Mittwoch, 7. Juli 2021

Manchester By The Sea (2016)

https://www.imdb.com/title/tt4034228/

Der einsame und schweigsame Lee Chandler (Casey Affleck), als Handwerker für einen Bostoner Wohnblock zuständig, wird von einer erschütternden Nachricht aus dem Alltag gerissen: Sein Bruder Joe (Kyle Chandler) ist plötzlich gestorben. Nach dem überraschenden Tod soll sich Lee um Joes 16-jährigen Sohn Patrick (Lucas Hedges) kümmern. Dafür zieht er von Boston zurück in seine Heimat, die Hafenstadt Manchester an der amerikanischen Ostküste. Doch muss er dort nicht nur Ersatzvater für einen Teenager sein, ohne so was jemals zuvor gemacht zu haben, sondern trifft auch seine Ex-Frau Randi (Michelle Williams) wieder, mit der er früher chaotisch, aber glücklich zusammenlebte. Die alten Wunden beginnen, erneut zu schmerzen und Lee fängt an, sich zu fragen, was es braucht, mit der Vergangenheit ins Reine zu kommen - und was es braucht, eine gesunde Zukunft zu beginnen...

"Da ist nichts mehr."

Mit Schmerz, Verlust und Trauer geht jeder anders um. Es gibt kein Allheilmittel, maximal erprobte, im Schnitt verhältnismäßig erfolgreiche Methoden der Bewältigung. Nur eines ist gewiss (wenn man nicht selbst dazwischen funkt): Das Leben geht weiter. Es muss. Man rauft sich irgendwie zusammen, ohne den wiederzufinden, der man einst war. Denn den Menschen gibt es nicht mehr, wird es nie wieder geben. Manchmal bedarf es einfach einen weiteren Schicksalsschlag, um wenigstens die Scherben auffegen zu können. Dafür ist es nie zu spät. Wunden verschwinden nicht, aber sie können zumindest zu Narben werden, vernünftig abheilen. 

"Manchester By The Sea" ist vermutlich einer der schönsten Filme der letzten Jahre. Obwohl er fast durchgehend einen hundsgemeinen Blues spielt. Ein Film, der das Leben versteht und es dem Zuschauer auf eine unbequeme, aber feinfühlige Art begreifbar macht. Der absolut überragende Casey Affleck , der völlig verdient den Oscar für den besten Hauptdarsteller erhielt (und nebenbei für das beste Drehbuch), mimt einen schicksalsgebeutelten Einzelgänger, der durch eine Unachtsamkeit sein ganzes Leben zerstört hat.In der Rolle als Lee Chandler zeigt beweist er erneut, was für ein begnadeter Schauspieler er ist und lässt einen des Öfteren mit einer Gänsehaut zurück. Regisseur Kenneth Lonergan, der sich auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, erzählt die Geschichte des gebrochenen Mannes behutsam, nie sensationslüstern oder gar kitschig und ist damit unheimlich nah am Leben dran. Eine Geschichte über Verantwortung. Denn Lee ist nicht mehr willens oder imstande dazu Verantwortung für irgendjemanden zu übernehmen. Nicht mehr zur Liebe und Zuneigung fähig, weil damit erneut Verantwortung genüber jemandem entsteht. Und eben das spielt Casey Affleck so überzeugend. Ein grundguter Kerl, der in einer nach aussen hin emotionslosen Hülle steckt, welche allerdings Zerrissenheit, Selbsthass und Gleichgültigkeit für sich und das Leben behebergt. 

"Manchester By The Sea" berichtet von nicht zu ertragendem Schmerz und spendet doch so etwas wie Hoffnung, ohne in die Mechanismen von Hollywood-Blödsinn zu verfallen. Das über 135 Minuten zu vermeiden, immer an der Kante von unprätentiöser Charakterstudie, grundehrlicher Empathie und höchster Wertschätzung für seine Figuren wie deren Entwicklungen, das ist noch und wird immer außergewöhnlich bleiben. Weil es so verdammt schwierig ist. Wenn es gelingt, durchgehend auf diesem Niveau, dann darf leise applaudiert werden. Das klingt alles sehr deprimierend und nahezu hoffnungslos. Doch wird ebenso geschickt und empathisch verdeutlicht, dass man sich dem Leben nicht dauerhaft verschließen kann. Und das vielleicht in einem, trotz unbegreiflich schwerer Schicksalsschläge, doch noch was da ist. Dass auch aus einem "Nichts" noch was erwachsen kann. Ein Film, wie es sie viel zu selten gibt.  

9/10

Quellen
Inhaltsangabe: Universal Pictures

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