Samstag, 15. August 2020

Memento (2000)

https://www.imdb.com/title/tt0209144/

Leonard (Guy Pearce) hat sein Kurzzeitgedächtnis verloren, als er seine Frau vor einem Mordanschlag retten wollte. Seitdem muss er sich alles aufschreiben, und eine Polaroid-Kamera wird zu seinem ständigen Begleiter. Während Leonard versucht, den Mörder seiner Frau zu finden, wird in Rückblenden erzählt, wie es zu dem tragischen Unfall kam. Während eines Einbruchs in sein Haus wird der Versicherungsvertreter Leonard Shelby (Guy Pearce) niedergeschlagen. Seine Frau wird von den Einbrechern vergewaltigt und dann ermordet. Durch den Schlag auf den Kopf verliert Leonard sein Kurzzeitgedächtnis. Er weiß zwar noch, wer er ist und dass er den Täter finden und für sein Verbrechen bestrafen will, aber neue Informationen kann sein Gehirn nur für wenige Minuten speichern. Leonards einzige Hilfsmittel gegen den stetigen Gedächtnisverlust sind Polaroidbilder und Tätowierungen. Auf seiner Suche nach dem Mörder seiner Frau fotografiert er Indizien und Personen, fertigt dicke Ordner an und tätowiert sich die wichtigsten Fakten auf seinen Körper. Unterstützt wird er außerdem von dem Polizisten Teddy und der Kellnerin Natalie (Carrie-Anne Moss)...

Der zweite abendfüllende Spielfilm von Christopher Nolan ist ein ganz besonderes Stück Kino- und Filmgeschichte. Nicht nur, dass "Memento" der erste Film war, der das Konzept der stringenten Erzählweise völlig auf den Kopf stellt, er schafft es, trotz gegebener Umstände, den Zuschauer am Ende, oder am Anfang, je nachdem wie man es sieht, doch noch mit einem mehr als gelungenem Twist zu überraschen. Das Aufeinandertreffen von linearer und non-linearer Erzählstruktur macht, neben den hevorragend besetzten und agierenden Schauspielern und trotz relativ banaler Story, "Memento" so großartig. Mit der Adaption einer Kurzgeschichte seines kleinen Bruders Jonathan Nolan, die ihn aus dem Nichts für größere Aufgaben interessant machte, ist Christopher Nolan etwas gelungen, was ihm so, in dieser Form, bisher keiner nachmachen konnte und bis heute unerreicht ist. Dabei ist "Memento" alles andere als Mainstreamkino. Der Film ist mehr oder weniger genau das, was Nolan im Idealfall aufregend macht: Es ist Unterhaltungskino, aber mit Köpfchen und einem gewissen Clou, der es deutlich von der Masse abhebt.

"Memento" fordert von der ersten Sekunde an uneingeschränkte Konzentration und Aufmerksamkeit seitens des Zuschauers ein, sonst dürfte man bei der Suche von Leonard (Guy Pearce) nach dem Mörder seiner Frau schon früh den Überblick verlieren. Der Grund dafür ist so einfach wie brillant: Ein linearer Zeitstrahl, unterteilt in zwei Erzählebenen, die von den beiden Endpunkten aufeinander zulaufen. Während die in Schwarz/Weiß gehaltenen Szenen chronologisch ablaufen und Stück für Stück etwas mehr über die Hintergründe des mysteriösen Puzzles preisgeben, bewegt sich der eigentliche Plot rückwärts. So beginnt der Film am tatsächlichen Ende und und arbeitet sich zum beginn der Geschichte vor, was das Publikum in die gleiche Lage befördert wie den oftmals irritierten Protagonisten. Ohne Anhaltspunkte wird man in eine Szene geschleudert und muss nur damit interagieren, was sich fix aus dem Zusammenhang erschließen lässt oder was einem aufgrund der akribischen Dokumentation von Lenny als loser, roter Faden dient. Dank beschrifteten Polaroids und Tattoos für besonders wichtige Infos am eigenen Körper, versucht dieser sich zu orientieren und letztlich muss es ihm der Zuschauer gleichtun, da ihm jeglicher Wissensvorsprung ebenso fehlt. Nur wann sind Fakten echte Fakten? Weil sie in einem Moment der absoluten Überzeugung unter die Haut gestochen wurden?

Kritisch betrachtet könnte "Memento" als banale Rachestory beurteilt werden, der nur aufgrund seiner Vorgehensweise funktioniert. Ganz falsch wäre das natürlich nicht, denn der Reiz liegt eindeutig am narrativen Konzept, was eine ansonsten vermutlich nicht sonderlich aufsehenerregende Geschichte massiv aufwertet. Da lässt sich auch vergessen, dass "Memento" seiner eigentlich tief tragischen, emotionalen Wucht gar nicht genügend Bühne bietet, weil sich alles dem narrativen Gerüst unterordnen muss. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass der Film seine ganze Wucht nur bei der Erstsichtung ausspielen kann. Er bleibt auch bei der zweiten oder dritten Betrachtung genial, doch die Überraschung fehlt. Doch das geht vielen Filmen so und soll hier keinesfalls als Negativpunkt aufgenommen werden. In "Memento" führt eines zum anderen - nur anders herum. Eine raffinierte Seherfahrung, kreativ und intelligent umgesetzt, dazu bereits hier von hoher, fachlicher Kompetenz gekennzeichnet. "Memento" ist das erste Meisterwerk eines inzwischen mehr als relevanten Regisseurs. Grandios.

9/10

Quellen
Inhaltsangabe: Columbia TriStar Pictures

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