https://www.imdb.com/title/tt1013753/Harvey Milk (Sean Penn) zieht Anfang der 1970er Jahre mit seinem Freund
Scott Smith (James Franco) nach San Francisco und eröffnet dort im
Gastro-Viertel einen Fotoshop. Es kommt zu Anfeindungen aus der
Umgebung, die Harveys und Scotts Homosexualität zum Grund haben. Als
Reaktion auf die homophoben Angriffe geht Milk zunehmend offensiv mit
seiner Sexualität um. Sein Laden wird zum Szenelokal, das Viertel zur
Hochburg der zaghaft erwachenden Schwulenbewegung und er selbst steuert
direkt auf eine politische Karriere zu...
Alle reden von Toleranz, doch die Blicke bleiben. Schlendert ein homosexuelles Pärchen durch die Straßen, schaut sich verliebt in die Augen, sanft Händchenhaltend, Küsse auf die Wangen schenkend, dann beginnt das Getuschel, hinter vorgehaltener Hand, von allen Seiten. Dass auch noch heutzutage ein zutiefst auf Heterosexualität ausgerichtetes Gesellschaftsmuster als höchstes Gut der Gesellschaft deklariert wird, lässt sich als nur soziologische Niederlage erklären, die den Menschen im Umgang mit seinem Umfeld zum tumben Neandertaler erklärt. Es ist geradezu ein Armutszeugnis, wenn es einem Kraftakt gleicht, um einen Film zu zeigen, der sich mit dieser Thematik beschäftigt, um die Menschen von der Normalität dieser sexuellen Orientierung zu überzeugen. Das Biopic "Milk" ist geradezu exemplarisch für diese Aussage.
Es geht um Harvey Bernard Milk, ein US-amerikanischer Politiker der demokratischen Partei und
Bürgerrechtler der Schwulen- und Lesbenbewegung. Er war der erste offen
schwule Politiker der USA. Trotz unzähliger Rückschläge bei verschiedenen Wahlen für ein politisches Amt, schaffte es Milk 1997 tatsächlich, in den Stadtrat gewählt zu werden: Ein unschätzbarer Erfolg! Regisseur Gus Van Sant hat sein goldenes Händchen bereits einige Male bewiesen, tingelte durch die tiefsten Indie-Sümpfe und schaffte es auch durchaus, im Studio-Mainstream Fuß zu fassen. Sein von Dustin Lance Black geschriebenes Biopic "Milk" steht natürlich ganz in der Tradition seiner unzähligen Vorgänger. Anders als aber andere Filme, die ihr Publikum mit einer echten Faktenflut zu erschlagen drohen oder Tatsachen verschleiern, um einen profitableren dramaturgischen Ertrag daraus erzielen zu können, folgt "Milk" einem geerdeten Strickmuster und macht über seine über 2-stündige Laufzeit immer einen angenehm schwungvoll Eindruck, ohne die eigenen Ambitionen dem blanken Effekt unterzuordnen.
"Milk" schafft es geradezu hervorragend, die private wie politische Vita des Harvey Milk unter einen Hut zu bringen, ohne in ein narratives Ungleichgewicht zu kippen. Vielmehr keimt daraus eine Symbiose der Wahrhaftigkeit, die die Persönlichkeit Harvey Milk und sein unermüdliches Engagement greifbar machen. Was natürlich nicht zuletzt an der famosen Performances des herausragenden Charakterdarstellers Sean Penn liegt. Er ruft Harvey Milk durch sein plastisches Spiel zum Leben, verklärt ihn nicht zu einer bloßen Karikatur, sondern schildert ein exzellentes Porträt, dem man sich nicht entziehen kann. Körperhaltung, Mimik und Gestik sind der Beweis dafür, dass Penn nicht umsonst als ein Method Acter der absoluten Extraklasse gilt. Aber im Allgemeinen ist Milk wirklich wunderbar gecastet: Ob James Franco, Emile Hirsch, Diego Luna, Josh Brolin oder Alison Pill, eine wirklich gut geschrieben Frauenrolle. Sie alle machen eine mehr als gute Figur und sorgen eben auch dafür, dass Milk - trotz seiner visuellen Kreativität - ein echter Ensemblefilm ist.
Man würde Harvey Milk Unrecht tun, würde man ihn nicht zum Helden erklären. Er wurde ein Sprachrohr für die Menschen, die unreflektiert in eine Schublade mit schlimmsten Sexualstraftätern geschoben wurden. Den Menschen, die keine Berufe ausfüllen durften, in denen sie als Autoritätsperson ihr Geld verdienten. Als Angehöriger der Demokratischen Partei, war es Milks Pflicht, gegen die Konservativen und ihre reaktionären Ansichten in den politischen Kampf zu ziehen. Wie Milk diesen Schlagabtausch allerdings löst, gehört zweifelsohne mit Applaus honoriert. Denn während es das Drehbuch tunlichst vermeidet, Harvey Milk zu glorifizieren, obwohl sein Sanftmut, seines Herzenswärme schon irgendwie eine schlagkräftige Einladung dazu gewesen wären, werden auch die Kontrahenten aus der Konservativen Partei niemals dämonisiert, sondern angehört, wenngleich man ihre Ideologie gewiss nicht teilen kann. Interessant ist auch die nuanciert dargebotene Figur des Dan White (gespielt von Josh Brolin), der später zur Waffe greifen und Milk erschießen wird, dessen Motive jedoch rein auf die interpretative Ebene geschoben werden.
Die letzten Worte diesen Films gebühren auch dieser Rezension: "I ask this... If there should be an assassination, I would hope that five, ten, one hundred, a thousand would rise. I would like to see every gay lawyer, every gay architect come out - - If a bullet should enter my brain, let that bullet destroy every closet door... And that's all. I ask for the movement to continue. Because it's not about personal gain, not about ego, not about power... it's about the "us's" out there. Not only gays, but the Blacks, the Asians, the disabled, the seniors, the us's. Without hope, the us's give up - I know you cannot live on hope alone, but without it, life is not worth living. So you, and you, and you... You gotta give em' hope... you gotta give em' hope." "Milk" ist grandios. Ein sensationell gespieltes, berührendes, aber niemals manipulatives Erlebnis, das sich zu einem echten Plädoyer für die Gleichberechtigung aufbäumt und dem Pathos vom Gutmenschen konsequent entsagt.
8,5/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Constantin Film
Textauszüge: Wikipedia
Qutoes: imdb