Freitag, 24. Juli 2020

Flesh+Blood - Fleisch & Blut (1985)

https://www.imdb.com/title/tt0089153/

Im Jahr 1501, dem ausgehenden Mittelalter, herrschen in Europa Barbarei und wüste Gewalt vor. Lord Arnolfini (Fernando Hilbeck) will sich die Skupellosigkeit einer kampferprobten Söldnertruppe um ihren Anführer Martin (Rutger Hauer) zunutze machen, um seine Feinde zu besiegen. Als er den Söldnern jedoch den Lohn für ihr ruppiges Engagement verweigert, zieht er sich deren grimmigen Zorn auf sich. Martin und seine Leute wollen sich den Betrug Arnolfinis nicht gefallen lassen und planen, Rache zu üben. Zunächst entführen sie Prinzessin Agnes (Jennifer Jason Leigh), die zukünftige Braut von Arnolfinis Sohn, und missbrauchen sie. Trotz der erfahrenen Gewalt will Agnes bei Martin bleiben, der das Land mit seinen Leuten mordend und brandschatzend in Angst und Schrecken versetzt. Arnolfini versucht, dem wieder Einhalt zu gebieten, und rüstet sich für den Kampf mit den Söldnern...

Zwei Jahre vor seinem großen Hollywood-Durchbruch drehte Paul Verhoeven bereits seinen ersten (co-produzierten) US-Kinofilm, das wenig zimperliche Mittelalterspektakel "Flesh+Blood". Der Name ist hier Programm, könnte noch durch "Dreck + Gestank" ergänzt werden. Verhoevens Darstellung des blutjungen, sechzehnten Jahrhundert bietet davon reichlich, keine edelen Ritter mit schimmernder Rüstung oder verträumte Robin-Hood-Romantik. Nun darf lediglich darüber spekuliert werden, inwieweit Paul Verhoevens Film der vielerorts beschworenen historischen Authentizität wirklich auch gerecht wird, doch verzichtet "Flesh+Blood" auf die romantisierende Darstellung des Spätmittelalters früherer Ritter- und Abenteuerfilme und zeigt stattdessen eine düstere, dreckige und vom nackten Kampf ums Überleben geprägte Welt. Identifikationspotential sucht man hier vergeblich, denn man bekommt ausnahmslos hochgradig ambivalente Figuren, die sich ihr Überleben in einer rauen und harten Welt sichern müssen. In der Gruppe ist man zwar stärker, doch letzten Endes ist sich jeder immer noch selbst der Nächste. Schlamm, Wolkenbrüche, der Geruch von Tod und Pest in der Luft, Plünderung, Mord und Vergewaltigung, Verhoeven präsentiert eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte als einen dreckigen Moloch mit starken Kerlen und Frauen, die entweder ihre Weiblichkeit ablegen oder stehts zu Diensten sein müssen.

Die Inszenierung des Niederländers ist druckvoll und gemessen an den Mitteln (letztendlich ist das ein B-Movie der 80er Jahre) optisch und atmosphärisch erstaunlich gelungen. Die Sets und die Ausstattung wirken authentisch, wobei dazu zu sagen ist, dass es in "Flesh+Blood" so gut wie keine aufwendigen Massenszenen oder epische Schlachten gibt, wie sie aus einigen anderen Historienfilmen bekannt sind. Es ist schon zu bemerken, dass sich nicht so viele Darsteller und Statisten am Set befunden haben können, das ist aber so gekonnt in Szene gesetzt, dass es an Dynamik und Action nicht mangelt. Die Darsteller, die dort waren, können zudem voll überzeugen. Ganz vorne, natürlich, Verhoevens Landsmann Rutger Hauer, wie immer mit enormer Präsenz und Ausstrahlung, aber gleich dahinter die zuckersüsse Jennifer Jason Leigh, die sich hier erstaunlich oft sehr freizügig zeigt.

Etwas zwiespältig und sicher reichlich Diskussionsstoff bietet die Darstellung von Leighs Figur Agnes. Ähnliche Vorwürfe wurden ja auch Sam Peckinpah immer wieder gemacht, und zuerst hinterlässt "Flesh+Blood" einen vergleichbaren Eindruck. Allerdings mildern die weiteren Entwicklungen das Ganze etwas ab, dennoch vielleicht etwas gewagt. Grundsätzlich sollte aber jedem klar sein, "Flesh+Blood" ist eher ein Action- und Abenteuerfilm, als ein historisch korrekter Streifen. Das hat schon B-Movie-Flair und dient rein der Unterhaltung. Vollkommen in Ordnung, wenn es denn funktioniert. Etwas kürzer hätte es vielleicht sein können, zwei Stunden ist für den Stoff leicht zuviel. "Flesh+Blood" versteht sich mehr als Zeitbild und weniger als handlungsorientierter Film, doch trotz der episodenhaften Erzählstruktur, die nur von einem eher losen roten Faden zusammengehalten wird, vermag das alles zu fesseln. Obwohl Verhoevens Stil hier noch nicht ganz so stark ausgeprägt ist wie in seinen späteren Filmen, so schimmern das Genie und die inszenatorische Finesse des meisterhaften Provokateurs dennoch immer mal wieder durch, wenn sich nicht selten das Verstörende mit dem Erhabenen kreuzt. "Flesh+Blood" mag sich vielleicht nicht neben Großtaten wie "Robocop" oder "Starship Troopers" einreihen, doch Verhoeven lässt nun erstmals auch außerhalb von Europa aufhorchen und kann sein Talent unter Beweis stellen und das trotz des verheerenden Einspielergebnisses an den Kinokassen 1985. Am Ende steht gute, recht deftige Unterhaltung, die einfach klasse umgesetzt ist.

8/10

Von KOCH Films erschien der Film im limitierten Mediabook. Dieses beinhaltet den ungeschnittenen Film auf Blu-ray und DVD, sowie jede Menge Bonusmaterial.

Quellen
Inhaltsangabe: Koch Films

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