Der Barkeeper und erfolglose Londoner Musiker Jay (Mark Rylance) trifft sich einmal die Woche mit einer Affäre zum hemmungslosen Sex. Jeden Mittwoch um dieselbe Zeit kommt Claire (Kerry Fox) zu ihm Nachhause und verschwindet nach ein paar Stunden genauso schnell, wie sie gekommen ist. Für beide ist es eine Flucht aus der Realität des Alltags. Über das Privatleben des anderen wissen beide nichts, nicht einmal den Namen des Anderen. Das intime Tête-à-tête geht solange gut, bis er beginnt sich mehr für die geheimnisvolle Fremde zu interessieren: Als Claire eines Tages nicht zum gewohnten Zeitpunkt erscheint, erkennt Jay, welche Bedeutung ihre Beziehung für sein Leben gewonnen hat. Er beginnt ihr heimlich nachzustellen und findet heraus, dass sie seit vielen Jahren verheiratet ist und einen 10-jährigen Sohn hat...
"Intimacy" auf einen reinen Sexfilm zu reduzieren ist schlicht falsch. Auch wenn die Szenen, in denen Jay und Claire Sex haben sehr freizügig gefilmt sind und den 14 Jahre später erschienen "Love" ins Gedächtnis rufen, so konzentriert sich Regisseur Patrice Chéreau nur oberflächlich auf den körperlichen Akt. Natürlich - ein Film zum Glücklichfühlen, Lachen oder gar Lustig sein ist "Intimacy" natürlich nicht. Doch der Film besitzt auch einen gewissen Humor, bzw. komische Szenen. Aber es ist immer ein bitteres Lachen, welches dem Zuschauer abgerungen wird. In "Intimacy" läuft vieles schief - im positiven Sinne: Zu etwa dr Hälfte des Films, gibt es einen kurzen Moment, in dem sich die Figuren scheinbar ganz frei von Komplexen und Schuld begegenen könnten - wenn sie sich nur sehen würden. Leider aber spielen sie - wie während der ganzen Story - ein gegenseitiges Versteckspiel - auch auf der Straße. Dabei ist der Titel des Films herrlich irreführend, denn es gibt die ganze Zeit keine wirkliche Intimität. Die anonymen Treffen sind für die beiden - nicht für den Zuschauer, der allerdings auch kein Voyeur ist - sehr lustvoll. Aber beide wissen nicht, was da noch in ihren Herzen heranwächst. Sie wollen es auch nicht benennen. Oder doch? Jay möchte mehr, und kann doch nicht aus seiner Rolle, alles sofort so konkret wie möglich umzusetzen - daran wäre er schon einmal fast zerbrochen. Damals flüchtete er. Jetzt sieht er die große Chance gekommen - dieses Mal muss es funktionieren. Blöd, dass das für Claire anscheinend nicht so eindeutig ist. Bei ihr geht es auch um mehr: Um ihre Selbstdefinition als Frau und Schauspielerin. Sie ist zutiefst depremiert - verständlich, wenn die einzigen Auftritte auf einer Mini-Bühne neben den Toiletten eines Pubs stattfinden. Ihr Selbsthass geht so weit, dass sie es nicht ertragen kann, zwei Mitglieder ihres Theaterkurses leidenschaftlich eine Liebesszene spielen zu sehen.
Der Kunstgriff von Chéreau liegt darin, dass die Sexszenen für den Zuschauer als Aussenstehenden kaum etwas Erotisches haben, sehr wohl aber für das Paar. Sie machen den Zuschauer nicht zu Voyeuren, sondern zu Zuschauern - das ist ein großer Unterschied. Alle Schauspieler (inkl. des kleinen Jungen) vollbringen Höchstleistungen. Besonders erwähnt sei die unglaubliche Szene, in der Andy, nachdem er die Wahrheit erfahren hat, in der Bar aufkreuzt. Timothy Spall spielt einen Mann, der auch nicht weiß, wie er diesem Konkurrent gegenüber treten soll - und jede Provokation wegwischt. Dennoch bleibt er bestimmend - großartig! "Intimacy" - ein depressiver, harter Film, der dazu ermutigen soll, das Leben selbst in die Hand zu nehmen, und offene Signale zu senden - auch auf die Gefahr hin, missverstanden zu werden. Diese Botschaft ist gerade deswegen so stark, weil das die Figuren im Film erst zum Schluss schaffen. Doch da ist es zu spät - beide können sich von ihren Rollen nicht befreien.
8/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Studiocanal
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