Donnerstag, 8. April 2021

Deutschstunde (2019)

https://www.imdb.com/title/tt7785866/

Siggi Jepsen (Tom Gronau) sitzt im Deutschland der Nachkriegszeit in einer Anstalt für schwer erziehbare Jugendliche ein. Er soll einen Aufsatz zum Thema "Die Freuden der Pflicht" schreiben, hat jedoch keine Idee. Erst als er am nächsten Tag in eine Zelle gesperrt wird, brechen die Erinnerungen an seine Kindheit während des Zweiten Weltkriegs aus ihm heraus: Sein Vater Jens Ole Jepsen (Ulrich Noethen), ein Polizist, erhielt damals den Auftrag, dem befreundeten expressionistischen Maler Max Ludwig Nansen (Tobias Moretti) ein Berufsverbot zu überbringen. Bei Nansens Überwachung sollte ihm damals Siggi (als Kind: Levi Eisenblätter) helfen, dieser rebellierte jedoch schließlich gegen seinen Vater, schlug sich auf die Seite des widerspenstigen Nansen und versteckte einige der verbotenen Bilder, was schlussendlich zu seinem Aufenthalt in der Anstalt führte...

Deutschland, 1943. Siggi Jepsen (in diesen jungen Jahren gespielt von Levi Eisenblätter) ist ein 10 jähriger Junge, der auf einer ostfriesischen Insel lebt und sich gesund entwickelt, bis das Dritte Reich seine Finger auch zu diesem entlegendsten aller Orte ausstreckt. Sein Vater, Jens Ole Jepsen (Ulrich Noethen), ist Volkpolizist, einer, der die Pflicht ernst nahm und der auch bei seinen Erziehungsmethoden nicht davor zurückschreckte Siggi das Pflichtbewusstsein einzubläuen. Siggi ist ein besonderer Junge, mit musischen Talenten und so verbringt er viel Zeit bei dem berühmten Maler Max Ludwig Nansen, der ihn auch anlernt. Das Problem ist, dass die NS-Regierung diese Kunst als entartet bewertet hat und nun Siggis Vater dafür sorgen muss, dass die Bilder beschlagnahmt werden und dem Maler das Malen verboten wird. Nansen hört trotzdem nicht auf zu malen und Siggi wird weiter angelernt. Siggi hat einen älteren Bruder der für das Vaterland dient und eine Schwester, die hin und wieder zu Besuch kommt. Aber niemand konnte damit rechnen, dass der ältere Bruder Fahnenflucht begeht. Siggi versucht den Bruder zu retten, aber auch hier kommt der Vater irgendwann dahinter, wonach er seinen eigenen Sohn den Behörden ausliefert, obwohl er weiß, dass er dafür hingerichtet werden wird.

Still, beschaulich und kontemplativ, so beginnt "Deutschstunde", der Film von Christian Schwochow, nach dem gleichnamigen Roman von Siegfried Lenz. ein wunderbar gefilmtes, atmosphärisch dichtes und kraftvolles Werk, welches genauso endet, wie es beginnt: in aller Stille. Dabei legt Schwochow viel Wert darauf, dass der Zuschauer seine Gedanken kreisen lassen kann, genau wie die kreischenden Möwen, die über der rauschenden Nordsee ihre Runden drehen. An vielen Stellen unterlegt von einem klassischen Score von Lorenz Dangel, der sich minimalistisch ins Ohr legt. Farbgebung, Filter, Format, hier passt alles so stimmig zusammen, dass einen stets das Gefühl der cineastischen Harmonie überkommt. Der Regisseur hat offenbar das richtige Händchen für die perfekten Kamerapositionen und Bildkompositionen. In jedem Fall spürt man, dass Regisseur und Drehbuchautorin Heide Schwochow, im übrigen die Mutter des Regisseurs, perfekt zusammenspielen. Schauspielerisch stechen besonders Levi Eisenblätter als der junge Siggi, Ulrich Noethen als der strenge Vater und Johanna Wokalek, als die Muse und Frau von Max Ludwig Nansen alias Tobias Moretti hervor. Moretti entwickelt sich spürbar mehr und mehr zu einem der wichtigsten deutschsprachigen Schauspieler, der sehr ernste Rollen auch glaubwürdig spielen kann. Doch auch Tom Gronau, als Insasse der Anstalt und älterer Siggi, macht einen hervorragenden Job. 

Indes ist die im Film gezeigte Pflichterfüllung des Vater ambivalent. Einerseits kann man der Ansicht sein, dass er in die Rolle des Gestapo-Polizisten gewzungen wurde, um villeicht sich und seine Familie, insbesondere Kinder, nicht zu gefährden, doch als er nach dem krieg treu seiner Pflicht unablässig nachgeht, kommen Zweifel an dieser Denkweise auf. Siggi stahl einige Kunst, um sie von seinem Vater und der Zerstörung zu retten, aber der Vater kommt ihm auf die Schliche. Er verbrennt die Bilder vor Siggis Augen mit der Begründung, dass das was einmal die auserkorene Pflicht war, immer noch wahre Pflicht sein muss. Es ist also nicht ambivalent, sondern er hasste diese Kunst schon immer, hat sich aber hinter seiner Pflicht versteckt. Doch schließlich ändern sich die Zeiten und so sind die Gestapo-Polizisten auf einmal keine Kunstzerstörer mehr, sondern sie schützen nun, als brave Polizisten, die Kunst Nansens und Vater Volkspolizist macht mit. Nur Siggi ist im Wahn gefangen, die Bilder immer noch retten zu müssen, was ihn zu einem Kunstdieb macht. Er wird festgenommen und die gleichen Polizisten die vorher für die Gestapo Menschen festnahmen, die entartete Kunst produzierten, nehmen jetzt den Jungen fest, der die gleiche Kunst gestohlen hat. Dass der Junge traumatisiert ist von den Vorgängen will niemand erkennen, aber leider ist es so. Doch es stellt sich die Frage, warum man den vater verurteilen sollte, denn so brutal wie er seinen Sohn erzieht, ist er wohl selbst erzogen worden und damals reflektierte man nicht soviel seinen Erziehungsstil oder seine eigene Prägung, man gab das weiter was man bekam, so wie es schon immer war.

Deshalb ist "Deutschstunde" eine traurige Tragödie der Unmenschlichkeit, in einer unmenschlichen Umwelt und sie zeigt, dass entgegen der landläufigen Meinung früher eben nicht alles besser war. Schon gar nicht zur zeit der Nationalsozialisten. Leider verschweigt der Film, dass der Künstler, der hier gemeint ist, Emil Nolde, begeisterter Nazi war, obwohl seine Kunst ihm verboten wurde. Ein Manko, welches aber sicher nur bei tiefgründig Geschichtsinteressierten aufstoßen dürfte.

8/10

Von CAPELIGHT PICTURES erschien der Film hierzulande in einem tollen Mediabook:

Quellen
Inhaltsangabe: Capelight
Textauszüge: Wikipedia

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