Donnerstag, 30. Juli 2020

Angel Heart (1987)

https://www.imdb.com/title/tt0092563/

New York City, 1955: Über einen Anwalt namens Herman Winesap (Dann Florek) wird der heruntergekommene Privatdetektiv Harry Angel (Mickey Rourke) dem unheimlichen Louis Cyphre (Robert De Niro) vorgestellt. Angel erhält von dem diabolischen Cyphre den lukrativen Auftrag, eine vermisste Person für ihn zu finden: Der vor dem Krieg als Schlagersänger unter dem Namen Johnny Favorite bekannte John Liebling ist ihm noch die Erfüllung seines Vertrags schuldig. Johnny Favorite soll im Krieg Verletzungen erhalten haben, die ihn an Gesicht und Geist versehrten. Erste Spuren führen Angel in eine Klinik, in der Favorite behandelt worden sein soll. Von dem Morphin-abhängigen Arzt Fowler (Michael Higgins) erfährt er, dass der Sänger in den Süden gebracht worden sein soll. Wenig später ist Fowler tot. Aus Angst, mit dem Mord in Verbindung gebracht zu werden, flieht Angel nach Louisiana, wo er Favorite vermutet. Hier soll Favorite mit Margaret Krusemark (Charlotte Rampling) eine Verlobte und Evangeline Proudfoot eine Geliebte gehabt haben. Die zwischenzeitlich verstorbene Evangeline hat eine 17-jährige Tochter hinterlassen, Epiphany Proudfoot (Lisa Bonet). Während er mit ihr schläft, wird Angel von blutigen Visionen heimgesucht. Ein weiteres Gespräch mit Margaret Krusemark offenbart Angel, dass Favorite ein mächtiger Zauberer war, der für den späteren Ruhm seine Seele an den Teufel verkaufte. Nicht nur diese Geschichte erfüllt Angel mit Horror. Auch weitere Zeichen und Morde führen den Schnüffler immer tiefer in eine Welt des Grauens, aus der es kein Entrinnen gibt...

Es gibt Filme, die funtionieren beim ersten oder zweiten Mal anschauen unglaublich gut, verlieren danach jedoch ihre Wirkung. Schließlich weiß man, worauf es hinausläuft, der Überraschungseffekt ist nicht mehr da und man erkennt eventuelle Schwachpunkte, die von der anfänglichen Faszination überschattet wurden. Solche Filme gibt es, doch "Angel Heart" ist da komplett anders. Tatsächlich gewinnt er mit jeder Sichtung hinzu. Trotz des bekannten Ablaufs, der nicht mehr eintrettenden Überraschung. Es erschließen sich dafür immer mehr Details, die die Genialität der Geschichte, des Drehbuchs und Alan Parkers meisterhafter Inszenierung immer größer werden lassen. Der Film ist vollgestopft mit Symbolik und Metaphern, ist bis ins Kleinste nahezu perfekt konstruiert und durchdacht. Je öfter man ihn sieht, desto mehr entdeckt man in den einzelnen Szenen. Beim ersten Durchlauf ist dies absolut unmöglich, selbst beim zweiten oder dritten Mal lassen sich nicht alle Anspielungen von Parker erkennen. Wo andere Filme hier und da mal etwas einstreuen, das bei wiederholter Sichtung für einen Aha-Effekt sorgt, besteht bei "Angel Heart" jede Szenen fast nur aus solchen Aha-Momenten. Das ist so unglaublich brillant konzipiert, der pure Wahnsinn. Oft wird "Angel Heart" in die Genre-Kategorien "Psycho- und Mysterythriller" eingeteilt. Was man zu einem Großteil wirklich erhält, ist ein zäher und komplexer Detektiv-Krimi. Viele Figuren treten auf, werden befragt und alle verbindet irgendwie etwas miteinander. In dem Figurengeflecht verliert man schnell den Überblick, wer nun wessen Geliebte oder wessen Freund war, weswegen es sich hier um einen Film handelt, der Konzentration erfordert und es seinem Publikum nicht immer leicht macht. Vieles wird nur angedeutet oder wortwörtlich im Dunkeln gelassen. Vorgekaut wird einem hier gar nichts.

Das soll jetzt aber um Himmels Willen nicht abschrecken: Auch beim ersten Mal ist "Angel Heart" bereits sensationell. Schon beim Vorspann, in dem nur eine düstere Gasse gezeigt wird, schleicht sich diese unheilvolle Stimmung ein, dank Trevor Jones' grauenvoll-wunderschönen Score, der einen über den ganzen Film begleitet und maßgeblich zu der fesselnden Stimmung beiträgt. Was "Angel Heart" letztlich davor rettet, in Langeweile abzudriften, sind zwei Dinge. Erstens die wahnsinnig gelungene Atmosphäre. Immer wieder werden Bilder eingefangen, die zum einen hochästhetisch, zum anderen auch verdammt schaurig sind. Ob sich rückwärts drehende Ventilatoren; Blut, das von der Decke tropft; eine schwarze Gestalt, die einsam auf einer Kirchenbank sitzt. Obwohl, oder gerade wohl weil der Film nie ein hohes Tempo fährt, schnürt sich die Stimmung gnadenlos zusammen. Harry Angel bei seinen Ermittlungen in der okkulten Szene von New Orleans zuzusehen, wie er immer weiter in einen Fall hineinschlittert, der so unscheinbar beginnt, mit jedem Tag mysteriöser und bedrohlicher wird, ist Spannung auf aller höchstem Niveau. Alan Parker schafft es durch seine auf den Punkt optimale Inszenierung, dass man als Zuschauer, wie Harry Angel, immer tiefer in diesen Sumpf hineingezogen wird, bis zum Schluss nicht sicher, was einem am Ende der Reise erwarten wird. Ohne jetzt zu viel zu verraten, dafür müsste man erschossen werden, das Finale setzt allem die Krone auf.

 Zu guter Letzt muss noch auf die Darsteller eingegangen werden: "Angel Heart" ist die beste Rolle, die Mickey Rourke je verkörpert hat. Was aus dem Mann hätte werden können, stellt er hier eindrucksvoll unter Beweis. Er hätte wirklich der nächste Marlon Brando sein können. Ein unglaubliches Charisma und darstellerisch hier auf Weltklasseniveau. Lisa Bonet, dem breiten Publikum sonst nur aus der "Cosby-Show" bekannt, ist die augenscheinliche Unschuld und Versuchung in Person. Diese Rolle hätte sie fast ihr Engagement in der Erfolgssitcom gekostet, die wohl um ihren sauberen Ruf gefürchtet hat. Und dann natürlich Robert De Niro, einer der größten aller Zeiten, der in seinen wenigen Szenen eine Präsenz an den Tag legt, die einen den Atem anhalten lässt. Wie faszinierend es sein kann, wenn jemand ein Ei isst - eine grandiose Szene und Paradebeispiel für die Wirkung bei mehrfacher Sichtung. "Angel Heart" ist ein absolutes Meisterwerk, das ohne jeden Zweifel rein gar nichts über die Jahre eingebüßt hat und eigentlich nur noch besser wird. Sehr empfehlenswert.

8/10

Uncut und in HD kommt der Film von NSM im auf 444 Stück limitierten Mediabook.

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