Freitag, 19. Juni 2020

Orca - Orca, der Killerwal (1977)

https://www.imdb.com/title/tt0076504/

Nolan (Richard Harris) ist Kapitän eines kanadischen Walfängers und will um jeden Preis einen Orca fangen. Trotz mehrerer Warnungen fährt er mit seiner Besatzung aufs Meer. Als sie auf eine Herde von Orcas treffen, harpuniert Nolan versehentlich ein trächtiges Weibchen, welches sich im Todeskampf an der Schiffsschraube den Bauch aufreißt. Als er den Wal an Bord hebt, verliert das Weibchen ihr Ungeborenes und verendet darauf hin an den Verletzungen. Der männliche Killerwal hat alles mitangesehen und sinnt auf Rache. Als die Crew wieder an Land gehen will, terrorisiert der Orca-Bulle das kleine Fischerdorf und startet einen gnadenlosen Rachefeldzug gegen die Einwohner. Kapitän Nolan stellt sich dem Killerwal und folgt ihm ins nördliche Eismeer, wo es schließlich zur großen Abrechnung kommt...

Baujahr 1977 ist "Orca" zwar ein älterer Film - aber längst noch kein altbackener Film. Ein Schwertwal rächt sich für den Tod seiner Familie (die grausige Szene macht den Film direkt zu Beginn unvergessen) an seinen Jägern. Im Gegensatz zu "Der weiße Hai" hat der titelgebende "Orca" hier eine durchaus glaubwürdige Motivation und Grund genug, auf Mörderkurs zu gehen. "Orca, der Killerwal" ist aber auch ein Extrembeispiel für einen ziemlich ambivalenten Fall von "Geschmackssache". An diesem Werk des grundsoliden, britischen Auftrags-Regisseurs Michael Anderson streiten sich seit seiner Premiere im Jahr 1977 die Geister. Von der damaligen Kritik überwiegend mäßig aufgenommen und stark an seinen Defiziten gemessen, eroberte er sich doch eine recht beständige Fangemeinde und wird gerne genannt, wenn es um gelungene Tierhorror geht. Wenn auch nicht unbedingt im ersten Atemzug.

Mehr als die zweite Geige steht ihm definitiv auch nicht zu, dafür wird hier dann doch zu viel teils abenteuerlicher Unfug praktiziert und die Motivation dafür könnte kaum offensichtlicher sein. Zwei Jahre nachdem "Der weiße Hai" den Begriff Blockbuster kreierte, wollten es ihm viele natürlich nachtun. Ironischerweise jagt Protagonist Captain Nolan (Richard Harris) zu Beginn noch einen Hai, bis ihm und dem Publikum unmissverständlich klar gemacht wird, dass dies nur Angeln für Fortgeschrittene ist. Da wird der weiße Predator einfach mal von einem Orca überrollt und die Rangordnung im Ozean eindeutig untermauert. Was daraus resultiert, ließe sich als eine teilweise zugegeben leicht krude bis kuriose Mischung aus "Der weiße Hai" und "Moby Dick" im Genre des Stalker-Psychothrillers bezeichnen - wohlgemerkt, betrieben von einem Wal. Und deswegen werden für den sonderbaren Sachverhalt zumindest noch alle möglichen wissenschaftlichen Halbwahrheiten aus dem Hut gezaubert.


Das Duell Mensch gegen Tier ist zeitlos packend und dramatisch inszeniert. Im Angesicht all der Zerstörung der Umwelt/Mitgeschöpfe durch den Menschen ist der Streifen mit seinen kritischen Untertönen aktueller denn je. Dass die Tiergattung dabei nicht nur viel zu sehr vermenschlicht, sondern beinah zu einem evolutionär bald höheren Wesen gemacht wird, ist einer dieser Punkte warum sich bei "Orca, der Killerwal" eigentlich prima mit den Augen rollen lässt und alles Weitere theoretisch maximal nur noch als Edel-Trash kategorisiert werden müsste. Mumpitz, der öfter auch mal zu einem Schmunzeln einlädt, da er damit nie ganz offensiv umgeht. Im Umkehrschluss aber trotzdem ein recht mitreißendes, technisch bemerkenswert gut gemachtes und vor allem sehr unterhaltsames Ganzes auf die Beine stellt. Mit starken Bilder und beeindruckenden Naturaufnahmen ausgestattet, effektiv in seinen Spannungssequenzen und mit einem soliden Cast.

Angeführt von dem gewohnt wie gerade pünktlich zum Dreh aus der Kneipe gekippten Richard Harris, der diesen zerzausten und verwegenen Look bis dahin aber schon längst zu seiner Marke gemacht hatte und praktisch schon deswegen für solche Rollen besetzt wurde. Harris spielt den erst ahnungslosen und dann reumütigen, menschlichen Gegenspieler hervorragend. Die Zuschauer-Sympathien werden ständig zwischen Tier und Mensch hin- und hergerissen. Egal wie absurd manches anmuten mag, Regisseur Michael Anderson macht daraus meistens das Beste und so steht am Ende tatsächlich ein recht intensives Duell von Mensch gegen Natur, dem sogar ein zwischenmenschliches Dilemma innewohnt. Eine schicksalhafte Konfrontation zwischen Monster und ihrem "Schöpfer" - das hat sogar was von "Frankenstein". Da hat man fast schon vergessen, auf was für sonderbaren Wegen man hierher gelangt ist. Inklusive einer finalen, moralischen Konsequenz und Tragik, die nur wenige Filme dieses Subgenres überhaupt in Erwägung ziehen. Der gefühlvolle Soundtrack von Ennio Morricone tut sein Übriges. Schade nur, das die Effekte nicht immer mithalten können.

"Orca, der Killerwal" bietet einiges an Angriffsfläche, wenn man mit ihm hart ins Gericht gehen möchte. Vom sehr deutlichen Ideen-Raubbau bis hin zu dessen manchmal skurrilen Verwertung. Dennoch immer mit Leidenschaft, Talent und vor allem dem unbeirrbaren Glauben beseelt, das ein Film sich nicht zwingend an solchen Details aufhängen muss. Kein echter Hit - auch nicht in seinem von Schrott überflutetem Subgenre -, aber wenigstens dort im oberen Drittel anzusiedeln.

6,5/10

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