdings dennoch zugestehen, dass "Porträt einer jungen Frau in Flammen" etwas Zeit braucht. Wirklich in Fahrt kommt hier nichts. Es ist ein durchgehend ruhiges Werk. Aber hat der Film einen erstmal in seinen Bann gezogen, lässt er einen auch bis zur subtilen aber dennoch hochemotionalen Schlussszene nicht mehr los. Céline Sciamma erschafft mit "Porträt einer jungen Frau in Flammen" ein ebenso dramaturgisch wie emotional vielschichtiges Werk, wie man es nur selten erlebt, eine authentische, sinnliche und sympathisch subtile Beziehungsgeschichte von Künstlerin und Muse, von leisen Kämpferinnen. Dabei kreiert sie eine unglaubliche Bildgewalt, sodass jede einzelne Einstellung selbst zu einem Porträt heranwächst. Die Dialoge sind gelungen, doch bewegend wird der Film erst durch Blicke und Anspielungen, die mehr als Worte sagen. Das französische Werk gehört fraglos zu den stärksten Dramen der letzten Jahre.
8,5/10
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