Mittwoch, 8. Juli 2020

Le procès - The Trial - Der Prozess (1962)

 https://www.imdb.com/title/tt0057427/

Als Josef K. (Anthony Perkins) eines Morgens erwacht, wartet auf ihn eine böse Überraschung. Die Polizei ist in sein Zimmer eingedrungen und verhaftet den Ahnungslosen. Man informiert ihn darüber, dass ein Prozess gegen ihn angestrengt wurde, doch welches Verbrechens er beschuldigt wird, erzählt ihm niemand. Um dem Grund für die Anklage aufzudecken und seine Unschuld zu beweisen, versucht Josef K. hinter die Fassade der scheinbar übermächtigen Justizapparates zu blicken. Doch sein verzweifelter Kampf gegen die Bürokratie trägt keine Früchte und die Absichten der Ermittlungsbehörde und des mysteriösen Gerichtes bleiben unergründlich. Als er entdeckt, dass auch sein Rechtsanwalt (Orson Welles) eng mit dem Gericht verbunden ist, scheint es für Josef K. endgültig kein Entrinnen aus diesem Alptraum zu geben...

In diesem im Gegensatz zu seinem alles überstrahlenden "Citizen Kane" weniger bekannten Werk von Orson Welles nach dem Roman von Franz Kafka folgen wir dem Angestellten Josef K. durch den Kaninchenbau in die Welt der Bürokratie. Josef K. führt ein unauffälliges Leben. Doch eines Morgens findet er sich als schuldig vor, schuldig erklärt zunächst nur von Polizeibeamten, die unfähig sind ihm den Tatbestand zu erklären und überhaupt keine Fragen beantworten, sondern Josef K. penetranterweise bedrängen, ja nötigen. Dabei muss er jedoch feststellen, wie verzweigt der Irrgarten der Justiz und wie abweisend seine Mitglieder ihm gegenüber sind. Beim Suchen der Wurzeln dieser Begebenheit, wird im gewahr, wie jedes Glied der Gesellschaft - seien es Verwandte, die Arbeitskollegen, die Vermieterin, Sympathisantinnen, verschiedene Instanzen der Juristerei oder der Künstler - scheinbar Teil dieser Maschinerie ist. Warum gemacht wird, was gemacht wird, sei nicht Sache des Machenden; ein Zahnrad der Maschine erkundigt sich schließlich auch nicht, warum es sich fortwährend im Kreise dreht. Welles gelingt es dabei, Josef K. als Einzelkämpfer gegen die einzig anders existierende Vereinigung, also das Konglomerat aus einer riesigen Rechenmaschine und die ihr unterworfenen, gescheiterten Menschen, die, weil selbst gescheitert, nun auch Josef K. scheitern sehen wollen, ins Licht zu rücken.

In der Aussage des Anwalts "In Ketten zu liegen ist manchmal viel sicherer, als frei zu sein.", kommt die ganze Perversion zum Ausdruck: Die Maschinerie bietet Sicherheit, sei es in Form von Geld oder schlicht in Form von in Frieden gelassen werden; ihre Arbeit besteht darin, die noch nicht Angeketteten, also Freien, anzuketten oder in den Wahnsinn zu treiben. Dieses Gefühl der Weltverschwörung wird dabei umso erschlagender, je weiter die Handlung voranschreitet. Der Kampf gegen die Maschine, umso aussichtsloser, je näher man dem Kern kommt. Eine ausgezeichnete Romanverfilmung, bizarr, skurril und zutiefst menschlich. Anthony Perkins glänzt in der Rolle des Protagonisten, der in einem geradezu surrealen Alptraum gefangen zu sein scheint. Jeanne Moreau und Romy Schneider verkörpern seine erotischen Fantasien, Orson Welles selbst gibt den undurchsichtigen Anwalt. Die in schwarz-weiß gehaltene Bildsprache ist eine Wucht, die viel zu kleinen Räume erdrücken den Zuschauer förmlich, zwingen ihm Unbehagen und Enge auf und lassen ihn somit quasi spüren, in welcher Lage sich K. befindet.

Und am Ende steht eine bizarre Reise, die Fragen nach Schuld und Gerechtigkeit aufwirft, ebenso wie nach der Rolle des Individuums in der Gesellschaft. Ein Film mit hervorragenden Darstellern vor großartigen Kulissen, der über weite Strecken vieles richtig macht, auch wenn ihm in der zweiten Hälfte ein wenig die Luft ausgeht und er sich allzu sehr in Nebenhandlungen verläuft.

8/10

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