https://www.imdb.com/title/tt2764784/
Nelly (Nina Hoss) wird von allen für tot gehalten, doch sie hat
Auschwitz überlebt. Wie ein Phönix aus der Asche erlangt sie im Juni
1945 wieder das Bewusstsein. Lene (Nina Kunzendorf), Mitarbeiterin der
Jewish Agency und alte Freundin, bringt die Verletzte in die frühere
Heimat Berlin. Dort wird Nelly am Gesicht operiert. Lene will mit ihr
nach Palästina auswandern, aber Nelly zieht es vor, nach ihrem
nichtjüdischen Ehemann Johnny (Ronald Zehrfeld) zu suchen. Tatsächlich
findet sie ihn schon bald, doch er er erkennt Nelly nicht wieder. Er
fühlt sich aber an seine Gemahlin erinnert und schlägt der ihm
Unbekannten vor, in die Rolle seiner Frau zu schlüpfen, um an das Erbe
ihrer im Holocaust ermordeten Familie zu kommen. Die Heimkehrerin
willigt ein und verkörpert von nun an ihre eigene Doppelgängerin. Die
Situation spitzt sich zu...
Das deutsche Nachkriegskino ist irgendwie die Achillesferse der hiesigen
Filmlandschaft. Warum? Es sind die immer gleichen Themen und Bilder in tristem grau,
zerstörte Häuserfronten, Kriegswaisen, ausgemergelte Körper, traumatische Flashbacks.
Doch Regisseur Christian Petzold verweigert sich dieser einseitigen Bebilderung der Nachkriegszeit konsequent, auch
wenn man seine zurückhaltende, aber sehr präzise Inszenierung
fälschlicherweise mit deutscher Fernsehfilmoptik verwechseln könnte. Er
unterwandert sehr gekonnt den gängigen Vorgaben solcher Produktionen und es
dauert lange, bis die ersten Aufnahmen von Trümmern ins
Blickfeld rücken. Doch selbst in diesen Momenten dominieren sie nicht das
Bild, sondern treten in Wechselwirkung mit deutlich unverbrauchteren
Motiven auf. So verströmt ein rotlichtgeschwängerter Nachtclub eine fast
schon lebhaft-pulsierende Atmosphäre und überhaupt offenbaren sich in der
Arbeit mit Licht und Schatten diverse Anleihen an eine Film Noir
Stilistik (die Ähnlichkeiten zu Hitchcocks "Vertigo" sollten darüber
hinaus ohnehin jedem Zuschauer ins Auge stechen). Das ist erfrischend,
noch interessanter wird "Phoenix" jedoch auf der inhaltlichen Ebene.
Thematisch nutzt Petzold die Aufarbeitung des Kriegstraumas nämlich zur
Reflektion über Identität und Verdrängung. Doch die eigentliche Filmidee fußt auf einer sehr wackeligen Prämisse - denn das Johnny seine Ehefrau Nelly trotz verändertem Gesicht nicht wiedererkennen soll, ist schon beinahe zu sehr an den Haaren herbeigezogen. Das nimmt dem Drama anfänglich etwas den Nährboden und sogar beinahe das Interesse, ist man nicht fähig, hinter die Kulisse zu blicken. Denn was man als Logikfehler
abtun könnte, ist in Wirklichkeit eben nur das Symptom eines Verdrängungswahns,
der krampfhaftem Sehnsucht danach, das Vergangene zu vergessen. So
zumindest bei Johnny, während Nelly unentwegt daran interessiert ist,
die Vergangenheit bewusst aufzuarbeiten. Immer wieder klammert sie sich
an frühere Zeiten, hält bis zum intensiven und zu Tränen rührenden Finale daran fest, bis sie
sich schließlich davon lösen kann. Sehr empfehlenswert.
8/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Indigo / Pfiff medien GmbH
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