Nur durch ein Wunder überlebt ein Mann ein Unglück, nach dem er als Schiffbrüchiger auf einer einsamen Insel strandet. Dort gibt es zwar genug, um sein Überleben zu sichern, aber er ist auch ganz alleine dort und muss sich mit zahlreichen Gefahren herumschlagen. Dass er nicht den Rest seines Lebens dort verbringen kann, ist für ihn klar und so baut er sich ein Floß, um die Insel wieder verlassen zu können. Doch jedes Mal, wenn er aufbrechen will, kommt ihm eine rote Schildkröte in die Quere, die sein Gefährt zerstört. Als die Schildkröte eines Tages an Land gespült wird, greift der Mann sie an, damit er endlich ungehindert verschwinden kann. Doch kaum liegt das Tier tot zu seine Füßen, wird der Mann von Gewissensbissen geplagt. Da schlüpft aus dem Panzer der Schildkröte plötzlich eine Frau, mit der er schließlich eine Familie gründet und viele Jahre auf der Insel lebt...
Der existenzielle Parabel-Charakter dieser Geschichte ist so grandios unübersehbar, dass man sich schon fragt, wie der überhaupt übersehen werden kann. In "Die rote Schildkröte" ist es nicht Adam (und Eva), das ist nicht Robinson Crusoe, das ist einfach: der Mensch. Und der Mensch wird ungefragt in die Existenz geworfen. Diese ist, gerade am Anfang, gnadenlos. Ist das Überleben gesichert, folgt der Protest gegen die Widrigkeiten der Insel und des Seins. Der Mensch protestiert gegen die Ungnade, in all diese enge Widerwärtigkeit des Leben-Müssen-Sollens ohne besondere exaltierte Aussicht auf Belohnung, geworfen worden zu sein. Was tun also? Flucht. Der Mann baut sich sich ein Floß, um das verheissungsvolle Schlaraffenland hinter dem Horizont zu finden. Doch das Leben vereitelt derlei eskapistische Luftschlösser. Der Mann scheitert zwangsläufig und die Wirklichkeit stößt ihn immer wieder zurück auf sich. Wie ein eine unsichtbare Macht.
Jenseits der Insel existiert aber der "grünere Garten"; die angespülte Flasche beweist es. Und nach dem Barriere des Nicht-Vorankommens akzeptiert ist, taucht sie auf. Sie, in der Form der Schildkröte, ein Gewand, ein Versteck. Sie testet den Mann, prüft, und lässt letztlch ihre Hüllen fallen. Und dann ist es vollbracht: Mann und Frau, Adam und Eva. Das Leben, die Natur. Einklang. Und aus dieser Natur entspringt alsbald ein Kind, dass ebenso die Welt entdecken will und mit der harschen Realtiät der Insel zurecht kommen muss. Und irgendwann wird aus dem Kind ein junger Jugendlicher, später ein junger Erwachsener, während die Eltern ergrauen.
Das Kind entdeckt, gleich seinem Vater, die Sehnsucht nach der Ferne, die die Mutter nie kannte und verlässt die Insel. Es wird nie mehr zurückkehren, gleich, ob beide Eltern mit sehnsüchhtigen Blicken in die Ferne blicken, um am Horizoiont vielleicht den einen Punkt auszumachen, der die Rückkehr ihres Sohnes ankündigt. Hat er es geschafft? Lebt er noch? Lässt ihn die neue Welt nicht los? Diese Fragen beantwortet der Film nicht und lässt den Zuschauer gern im Glauben, dass alles gut geworden ist. Letztlich wacht der alte Mann in der Nacht auf, blickt noch einmal in die Ferne, den sich in den Weiten des Ozeans schimmernden Mond und die Sterne, die Unendlichkeit und... stirbt. Damit endet die Parabel und auch der Kreislauf des Lebens, die sich immer wiederholende Natur der Sache, die, obwohl in Nuancen eines Weges differenziert, doch stest dieselbe alte Geschichte ist. Man kommt nicht umhin, sich vor dem Bildschirm wieder zu finden, gebannt auf den Abspann starrend und über das Leben sinnierend.
"Die rote Schildkröte" ist eine audiovisuelle Schönheit (ko-produziert von Studio Ghibli), die komplett ohne Dialoge auskommt und zum Zeichnen der Charaktere und Erzählen der Geschichte auch gar keinen Dialog benötigt. Gleichzeitig allerdings auch ziemlich manipulativ inszeniert, der ultimative Crowd Pleaser. Die Bilder und der Soundtrack prügeln dem Zuschauer quasi schon ein, den Film schön, emotional und süß zu finden, etwas Anderes wird gar nicht erst zugelassen.
Nachhaltig interessant und spannend ist dagegen der Inhalt, der
hoffnungsvoll und zugleich überraschend nihilistisch ausfällt, wenn man
etwas genauer darüber nachdenkt. Oberflächlich handelt es sich dabei um
eine Liebes- und Lebensgeschichte zwei einsamer Menschen, die zueinander
finden, auf einer tieferen Ebene lässt sich "Die rote Schildkröte"
allerdings auch als Abriss der Menschheitsgeschichte auf der Erde und
die Beziehung des Menschen zur selbigen sowie zur Natur interpretieren.
8,5/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Universum Film
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