Kaum steigt Seok-woo (Gong Yoo) mit seiner Tochter in die Bahn Richtung Busan ein, breitet sich im Schnellzug eine Infektion rasant aus und verwandelt Fahrgäste in blutdürstige Zombies. Nur knapp entkommen beide samt einer kleinen Gruppe dem Tod. Als die Überlebenden an einem vermeintlich sicheren Bahnhof aussteigen, werden sie von unzähligen Untoten attackiert - die einzige Rettung bietet der Zug. Im Tumult wird Seok-woo von seiner Tochter getrennt, die einige Wagen entfernt von ihm Zuflucht findet. Um sie wiederzufinden, muss er sich durch Zombie-besetzte Abteile kämpfen. Wahrenddessen treffen die anderen überlebenden Passagiere aus Angst und Misstrauen moralisch fragwürdige Entscheidungen, die einige das Leben kosten wird...
Regisseur Sang-ho Yeon, den man eher mit Anime in Verbindung bringt, hat ganz offensichtlich ein Steckenpferd. Und dies ist es, Charaktere in Situationen zu bringen, in denen sie sich entscheiden müssen, ob sie den dunklen, sicheren Weg gehen und mit den Taten leben können ... oder nicht - oder ob sie den ehrlichen Weg folgen und daran vielleicht, aber dann reinen Gewissens, zugrunde gehen. Da war es ja nur eine Frage der Zeit, bis ein Zombie-Ausbruch in dieses nur allzu menschliche Entscheidungsspiel beigemengt wird.
Nach "Seoul Station" reicht Yeon Sang-ho nun das Real-Life-Komplementär-Stück seiner Zombie-Apokalypse nach und zeigt mit seiner ersten Realfilm-Arbeit, dass es immer noch Mittel und Wege gibt, etablierten Ideen und Motiven eine neue Perspektive abzugewinnen. So rattern die unglücklichen Passagiere an Bord besagten Zugs, nicht nur durch ein Land, dessen zivilisatorische Stabilität und gesellschaftliche Ordnung zerfällt. Auch der Zusammenhalt einer der Panik anheimgefallenen Besatzung wird zum treibenden Motiv des Films. Natürlich nutzt "Train To Busan" viele Gelegenheiten, um auf der Überholspur Eindrücke des Untergangs zu sammeln. Und anders als so viele glücklose Regisseure kann Yeon Sang-ho sein Chaos sehr lebensecht mit den Errungenschaften der heutigen Kommunikationsmöglichkeiten verbinden. Doch dies alles ist natürlich auch eher Spielerei und schmückendes Beiwerk, mit der sich die ausufernde Dramatik des Geschehens transportieren lassen. Die bekannten Konflikte von Alter, Stellung und Sichtweise dienen als Begrenzungsfaktoren dieser Schicksals-Gemeinschaft. Da zeigt sich vor allem, wie ein (großer) Teil der Passagiere blind in Paranoia und Herzlosigkeit stürzt. Während der, anfangs um sich selbst kreisende, Manager Seok-Woo im Verlauf immer mehr zum Stellvertreter einer selbstlosen Helden-Klasse wandelt.
Eine Transformation, die auch durch gespeist wird durch die Leistung der Nachwuchs-Darstellerin von Seok-Woos Tochter, Kim Soon-an. Ihr uneigennütziges Engagement und ihre Hilfsbereitschaft, lässt die Charakter-Veränderung des Vaters realistisch erscheinen. Und genau deshalb ist eine der positivsten Eigenschaften von "Train To Busan", dass sich, selbst im genretypischsten Geschehen, bisweilen recht herzzerreißende Abschiede finden. Während auch keine Opion ungenutzt gelassen wird, um die Zombies dieser Höllenfahrt in ihrer ganzen unheilvollen Bandbreite zu präsentieren, obgleich diese weitaus unblutiger vorgehen als man aus anderen Vertretern des Genres Zombie so kennt. So zeigt Yeon Sang-ho seine Infizierten als eine Welle aus rasenden Körpern, die Städte flutet und das Land verzerrt. Oder sich eben durch die Abteile frisst. Beinahe scheint sogar das Massen-Verhalten aus "World War Z" hier Pate gestanden zu haben. Wobei sich "Train To Busan" trotz aller Unmöglichkeit einen Hauch von Realismus bewahrt. Lachhaft sind die Schwärme eigentlich nie. Dafür sehr rasant und rasend.
Und wer nun meint, ob südkoreanisch, japanisch oder amerikanisch, die Zombie-Prozedur bleibt ja eh immer dieselbe, sollte mal auf das Sehvermögen der Meute achten. Hier zeigt sich, dass es doch noch immer neue Ideen gibt. Selbst wenn die Kritik berechtigt scheint, dass seit gut dreißig Jahren stets die Einflüsse und Verhalten gleichbleiben, zeigt der Film doch auch Hoffnung für das Genre Zombiefilm. "Train To Busan", der im Eifer und auf der Jagd nach überzogenen Schauwerten, doch so ziemlich alles richtig macht und sogar ein empfindsames Innenleben offenbart - und ein Ende, das einem das Herz zerreißen könnte.
8/10
Von SPLENDID erschien der Film im auf 2.000 Stück limitierten und nummerierten Mediabook, welches zudem noch die Vorgeschichte zu "Train To Busan" enthält: "Seoul Station".
Quellen:
Inhaltsangabe: Splendid
Poster/Artwork: Splendid
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