Sonntag, 12. Juli 2020

[KINO FFFnights] ハロー・ワールド - Harō Wārudo - Hello World (2019)

https://www.imdb.com/title/tt9418812/

Was für ein verrückter Tag das doch ist. Erst wird dem zurückhaltenden Bücherwurm Naomi Katagaki von einer aufdringlichen Krähe sein Buch stibitzt. Und dann begegnet er bei dem Versuch es zurückzubekommen einem mysteriösen Mann, der doch glatt von sich behauptet, sein älteres Ich zu sein. Mehr noch, der Fremde bittet ihn, Naomis Mitschülerin Ruri vor einem Unfall zu retten, der sich erst in drei Monaten zutragen wird, zu einem Zeitpunkt, als die beiden ein Paar geworden sind. Doch um das durchziehen zu können, muss Naomi das Herz der eher mürrischen Jugendlichen für sich gewinnen - was nur mit Hilfe seines zukünftigen Ichs geht... (Quelle: https://www.film-rezensionen.de/)

Wenn es darum geht, sein Leben Revue passieren zu lassen und als älterer, gereifter Mensch auf sein Leben zurück zu blicken, gibt es Entscheidungen, die man ungeschehen machen wollen würde, etwas ändern, sich anders zu entscheiden, einen anderen Weg zu gehen. "Hello World" aus der japanischen Anime-Schmiede Graphicina nimmt sich dieses Themas an und beschreibt eben jene Thematik mit einem modernen, beinahe schon futuristischen Setting. Nun kann man Anime-Fan sein oder nicht, dem Stil der japanischen Comics zugetan sein oder diesen als zu kindisch verurteilen, aber "Hello World" bietet eine Story, die genau diese Zeitreisethematik als Grundinhalt nimmt und diese in einer fantastischen und gleichwohl interessanten Story auf die Leinwand bannt. Dabei geht der Film grundsätzlich keinen gänzlich neuen Weg, sondern wandelt altbekannte Motive ab, transportiert sie in die Neuzeit und schafft so ein Erlebnis, dass sich frisch und fast sogar neu anfühlt. Der Protagonist Naomi Katagaki wird eines Tages von einem unbekannten Mann überrascht, der vor ihm aus dem Nichts auftaucht und ihm seitdem nicht mehr von der Seite weicht. Es kristallisiert sich heraus, dass die Welt, die der Junge erlebt, nur digital zu sein scheint und das eben hier, in dem, was sich doch so realistisch anfühlt, gar nichts so ist wie es zu sein scheint. Die Welt, in der Noami lebt, ist ein Archiv der Zukunft, die die Ereignisse aller abbildet, um diese für die Nachwelt zu erhalten. Dem Besucher stellt sich die Frage, ob das, was er in diesem Archiv zu ändern in der Lage ist, auch Auswirkungen auf das zukünftige Sein hat. Ein interessanter Aspekt. Ändert man seine archivierte Vergangenheit, ändert dies das zukünftige Jetzt? Dass das Japan der Zukunft als totalitärer Staat aufgebaut ist, indem Kameras alles beobachten, Dronen alles verfolgen und zu überwachen scheinen ist Normalität. Dieser Aspekt wird nicht hinterfragt, sondern als gegegen hingenommen.

Doch "Hello World" ist mehr als das. Er ist auch eine Romanze, in der es darum geht, den ersten Schritt zu wagen und die erste Freundin zu finden. Diese heißt Ruri und ist die Unnahbare, die einerseits keinen an sich heran lässt und andererseits so unglaublich interessant für Naomi wirkt, weil beiden offenkundig dieselben Interessen teilen. Doch von selbst den Schritt wagen? Da steht Naomi sein eigenes Ich im Weg, denn dieser schüchteren, in Büchern vergrabene junge Mann, weiß keine Lösung, und hat schon gar keinen Plan, wie man ein Mädchen kennen lernt. Dieser Part macht dann auch den größten Teil der Geschichte in "Hello World" aus, wirkt aber eher althergebracht und eben wie die übliche Geschichte vom "Junge lernt Mädchen kennen".


Wenn Naomi und Ruri sich dann aber gefunden haben, und dies ist kein Geheimnis, stellt sich beiden die Zukunft in den Weg. Denn das Archiv der Zukunft versucht verzweifelt, die "reale" Geschichte zu bewahren. Die angestrebten Änderungen, die Naomis älteres Ich durchzusetzen versucht, werden von Wächtern des Archivs, die die Intigrität der Daten erhalten wollen, mehr und mehr torpediert. Änderungen werden versucht zu korrigieren und dies ist auch der Moment, in dem die Romanze dem Action-Thriller weicht. Plötzlich laufen Naomi und Ruri um ihr Leben, wenn sie vor den undefinierten als mystische Wesen manifestierten Wächtern fliehen, immer in der Gefahr, dass sie durch ihre Dateninkonsistente Annäherung ausgelöscht werden. In diesem Moment wird "Hello World" stark surreal. Zukunft kollidiert mit Gegenwart und bietet einen äusserst reizvollen Mix aus gezeichneten Elementen (vor allem die Details der Hintergründe und Umgebung ist ein ums andere Mal beeindruckend) und 3D-Computergrafik.

Auch wenn das Vor-Finale dann etwas überbordernd wirken sollte, dass muss man diesem Anime zugestehen, so macht doch erst das Finale den Film richtig rund. Leider leidet unter diesem erhöhten Thriller-Anteil der Tiefgang der Geschichte. Denkt man. Denn was dann, wenn man sich in Sicherheit wiegt und den Film als "nett" abtun möchte, noch zu sehen ist, wirkt beinahe schon nach Anleihen aus Filmen wie "Inception" oder "Shutter Island". Nein, in "Hello World" ist bis zum Ende hin wirklich nichts wie es scheint. Das hebt diesen Film noch einmal ein ganzes Stück nach oben und auch wenn das gegen Ende recht hohe Tempo der gesamten Entwicklung schaden mag, bekommt der interessierte Zuschauer kaum Längen serviert, sondern eine stringente Story, die einem letztlich noch die Kinnlade nach unten fallen lässt. Manch einer mag sich schon während des Films gedacht haben, auf was das hier alles hinauslaufen soll, doch einerseits ist es schön zu sehen, wenn man Recht behält, andererseits werden die, die den Twist noch nicht haben kommen sehen, mehr als positiv überrascht.

7/10

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