Mittwoch, 17. Juni 2020

Blue My Mind (2017)

https://www.imdb.com/title/tt6193454/

Mia (Luna Wedler) ist 15 und steckt mitten in der Pubertät. So wundert es ihre Eltern kaum, dass das Mädchen immer störrischer wird und sogar ihre biologische Verwandtschaft mit ihren Eltern anzweifelt. Doch auf die Frage, ob sie vielleicht adoptiert wurde, reagiert Mias Mutter nicht mit einer klaren Antwort, sondern ausweichend. Kein Wunder also, dass Mia sich immer mehr verunsichert fühlt, denn zusätzlich zu dem angespannten Verhältnis zu ihren Eltern und dem Umzug in eine neue Stadt muss sie noch mehr verkraften: Ihr Körper beginnt sich radikal zu verändern. Voller Angst beginnt sie, ihre ganze Existenz in Frage zu stellen und sich mit ihrer neuen Schul-Clique ins Teenager-Partyleben zu stürzen, um sich normal und angenommen zu fühlen. Doch Mia kann die erschreckenden Veränderungen ihres Körpers nicht aufhalten und verzweifelt immer mehr…

"Blue My Mind", das Langfilmregiedebüt der sonst als Darstellerin tätigen Lisa Ivana Brühlmann hinterlässt als Gewinner des Schweizer Filmpreises 2018 in den Kategorien Bester Spielfilm, Bestes Drehbuch und Beste Hauptdarstellerin definitiv für den Moment einen bleibenden, sehr positiven Eindruck und zeigt auf, wie viel Potential im europäischen Independentfilm steckt.

An natürlichen und klaren Eckpunkten des Erwachsenwerdens (Rebellion gegen Regeln, Schule und Eltern, das Betteln nach sozialer Anerkennung wider besserer Erziehung, die ersten Periode gefolgt von den ersten, nun rasant voranschreitenden, sexuellen Erfahrungen) orientiert sich der Film, während sich im Subtext bereits früh eine sonderbare Metamorphose andeutet. Kein normaler Prozess vom Mädchen zur Frau findet hier statt, obwohl "Blue My Mind" sehr gut daran tut, das nicht als reines Drama an die große Glocke zu hängen. Wer mehr erwartet als einen subversiven Coming-of-Age-Hybrid, der kann und sollte sich womöglich lieber anderweitig umsehen. Fast zaghaft, aber dennoch konstant manifestiert sich ein Cronenbergscher Body-Horror, der sich lange als reine Metapher und am Ende immer noch als ein erschütternder Kommentar über eine perspektivlose Generation deuten lässt, für die der Sprung ins kalte, trübe Wasser mehr Erlösung denn Strafe ist. In dem Vergnügen am Gleichnis und der Abstrafung eines verlotterten Zustandes – aber glücklicherweise mit einem ehrlichen Gefühl und Sympathie für seine Figuren und deren Prozesse – erzählt Lisa Ivana Brühlmann eigentlich ein "klassisches" Märchen, angepasst an die moderne Zeit und arrangiert mit ihrem narrativen Vokabular. Der einzig echte Kritikpunkt ist da noch, dass das insgesamt gekonnte Spiel von Realismus und phantastischem Element Klischees irgendwann mehr bedient, als das es sie dekonstruiert. Versehentlich, aber kaum abstreitbar. Aber im Gesamtkontext vernachlässigbar.

"Blue My Mind" ist mit enormen Engagement und viel Talent vorgetragenes, höchst interessantes und sensibles Arthouse-Genre-Kino aus dem deutschsprachigem Raum. Ästhetisch beeindruckend, aber besonders inhaltlich mit wahnsinnig viel Potential ausgestattet, bedient "Blue My Mind" sicher ein paar gängige Gepflogenheiten zu viel, aber dank seiner Kreativität, Experimentierfreude und nicht zuletzt technischen Wertigkeit ist der Film durchaus einen interessierten Blick wert.

7/10

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen