1975: Die 13 Jahre alte Christiane F. (Natja Brunkhorst) lebt zusammen mit ihrer Mutter (Christiane Lechle), ihrer Schwester und ihrem Kater in Berlin-Gropiusstadt - eine Umgebung, die durch graue Hochhäuserburgen, vollgepisste Aufzüge und mit Graffiti entstellte Wände charakterisiert wird. Christianes Vater ist über alle Berge und die Mutter hat genug mit ihrem Job und dem neuen Freund zu tun. Das Mädchen will einfach nur raus, was erleben. Die vollbusige Kessi (Daniela Jaeger), "der stärkste Typ" aus Christianes Klasse, nimmt sie mit ins Sound, Europas modernste Discothek. Dort lernt sie nicht nur Detlef (Thomas Haustein) kennen, sondern auch die Wirkung ihres ersten Trips. Nach und nach werden die "Sound-Clique" und mit ihr die Drogen zur Ersatz-Familie. Alle spritzen H (Abkürzung für Heroin), nur Christiane lässt anfänglich die Finger von dem Zeug. Doch nach einem David-Bowie-Konzert nimmt sie, schwer enttäuscht von Detlefs Zuneigung zu einer anderen, doch was - fest davon überzeugt, dass sie sich völlig unter Kontrolle hat. Der erste Schuss ist der Auftakt zu einer Abhängigkeit, die sie bis auf den Straßenstrich am Bahnhof Zoo führt...
Nach den Tonbandprotokollen einer 15jährigen entstand dieser bis ins Mark erschütternde Film. Uli Edels Film ist bei weitem nicht perfekt. Der Fokus der Story ist ausschließlich auf die im Titel verweisende Christiane F. gelegt und wie im autobiographischen Tatsachen-Roman ist Christiane im Film Hauptfigur und zugleich Erzählerin. Zu berücksichtigen ist dabei aus heutiger Sicht, das der Zeitpunkt der Erzählung stattfand, nachdem das Gerichtsurteil über Christiane F. gefällt wurde und die tatsächlichen Folgeereignisse der realen Christiane nach 1978 ausblendet. Am Ende ihrer Geschichte ist Christiane in einem Provinzkaff angelangt. Die Familie hatte sie aus dem Drogensumpf geholt und fortgeschafft. Der optimistische Abschluss sollte für die reale Christiane ein unerfülltes Versprechen bleiben.
Nüchtern und ohne Musik beginnt die Story der Christiane F.. Aus dem Off erzählt sie über die beschissenen Verhältnisse bei ihr im Block. Ihr Viertel am Rande der Stadt, war ein sozialer Brennpunkt. Als Zuschauer sieht man Berlin als eine kalte Stadt mit unschönen Betonklötzen voller Mietwohnungen. Zu einer Zeit, in der Hip-Hop im Westen noch nicht angekommen ist und die Straßen Berlins nicht mit Graffitis übersät waren. Dieses West-Berlin wirkt trübe und deprimierend. Christiane wohnte dort, kam aus zerrütteten Verhältnissen. Sie lebte in einer Welt in der Teenager sich selbst überlassen wurden, während Vati und Mutti arbeiteten. Es war nichts ungewöhnliches, wenn man mit 15 den ersten Geschlechtsverkehr hatte und sich einige daraufhin "erwachsener" vorkamen. Die Discothek SOUND stellte für das Mädchen eine Zuflucht in eine andere Welt dar. Eine verrauchte Großstadt-Disse, bei der man glaubte zu hören, trotz der Beschallung, wie die Schuhe am versifften Boden kleben blieben. Nachdem sie bereits Hasch und Alkohol konsumierte, schniefte sie nach einem David Bowie Konzert zum ersten Mal Heroin. Da war sie 13.
Für viele Zuschauer definierte der Film
bis weit in die Nachwendezeit hinein das Image Berlins. Grau, roh und
arm. Denn was man den Film ankreiden kann, das er ebenso abschreckend
wie plakativ ist. Auch agieren die Jung- und Laiendarsteller oft eher
hölzern. Auf der anderen Seite wirkt genau dieses unbeholfene Spiel, im
Kontext mit den gewählten Dialogen, für mein Empfinden glaubwürdig und
nah dran. Ebenso sehen die "Kinder vom Bahnhof Zoo" dem Spielalter
entsprechend aus. Christiane wirkt wie eine 13jährige, die sich für die
Disse aufbrezelt und verzweifelt versucht älter auszusehen. Die Kamera
bleibt am Geschehen und zeigt auch Dinge, die man eigentlich nicht sehen
möchte. Wenn Christiane die benutzte Einwegspritze in der öffentlichen
Bahnhofstoilette - genauer: im Klo - sauber macht, offenbar mit der
Absicht sie wieder zu benutzen, möchte man am liebsten weg schauen. Hier will man nicht sein. Alles ist eklig und abstoßend.
Und das war das Ziel der Autoren und der Filmemacher. Man könnte meinen,
die Moralkeule ist ein wenig überbordend. Oder der Fingerzeig manchmal
etwas zu hoch gehoben.Doch andererseits erscheint der Film auch heute, nach über 30 Jahren, noch so erschreckend real, dass er vermutlich jeden davon abhält, jemals mit solchen Drogen in Brührung zu kommen.
8/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Constantin Film
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