Montag, 19. Juli 2021

De Oost - The East (2020)

https://www.imdb.com/title/tt8639136/

Wir schreiben das Jahr 1946. Der junge niederländische Gefreite Johan de Vries (Martijn Lakemeier) wird mit seiner Einheit nach Indonesien verschifft. Die Männer sollen Ordnung in die Kolonie bringen, die während des Zweiten Weltkriegs von der japanischen Besatzung verwüstet wurde und nun mit Separatisten zu kämpfen hat. Diese "Eingeborenen", die Ureinwohner Indonesiens, wollen endlich einen unabhängigen Staat, ohne holländische Einmischung, nach ein paar Jahrhunderten Besatzung. Johan landete auf einem relativ ruhigen Stützpunkt in der Nähe von Semarang, wo sich nationalistische Guerillabewegungen - die seit Herbst 1945 gezielt gegen "Nicht-Indonesier" wie Chinesen, Molukken und Holländer vorgehen - nur spärlich zeigen. Doch als Johans Einheit bei einer Patrouille im Dschungel in einen Hinterhalt gerät und ein Kamerad getötet wird, erreicht der Hass auf die Ureinwohner der "Dutch East Indies" den Siedepunkt. Schnell wird klar, dass Johan das Zeug dazu hat, ohne einen Funken von Gewissen Indonesier zu töten. Raymond Westerling (Marwan Kenzari), der Captain der Eliteeinheit "Depot Special Troops", sieht in dem mörderischen Novizen einen treuen Gefolgsmann. Als Westerling - der wegen seines dunklen Aussehens "der Türke" genannt wird - einen Freibrief erhält, in Süd-Celebes aufzuräumen, steht Johan zunächst stolz an seiner Seite. Bis der junge Soldat den Wahnsinn der Säuberungen in den Kampongs begreift...

Raymond Westerlin ist wohl bekannt. Bekannt für die Massaker an an der Bevölkerung von West-Java und auf Sulawesi. Die Erwartung an "De Oost" war nun, dass endlich ein Film erscheinen würde, der den Gräueltaten der niederländischen Soldaten während des indonesischen Unabhängigkeitskrieges gerecht wird. Er erinnert an "Platoon" (ohne jemals dessen Intensität zu erreichen) oder auch an "Tigerland". Grausam ist "De Oost" zwar, aber der Film scheint sich kaum für die Indonesier, die Opfer des niederländischen Terrors, zu interessieren. In zwar erschreckenden Szenen zeigt Jim Taihuttus, wie westliche Truppen Dörfer umzingeln und dann die Frauen und Kinder von den Männern trennen. Auf dem Dorfplatz wird ein Schreibtisch aufgestellt, hinter dem der Hauptmann sitzt. Er nimmt einen Notizblock aus der Tasche, zieht seine Pistole aus dem Holster und ruft einen Namen. Die betreffende Person, die nach dubiosen Geheimdienstinformationen ein Terrorist sein soll, steht auf, meldet sich und bekommt eine Kugel in den Kopf. Heulende und schreiende Geräusche. Dann kommt ein anderer Name und das Spiel beginnt von vorn. Eine Nahaufnahme des Opfers. Nach zwei Schusswechseln ist der Punkt erreicht und der Film verfehlt sein Ziel. "Das war ein langer Tag", seufzt Westerling nach einem Mord. Und so entwickelt sich "De Oost" nach eine langsamen beginn zu einem nicht enden wollenden Albtraum. Als wäre dies eine Fortsetzung eines Actionfilms wie "Rambo", in dem die Zahl der Toten die des ersten Teils übertreffen muss und groteske Bilder verhindern sollen, dass der Zuschauer satt wird. Es sieht grundlos aus; rücksichtslos dargestellt. Man könnte argumentieren, dass Taihuttu mit Nachdruck die bombastischen Konventionen des Kriegsfilms wählt, um seine Geschichte zu untermauern, aber diese Geschichte des niederländischen Terrors ist kein Epos, sondern eine Tragödie. Die Form (ein traditioneller Kriegsfilm) trampelt auf dem Inhalt (Aufarbeitung einer schmutzigen Vergangenheit) herum. Die Indonesier, die in De Oost hingerichtet werden, sind in diesem Sinne nur Körper, Requisiten. Der Film interessiert sich kaum für sie. Es gibt die unvermeidliche Romanze zwischen Johan und einer indonesischen Prostituierten (Denise Aznam), aber diese asymmetrische Beziehung erinnert an Klischees über Prostituierte in amerikanischen Filmen über den Vietnamkrieg: Die Prostituierte ist mehr exotische Dekoration als ein Mensch aus Fleisch und Blut. So wie die Niederländer auf dem Markt genüsslich Köstlichkeiten verschlingen. Bei "De Oost" ist Indonesien vor allem ein Objekt der Exotik, mit schönen Frauen, gutem Essen und "Terroristen", die einen eigenen Staat gründen wollen.

Jim Taihuttu macht den gleichen Fehler wie viele amerikanische Filme über den Vietnamkrieg aus dem vorigen Jahrhundert. Es scheint, als wolle "De Oost" die unterbelichtete Seite des indonesischen Unabhängigkeitskrieges und der "Polizeiaktionen" zeigen. Aber weil es aus einer weißen oder westlichen Perspektive gesehen wird, dreht sich der Film um die Täter und nicht um die Opfer. Das stellt die Berechtigung in Frage, überhaupt einen Film über die niederländischen Missetaten in Indonesien zu machen. Das Hauptaugenmerk liegt auf den holländischen Truppen und ihrer nebulösen, rassistischen und eurozentrischen Sicht auf Indonesien (die molukkischen Truppen, die auf holländischer Seite kämpften, spielen ebenfalls nur eine winzige Nebenrolle). Dabei räumt Taihuttus Film ein: Ja, wir haben dort schreckliche Dinge getan. Gleichzeitig scheut er aber die Frage nach den Erfahrungen der Indonesier selbst und dem langfristig destruktiven Einfluss des holländischen Vorgehens. Und dann ist da noch das Drehbuch. Mit Raymond Westerling als Colonel Kurtz-ähnliche Figur, die mit jedem Schritt in die Wildnis mehr und mehr dem Wahnsinn verfällt. Westerling wird zu Beginn des Films als Psychopath dargestellt, aber auch dann ist er still und nachdenklich. Kenzari (der übrigens, wie Lakemeier, eine gute Rolle spielt) bekommt leider immer banalere Dialoge mit auf den Weg. Vielleicht wollten Taihuttu und Co-Drehbuchautor Mustafa Duygulu betonen, wie banal Völkermord sein kann, aber es hat den gegenteiligen Effekt: Westerling verkommt zu einem cartoonhaften Bösewicht aus einem von Tarantinos anachronistischen Rachefilmen.

Die Schilderung des indonesischen Unabhängigkeitskrieges bittet um einen ernsteren Ton. Genau diese Diskussion wurde übrigens schon vor Jahrzehnten von Filmen wie eben "Platoon" und "Apocalypse Now" geführt. Es scheint, als hätte man daraus nichts gelernt. Als ob die Macher einfach nur einen holländischen Vietnam-Film wollten, mit coolen Einzeilern und Helden, die sich nicht als Helden entpuppen. Ganz zu schweigen von den historischen Gräueltaten und der Reduzierung der Indonesier auf exotische Kulissen. Auf diese Weise stolpert der Film über zwei Dinge: Film als Unterhaltung und Film als Exposé historischer Gräueltaten. Beides ist schwer zu kombinieren: Ein historisches Trauma lässt sich nicht einfach in einer Spannungskurve erfassen. Und das ist in "De Oost" unbestreitbar der Fall. Es stellt sich die Frage, welche Lehren aus "De Oost" gezogen werden können. Zu einer gerechten Darstellung der Geschichte gehört es, den Opfern eine Stimme zu geben. Der Bombast von "De Oost" lässt dafür keinen Raum und verhindert in seinem sonst mitreißenden Ablauf die Höchstnote.

7,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe
: amazon Video

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