Montag, 25. März 2019

[KINO] Us - Wir (2019)

https://www.imdb.com/title/tt6857112/

Adelaide Wilson (Lupita Nyong'o) und ihr Mann Gabe (Winston Duke) möchten mit ihren Kindern Zora (Shahadi Wright Joseph) und Jason (Evan Alex) ein paar entspannte Sommertage an der nordkalifornischen Küste verbringen. Mit ihren Freunden, der Tyler-Familie um Kitty (Elisabeth Moss), Josh (Tim Heidecker) und ihren Zwillingstöchtern Becca (Cali Sheldon) und Lindsey (Noelle Sheldon), haben sie auch einen mehr oder weniger schönen ersten Urlaubstag am Strand. Doch als die Wilsons zurück in ihrem Ferienhaus sind, nähern sich am Abend plötzlich seltsame und furchteinflößende Gestalten ihrem Heim. Die ungebetenen Besucher jagen ihnen nicht nur große Angst ein, sie sehen den einzelnen Familienmitgliedern auch verstörend ähnlich. Brutal dringen sie schließlich in ihre Welt ein und machen gnadenlos Jagd auf die Wilsons. Adelaide, Gabe, Zora und Jason sind gezwungen, um ihr Überleben zu kämpfen und müssen sich gleichzeitig selbst jagen...

Mit seinem neuesten Horrorfilm "Wir" kehrt Jordan Peele nach dem unerwartet unkonventionellen "Get Out" zurück und schafft es erneut, den Zuschauer in ein spannendes Spiel zu verwickeln. Aber das ist nicht alles. In "Wir" verdoppelt Autor und Regisseur Jordan Peele die voll-frontalen Nahaufnahmen, die er auch in "Get Out" favorisierte. Und das aus gutem Grund: Es gibt doppelt so viele Gesichter zu sehen. Der Film mit identitätsstiftenden Aspekten konzentriert sich auf eine scheinbar glückliche vierköpfige Familie, die während ihres Urlaubs in ihrem kalifornischen Sommerhaus bösartigen Doppelgängern begegnet. Nachdem sie die Wohnung überfallen und die Urlauber festgesetzt haben, sitzt diese "Schatten" -Familie ihren Opfern gegenüber und die Kamera konzentriert sich auf die Gesichter der Mütter, die von Lupita Nyong'o gespielt werden. Adelaide, die an den Couchtisch gefesselt ist, rinnt einen Tränen aus den Augen, aber Red, ihr Gegenüber, beugt sich vor, weitet die Augen und schlägt mit den Fingerspitzen auf ihre Wangen wie ein krabbelndes Spinnenbein. "Wer seid ihr für Leute?" keucht Adelaides Ehemann (Winston Duke) da noch.


Es genügt zu sagen, dass "Wir" eines von Anfang an sofort klar macht: "Get Out" war kein Zufall in Sachen Handwerk. In Zusammenarbeit mit dem Kameramann Mike Gioulakis, dem Herausgeber Nicholas Monsour und dem Komponisten Michael Abels hat Peele wieder ein Filmerlebnis konstruiert, das in erster Linie auf der Ebene des schrecklichen Terrors funktioniert. Von den unheilverkündenden Klängen des Soundtracks bis hin zu einer POV-Kamera, die den Zuschauer häufig mit dem Schrecken konfrontiert, verwandelt "Wir" Identitätspolitik in Albträume. Das erschreckendste Gesicht ist Nyong'os als Red, Adelaides Schatten. Sie starrt Adelaide an, als wäre die andere Frau ein wissenschaftliches Exemplar - und bewegt sich dann mit einer plötzlichen Bewegung, die sowohl geschmeidig als auch unzusammenhängend ist. Ballett fügt sich in die Geschichte ein und Reds Bewegungen erinnern an einen Tänzer, dessen Gliedmaßen einst stark gebrochen waren. Sie kennt die Schritte, hat aber die Eleganz verloren. Während die Ereignisse immer gewalttätiger werden, ist es interessant zu bemerken, dass Adelaide - zu Beginn des Films zurückhaltend und beinahe gebrechlich - allmählich Reds Manieren annimmt: grunzen, stolpern, furchterregende Gesichter machen. Es ist eine doppelte Wendung für Nyong'os Part, ein weiterer Beweis dafür, dass Horror ein fruchtbarer Boden für Leistung sein kann.

"Get Out", als Beitrag zum Horrorgenre, wusste dies auch schon zu nutzen. Es war implizit in der Filmkulisse enthalten, in der ein afroamerikanischer Mann die Eltern seiner weißen Freundin besucht und neben noch größerem Übel auf Selbstzufriedenheit und Liberalismus trifft. Auch in "Wir" wird dies aufgefasst, allerdings eher als Metapher. Das funktioniert auch und könnte als ein prophetischer Weckruf für das konsumtive, kapitalistische Amerika gesehen werden Insgesamt nimmt sich Peele in "Wir" harscher Kritik am Wohlstandsleben an. Bei einem Strandausflug mit Freunden (Tim Heidecker und Elisabeth Moss), bei dem die Paare ihre Autos, Boote und andere "Sachen" vergleichen, wird dies überdeutlich. Aber solch ein Komfort geht fast immer auf Kosten eines anderen Menschen - vielleicht keine Doppelgänger, aber vielleicht Bergleute aus der Dritten Welt, die ihr Leben für das Material riskierten, das für die Herstellung unserer Smartphones gebraucht wurde. Sogar die Kaninchen spielen hier eine Rolle, da bekannt ist, dass Kosmetikunternehmen die Tiere zu Testzwecken verwenden. Durch den ganzen Film zieht sich eine spitze Ironie, so wie "Hands Across America" in Reds Plänen eine Rolle spielt. Das Goodwill-Projekt, ein Phänomen von 1986, sollte Geld zur Bekämpfung der Armut aufbringen.


Der Begriff "Prophet" kommt nur in den Sinn, weil "Wir" mehrere Male auf einen bestimmten Propheten verweist: den Jeremias des Alten Testaments. Schon früh sieht man eine abgehalfterte Figur mit einem Schild, auf dem Jeremia 11:11 steht. Dies ist eine Erklärung des Urteils Gottes über die Nation Judah wegen seiner Götzenanbetung. Die Zahlen "11:11" tauchen wiederholt in "Wir" auf; und es ist ungefähr um die Zeit, wenn die Schattenfamilie ihren ersten Angriff ausführt. Außerdem lehnt Jeremiah seine Berufung ursprünglich ab und behauptet, er könne nicht sprechen. Und Adelaide, wie wir erfahren, blieb einige Zeit stumm, nachdem sich ihre Kindheit mit ihrem Schatten getroffen hatte. Aber in dieser Geschichte ist nicht Red, nicht Adelaide, der Prophet, der die Gesellschaft in Bewusstsein ihrer Sünden schockiert. Hier kommt der Titel des Films ins Spiel. Wir sehen Red und Adelaide als eine einzige Figur - ein „Wir“, dessen Konvergenz eine katastrophale Abwägung bewirkt. In einer letzten Wendung erinnert sie sich. Es ist nicht nur eine Gotcha-Wendung, sondern ein brillanter Kommentar dazu, wie Wohlstand, wenn wir uns vor ihm niederbeugen, eine Selbstgefälligkeit erzeugt, die so heimtückisch ist, dass wir nicht nur andere, sondern auch uns selbst vergessen. Und das ist doch mal was. Grandios.

8/10

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