Samstag, 24. April 2021

The Last King of Scotland - Der letzte König von Schottland: In den Fängen der Macht (2006)

https://www.imdb.com/title/tt0455590/

Im Jahr 1971 wird Idi Amin mit dem Versprechen Regierungschef Ugandas, seinem Volk die Macht zurückzugeben. Doch der Diktator errichtete ein Schreckensregime und brachte in seiner achtjährigen Amtszeit unzählige Menschen um. Noch heute ist es den Forschern unmöglich, die Opferzahlen zu beziffern. Amin brachte dies den Beinamen "Der Schlächter von Afrika" ein. In "Der letzte König von Schottland" spielt Forest Whitaker den grausamen Diktator. Im Mittelpunkt steht allerdings der von James McAvoy gespielte junge Arzt Nicholas Garrigan. Der will seinem vorbestimmten Leben in Schottland entfliehen und geht darum nach Uganda, wo er in der Mission von Dr. Merrit (Adam Kotz) und dessen Frau Sarah (Gillian Anderson) Arbeit findet. Schon kurze Zeit später wird Idi Amin (Forest Whitaker) durch einen von den Engländern unterstützten Militärputsch zum neuen Präsidenten. Durch Zufall kann Nicholas dem frischgekrönten Staatschef bei einem Unfall behilflich sein. Von der mutigen Art des jungen Schotten, der als einziger nicht vor ihm zu Kreuze kriecht, beeindruckt, will Amin Nicholas unbedingt als seinen Leibarzt engangieren. Von der Macht und der einnehmenden Art des Diktators eingelullt, sagt Nicholas zu. Zunächst erscheint sein neuer Job auch wirklich wie das Paradies auf Erden – riesiges Haus, spritziger Sportwagen und nebenbei leistet man ja auch Uganda noch einen großen Dienst. Doch schnell ziehen die ersten dunklen Wolken auf. Nach einem missglückten Anschlag auf Amin steigert sich dieser mehr und mehr in eine Paranoia, der Freund und Feind zum Opfer fallen... 

Regisseur Kevin Macdonald brilliert 2006 mit seinem Spielfilmdebüt "Der letzte König von Schottland" und gewährt einen erschreckenden Einblick in die grausame Diktatur des Idi Amin, der am 25. Januar 1971 in einem zuerst unblutigen Putsch die Macht ergriff, während der bis dahin amtierende Präsident Milton Obote an einer Konferenz der Commonwealth-Staaten in Singapur teilnahm. Nach wenigen Tagen "verschwanden" Intellektuelle, hohe Offiziere und Richter. Ganze Dörfer, die Obote unterstützt hatten, wurden dem Erdboden gleichgemacht und die Bewohner ermordet.  Amins Schreckensherrschaft wird geschätzten 300.000 Menschen das Leben kosten. 

Macdonald, seines Zeichens Dokumentarfilmer, erschuf mit "Der letzte König von Schottland" einen äußerst intensiven und spannenden historischen Thriller. Die britisch-deutsche Coproduktion basiert auf dem gleichnamigen Roman des englischen Autors Giles Foden und verwebt wie dieser tatsächliche historische Ereignisse mit einer fiktiven Handlung. So hat es etwa die Figur des schottischen Arztes Dr. Garrigan (James McAvoy), aus dessen Sicht auch die Geschichte erzählt wird und der ursprünglich als Entwicklungshelfer nach Uganda kommt, mehr durch Zufall ins Umfeld des Diktators gerät, sich mit diesem anfreundet und zu seinem Leibarzt und Berater aufsteigt, nie gegeben. Er ist im Grunde nur die Verkörperung mehrerer Personen, die eng mit Amin zu tun hatten. Aus seiner Perspektive verfolgt der Zuschauer die Geschehnisse von Amins Machtübernahme 1971 bis zur Geiselnahme von Entebbe im Jahr 1976, die zu Amins internationaler Ächtung und letztlich zu seinem Sturz führte. Er ist dabei so sehr vom charismatischen Präsidenten eingenommen, dass er letztlich zu spät merkt, welch grausamem Tyrannen er dient.


Verpackt in grandiosen Bildern schuf Macdonald ein schonungsloses und ungeschöntes Drama, das noch lange im Gedächtnis haften bleibt. Forest Whitaker sackte für seine Verkörperung des Idi Amin verdient den Oscar für die "Beste Hauptrolle" ein. Den unberechenbaren Widerspruch zwischen Killer und Sympathieträger verleiht er in jeder Szene Gewicht und Glaubwürdigkeit, selbst wenn beide Seiten oft nur einen Wimpernschlag voneinander entfernt liegen. Welch atemberaubende Präsenz auf der Leinwand. Sein Gegenpart James McAvoy steht dem in seiner ersten richtigen Hauptrolle allerdings in nichts nach, und stiehlt Whitaker in einigen Szenen sogar ein wenig die Show. Auch der restliche Cast ist nur zu loben. So spielt der britische Charakterdarsteller Simon McBurney einen Botschaftsangestellten, der den Protagonisten anfangs vergeblich vor Amins Gefährlichkeit warnt. "Akte-X"-Legende Gillian Anderson hat eine kleine Rolle als Missionsärztin. David Oyelowo ist als einer von Garrigans misstrauischen Kollegen zu sehen und die großartige Kerry Washington verkörpert die unter ihrem brutalen Ehemann leidende Kay Amin, die sich mit dem Hauptcharakter auf eine verhängnisvolle Affäre einlässt. Zu den Amerikanern Whitaker und Washington und dem Briten Oyelowo muss noch erwähnt werden, dass es diesen im O-Ton hervorragend gelingt, den ugandischen Akzent zu imitieren. Und im Zusammenhang damit verdienen auch ihre Synchronsprecher großes Lob, vor allem Whitakers Stammsprecher Tobias Meister, der für seine Leistung 2008 mit dem Deutscher Preis für Synchron in der Kategorie "Herausragende männliche Synchronarbeit" ausgezeichnet wurde.

Was man dem Film vorwerfen könnte, ist, dass er darin scheitert, das ganze Ausmaß von Amins Menschenrechtsverletzungen eindringlich zu vermitteln. Es ist ein Film aus westlicher Perspektive, dem es durch seine weiße, privilegierte Hauptfigur, der der Blick für die größeren gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge fehlt, an Substanz mangelt. Er funktioniert dementsprechend mehr als Charakterstudie eines Gewaltherrschers. Vermutlich sollte er aber auch nie mehr als das sein. Dadurch, dass er sich eben größtenteils auf eine einzelne Perspektive festlegt, kommen die Enthüllungen bezüglich der Säuberungsaktionen auch für den Zuschauer unvermittelt. Zwar ist an dieser erzählerischen Herangehensweise an sich nichts auszusetzen, aber dadurch, dass die betreffenden Gräueltaten mit blitzartigen Stakkatoschnitten bebildert werden, sorgen sie höchstens für einen kurzen Schock und nicht für eine längerfristige Nachwirkung. Den zivilen Opfern des Regimes wird der Film so nicht wirklich gerecht. Kay Amins (Kerry Washington) Schicksal wird dagegen eher ausgeschlachtet. Ihr Tod und die anschließende Drapierung ihrer Leiche werden hier nach dem Vorbild sensationalistischer Mythen und Gerüchte über Amins Herrschaft und Persönlichkeit inszeniert und haben nur wenig mit der historischen Wirklichkeit zu tun. Forest Whitaker äusserte sich im Making-Of des Films dazu auch eher missbilligend.

In formaler Hinsicht kann man Regisseur Kevin MacDonald jedenfalls nichts vorwerfen. Die Kamera von Anthony Dod Mantle, der häufig mit Lars von Trier, Danny Boyle und Thomas Vinterberg zusammenarbeitete, fängt schöne Ansichten der afrikanischen Natur ein und kommt nah an die Akteure, wenn diese ihre emotionalen Szenen haben. Der von indigener afrikanischer Musik beeinflusste Score von Alex Heffes, mit dem MacDonald auch davor und danach häufig zusammenarbeitete, untermalt das Geschehen passend. Macdonald gelingt es dazu, durch seine dynamische Inszenierung trotz der Laufzeit von zwei Stunden kaum Langeweile aufkommen zu lassen. Im letzten Drittel, wenn das Geiseldrama von Entebbe thematisiert wird, steigert er dazu die Spannung und kann sie bis zum intensiven Showdown auf einem sehr hohen Niveau halten.

"Der letzte König von Schottland", der in seinem Titel übrigens Bezug auf Amins Angewohnheit nimmt, sich selbst Adelstitel zu verleihen, lässt zusammenfassend zwar eine tiefer gehende Analyse der Umstände vermissen, die im postkolonialen Afrika zu Terrorherrschaften und Bürgerkriegen führten. Als Blick in die Psyche eines größenwahnsinnigen Despoten überzeugt er dagegen auf ganzer Linie, was vor allem dem großartigen Hauptdarsteller zu verdanken ist, der dafür sorgt, dass man auch als Zuschauer beinahe dem dämonischen Charme Idi Amins erliegt. Ein unbedingt empfehlenswerter und bewegender Film über ein weiteres dunkles und furchtbares Kapitel afrikanischer Geschichte.

9/10

Quellen
Inhaltsangabe:
Twentieth Century Fox
Textauszüge: Wikipedia

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