Samstag, 13. Juni 2020

Mission to Mars (2000)

https://www.imdb.com/title/tt0183523/

Im Jahr 2020 macht die NASA einen weiteren großen Schritt in der Geschichte der Raumfahrt. Nach jahrelanger Vorbereitung gelingt es einem Team von Astronauten unter der Leitung Commander Graham (Don Cheadle) auf dem Mars zu landen. Kurz nach dem Eintreffen auf der Oberfläche geraten Graham und seine Crew in einen zerstörerischen Sandsturm. Graham kann gerade noch ein Notsignal senden, bevor die Kommunikation abbricht. Die NASA reagiert darauf, indem sie ein Rettungsteam unter der Leitung von "Woody" Blake (Tim Robbins) zusammenstellt, der mit weiteren Astronauten (Gary Sinise, Connie Nielsen, Jerry O’Connell) zum Mars aufbrechen soll, um die Tragödie zu untersuchen und mögliche Überlebenden zu bergen. Doch auf dem Flug zum roten Planeten wird ihr Shuttle beschädigt und es kommt zur Katastrophe...

Im Kino von Brian De Palma ging es immer um die Wahrnehmung wie die Auffassungsgabe des Zuschauers und darum, wie schnell diese dann durch gewitzte Kniffe mehr oder weniger leichte Risse davon tragen kann. "Mission to Mars" wird mit einer Szene eröffnet, die in ihrer Konzeption und Absicht patentiert für De Palma scheint: Eine Rakete steigt anmutig in den Himmel empor, ein dumpfer Knall ertönt und kräuselnde Luftschlangen verteilen sich über dem Bildschirm. Von derlei wirksamer Manipulation ist De Palma im Folgenden allerdings nur noch weit entfernt, stattdessen aber entpuppt sich "Mission to Mars" als ein waschechter Blender - und das Drehbuch dreht De Palma zum ersten Mal einen Strick, weil es ihm keinerlei Chance auf ein reflexives Hintertürchen gewährt. Verschleiert als große Antiklimax, die, wie es heute mal Gang und Gäbe im Science-Fiction-Genre ist, fortwährend auf "2001" schielt, sich in Elegie situiert und doch keine adäquaten Bilder findet, die dem Weltall gerecht werden. In Szenen, die andere Regis­seure in knalliger Hektik und schnellen Schnitten verschenkt hätten, spielt De Palma mit Zeit­ver­zö­ge­rungen, dehnt die Momente ins Endlose und entfaltet einen Horror der Lang­sam­keit.

Der Rest des Films ist dem oben beschriebenen Auftakt nicht unähnlich: Pathe­tisch, zugleich ironisch, dabei von jener merk­wür­digen - unfrei­wil­ligen - Albern­heit der B-Movies aus den 50ern, bei denen ein heutiger Betrachter kaum mehr unter­scheiden kann, was damals noch ernst und bedeu­tungs­schwer gemeint war, oder schon subversiv. Um seine Zuschauer hat sich De Palma noch nie viel gekümmert. Darin ist er, genauso wie in der Absage an jeden Glaub­wür­dig­keits-Realismus europäi­schen Filme­ma­chern viel ähnlicher als seinen Lands­leuten. Noch nie hat De Palma bisher einen Science-Fiction-Film gedreht, und wenn man "Mission to Mars" gesehen hat, versteht man auch warum. Denn alle Konven­tionen des Genres inter­es­sieren den Regisseur offen­sicht­lich nicht. Vielmehr begegnet man auch hier wie in De Palmas sonstigen Filmen in erster Linie einer abstrakten Phantasie, einem Auto­ren­film voller subjek­tiver Einfälle, die nichts mit plumpen Main­stream-Phan­ta­sien a la "Arma­geddon" gemein hat.

Dabei ist die Handlung zunächst einmal ganz konven­tio­nell: Im Jahr 2020 endet der erste NASA-Marsflug in einer Kata­strophe. Ein zweites Raum­schiff soll deren myste­riöse Umstände aufklären, und mögliche Über­le­bende bergen. Doch auch diese Reise ist von Anfang an durch Pannen belastet. Richtig ärgerlich wird "Mission to Mars" allerdings erst gegen Ende, wenn das Drehbuch die Evolutionstheorie auf Links krempelt und eine ungemein reaktionäre Sichtweise propagiert. Auf dem Mars ange­kommen nimmt alles dann eine plötz­liche Wendung: Gemeinsam mit einem Über­le­benden entdeckt die Rettungs­crew, nun ja, einen weib­li­chen, offenbar Brancusi-Masken nach­emp­fun­denen Mars­men­schen, der für sie das Geheimnis der irdischen Evolution lüftet: Am Anfang war nicht das Feuer, sondern der Mars. Der weiße Mann muss entdecken (erobern), weil es seine Aufgabe ist, weil es ihm als Bestimmung im Blut liegt. Esoterischer und artifizieller Unfug, fernab von extraterrestrischen Naturalismus oder den horizonterweiternden, visionären Denkanstößen eines Stanley Kubrick.

4/10

Von FILMJUWELEN erschien der Film im limitierten Mediabook:

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