Samstag, 10. Juli 2021

[KINO] Black Widow (2021)

https://www.imdb.com/title/tt3480822/

Natasha Romanoff alias "Black Widow" (Scarlett Johansson) ist gezwungen, sich mit den dunklen Kapiteln ihrer Lebensgeschichte auseinanderzusetzen. Ausgangspunkt ist eine Verschwörung, die etwas mit Natashas Vergangenheit zu tun haben muss. Dabei wird sie von einem mächtigen Gegner auf die Probe gestellt, der nichts unversucht lässt, um Black Widow zur Strecke zu bringen: Taskmaster, ein hochgefährlicher Widersacher, der die Kampfstile seiner Gegner nachahmen kann. So bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich ihrer Vergangenheit als ehemalige Agentin des KGB zu stellen und auch die zerrütteten Beziehungen aufzuarbeiten, die sie lange vor ihrer Zeit bei den Avengers, hinterließ. Dabei helfen ihr ihre Ersatzeltern Alexei Shostakov (David Harbour) und Melina Vostokoff (Rachel Weisz) sowie ihre Black-Widow-Kollegin Yelena Belova (Florence Pugh)...

Die mehr als einjährige Verspätung von Marvels "Black Widow", die aufgrund der Covid19-Pandemie nun endlich am 9. Juli endet, wenn der Film in die Kinos kommt und gegen einen Aufpreis auf Disney+ verfügbar ist, hat eine besondere Bedeutung. Es ist nämlich immer noch spürbar, dass sich diese Geschichte auch im Mai 2020 noch ein wenig verspätet angefühlt hätte. Denn warum haben Thor, Captain America und Iron Man (jeweils) drei Solo-Filme bekommen, bevor Natasha Romanoff einen bekam? Die MARVEL-Fans beschwerten sich schon lange vor der Pandemie, dass es sich so anfühlte, als wäre Black Widow einfach beiseite geschoben worden. Ihre (Halb-)Origin kommt nun erst nach dem Ende ihrer Geschichte in "Avengers: Endgame". Der Film von Regisseurin Cate Shortland bestätigt, dass Black Widow schon längst ihren eigenen Streifen hätte tragen können. Es gibt genug Charakter, Hintergrundgeschichte und Intrigen in ihrer Welt für eine ganze Reihe an Filmen. Viele Filme im Jahr 2021 haben sich aufgrund ihrer Existenz in einer Post-Covid19-Welt etwas anders angefühlt, aber aus all diesen Gründen fühlt sich "Black Widow" deutlich wie ein Prä-Covid19-Produkt an, ein Eintauchen in die Geschichte einer der beliebtesten Marvel-Figuren, das wirklich besser so spät als nie ist. Der Solofilm ist nach den Ereignissen von "Captain America: Civil War" und vor "Avengers: Infinity War" angesiedelt.

Die besten Aspekte von "Black Widow" erinnern an den 70er-Jahre-Spionagefilm eines der besten Filme im MCU, "Captain America: The Winter Soldier". Regisseur Shortland und Autor Eric Pearson (ein MCU-Veteran, der sowohl "Avengers: Infinity War" und "Avengers: Endgame" sowie den Thor-, Spider-Man- und Ant-Man-Filmen an Bord war) bedienen sich ungeniert bei geliebten Action- und Spionageklassikern mit Elementen, die an die "Bourne"-Filme, "Mission: Impossible", "Der Manchurian Kandidat" und vor allem "James Bond" (ein Clip aus "Moonraker" läuft sogar auf einem Fernseher im Film). Und doch vereint "Black Widow" all diese Spionage-Action-Größen zu etwas, das sich lebendig und originell anfühlt, vor allem dank der straffen Action-Choreografie von Shortland und einer großartigen Besetzung, in deren Mittelpunkt vier sehr einnehmende Darstellungen von Scarlett Johansson, David Harbour, Rachel Weisz und vor allem Florence Pugh stehen.

Das Hauptthema von "Black Widow" ist "Familie". Der Film beginnt mit einer Szene, die enthüllt, dass die junge Natasha und ihre Schwester Yelena (als Erwachsene gespielt von Pugh) ein kurzes Leben in Ohio unter den elterlichen Figuren Alexei (Harbour) und Melina (Weisz) hatten. Sie schienen eine normale Familie zu sein, aber "Mama" und "Papa" waren in Wirklichkeit russische Spione, und die Mädchen wurden nur auf ihre bevorstehende Aufnahme in ein Supersoldatenprogramm in der Heimat vorbereitet. Nach einem bleihaltigen Auftaket enthüllt der musikalisch grandios unterlegte Vorspann von "Black Widow", dass Natasha und Yelena von Durchschnittsmädchen zu Tötungsmaschinen gemacht wurden, getrennt, als Romanoff den Leiter des Programms, Dreykov (Ray Winstone), ermordete und seinen "Roten Raum" zerstörte. Doch ist das alles wirklich passiert? Letzteres ist eine der viele Fragen, die aufgegriffen werden, um die Geschichte voranzutreiben.

Nach "Captain America: Civil War", ist Natasha auf der Flucht vor ihrer eigenen Regierung, nachdem sie das Sokovia-Abkommen verletzt hat. Während sie untergetaucht ist, erhält sie ein Paket von Yelena, die unter ihrem eigenen erzwungenen Exil leidet, nachdem sie eine Substanz entdeckt hat, die die verbleibenden Supersoldatinnen aus ihrer mentalen Abhängigkeit befreit. Es ist ganz bewusst eine Umkehrung des Supersoldaten-Serum-Konzepts, das die Handlung von Projekten wie "The Falcon And The Winter Soldier" antrieb. Während es in den Bucky-Barnes-Geschichten oft um Ampullen ging, die aus normalen Männern Tötungsmaschinen machen konnten, geht es in "Black Widow" um Ampullen, die Tötungsmaschinen wieder in normale Frauen verwandeln können. Yelena schickt eine Kiste mit den Ampullen an ihre Schwester, wohl wissend, dass sie damit in das Safe-House in Budapest gelangen wird. Von dort aus sind sie gezwungen, Alexei, alias The Red Guardian, aus dem Gefängnis zu befreien und schließlich mit der ersten "Black Widow", die sie zu dem gemacht hat, was sie sind, Melina, wiederzuvereinen.

Wie vieles im MCU ist auch "Black Widow" auf der Seite der Bösewichte etwas dünn - ausführendes Organ ist der Taskmaster, eine Tötungsmaschine, die die Kampffähigkeiten ihres Gegners immitieren kann, und diese Szenen stechen zwar in Sachen Action heraus, aber Teilen des Films fehlt die Dringlichkeit, die ein stärkerer Gegner durchaus geboten hätte. Davon abgesehen versteht es Shortland, "Black Widow" geschmeidiger zu halten als viele andere MCU-Regisseure. Es ist ein treibenderer Film, wie man ihn oft im MCU zu sehen bekommt, der sich geschickt von einer Actionsequenz zur nächsten bewegt und nur in ein paar wenigen Szenen seinen Schwung verliert - zum Beispiel eine Szene mit einer erweiterte Familienzusammenführung und eine weitere der gesprächigsten Sequenzen der Geschichte im Finale im dritten Akt (obwohl man sich fragen darf, ob Shortland und Pearson hier nicht wieder die "Bond"-Filme parodieren mit ihrem Erbe der monologisierenden Bösewichte). Es ist nicht oft der Fall im MCU, aber das Tempo ist hier ein Vorteil, denn "Black Widow" erzählt eine relativ einfache Geschichte mit deutlich weniger Substanz als viele andere Superhelden-Streifen.

Das soll nicht heißen, dass es nicht ein paar amüsante Nebenplots für die Charaktere und einige interessante Spielereien mit diversen Themen gibt. Es gibt eine lustige Dualität in "Black Widow", die die Rückkehr zu anderen Projekten in diesem Universum interessanter machen sollte. Es greift gezielt Themen von verdeckten Regierungsprogrammen aus Projekten wie "Winter Soldier" auf und zeigt, dass die Amerikaner den Markt eben nicht in der Hand haben. Es vertieft auch Natashas lebenslangen Kampf zwischen dem Dasein als einsamer Wolf und dem Bedürfnis nach einem Rudel, mit dem sie mitlaufen kann. Es wurde viel darüber geschrieben, wie "WandaVision" frühere MCU-Projekte bereichert hat, und es gibt Elemente in "Black Widow", die dasselbe nicht nur für Johannsons frühere Projekte, sondern auch für Pughs künftige tun sollten. Es ist ein eigenständiger Film, der nicht nur in einem Vakuum existiert, sondern die Filme, in denen "Black Widow" mitspielt, aufwertet, weil sie durch diesen Film eine neue Bedeutung bekommen.

In diesem Sinne könnten Hardcore-Fans von Romanoff unglücklich darüber sein, wie viel Rampenlicht sie hier an die anderen Mitglieder ihrer Familie abtritt, insbesondere an den Red Guardian und Yelena, aber beide Schauspieler sind gut genug, dass man sich keinesfalls über sie beschweren kann. Harbours Darstellung der russischen Version von Captain America ist clever, er findet genau die richtige Balance aus Humor und Bravour - er zeigt sich eine beachtliche Bandbreite für einen Schauspieler, der das Gefühl hat, am Ende eines bemerkenswerten Jahrzehnts seiner Arbeit zu stehen. Der Film gehört jedoch wirklich Pugh, und jede einzelne Zeile in diesem Film scheint darauf ausgelegt, den Staffelstab von Johannson an Pugh weiterzureichen, was vermutlich in "Hawkeye" noch weiter gesponnen wird, ähnlich wie Captain Americas Schild von Steve Rogers an Sam Wilson überging (was die End-Credits-Szene noch einmal unterstreicht). Pugh beweist, dass sie der Herausforderung mehr als gewachsen ist und genau die richtigen Nuancen von Stärke und Verletzlichkeit findet. Sie bringt eine erstklassige MCU-Performance und ist der eigentliche Mittelpunkt des Films. 

Wie bei vielen anderen MCU-Filmen wird auch hier der dritte Akt ein wenig unübersichtlich und repetitiv, aber dann erholt sich der Film mit einer bemerkenswerten finalen Actionsequenz, in der Charaktere und Trümmer durch den Himmel rasen (eine MCU-Standardsequenz, aber Shortlands Choreografie lässt sie sich wieder frisch anfühlen). Letztendlich ist es ein Film, der auf seine eigene Art und Weise funktioniert, eine lange verzögerte Bereicherung der Geschichte einer geliebten Figur, deren ultimatives Opfer in "Avengers: Endgame" sich im Nachhinein noch mächtiger anfühlt. Jeder Blockbuster in diesem Sommer wird als Zeichen dafür angepriesen, dass die Welt wieder in Ordnung ist - "Black Widow" ist eher eine Erinnerung an das, was die Zuschauer und Fans liebten, bevor sie aus der Bahn geworfen wurde.

8/10 

Von WALT DISNEY Studios Home Entertainment gibt es den Film auch in Ultra-HD im limitierten Steelbook.

Quellen
Inhaltsangabe: Marvel / Disney

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen