Mittwoch, 19. August 2020

Phoenix (2014)

https://www.imdb.com/title/tt2764784/

Nelly (Nina Hoss) wird von allen für tot gehalten, doch sie hat Auschwitz überlebt. Wie ein Phönix aus der Asche erlangt sie im Juni 1945 wieder das Bewusstsein. Lene (Nina Kunzendorf), Mitarbeiterin der Jewish Agency und alte Freundin, bringt die Verletzte in die frühere Heimat Berlin. Dort wird Nelly am Gesicht operiert. Lene will mit ihr nach Palästina auswandern, aber Nelly zieht es vor, nach ihrem nichtjüdischen Ehemann Johnny (Ronald Zehrfeld) zu suchen. Tatsächlich findet sie ihn schon bald, doch er er erkennt Nelly nicht wieder. Er fühlt sich aber an seine Gemahlin erinnert und schlägt der ihm Unbekannten vor, in die Rolle seiner Frau zu schlüpfen, um an das Erbe ihrer im Holocaust ermordeten Familie zu kommen. Die Heimkehrerin willigt ein und verkörpert von nun an ihre eigene Doppelgängerin. Die Situation spitzt sich zu...

Das deutsche Nachkriegskino ist irgendwie die Achillesferse der hiesigen Filmlandschaft. Warum? Es sind die immer gleichen Themen und Bilder in tristem grau, zerstörte Häuserfronten, Kriegswaisen, ausgemergelte Körper, traumatische Flashbacks. Doch Regisseur Christian Petzold verweigert sich dieser einseitigen Bebilderung der Nachkriegszeit konsequent, auch wenn man seine zurückhaltende, aber sehr präzise Inszenierung fälschlicherweise mit deutscher Fernsehfilmoptik verwechseln könnte. Er unterwandert sehr gekonnt den gängigen Vorgaben solcher Produktionen und es dauert lange, bis die ersten Aufnahmen von Trümmern ins Blickfeld rücken. Doch selbst in diesen Momenten dominieren sie nicht das Bild, sondern treten in Wechselwirkung mit deutlich unverbrauchteren Motiven auf. So verströmt ein rotlichtgeschwängerter Nachtclub eine fast schon lebhaft-pulsierende Atmosphäre und überhaupt offenbaren sich in der Arbeit mit Licht und Schatten diverse Anleihen an eine Film Noir Stilistik (die Ähnlichkeiten zu Hitchcocks "Vertigo" sollten darüber hinaus ohnehin jedem Zuschauer ins Auge stechen). Das ist erfrischend, noch interessanter wird "Phoenix" jedoch auf der inhaltlichen Ebene. Thematisch nutzt Petzold die Aufarbeitung des Kriegstraumas nämlich zur Reflektion über Identität und Verdrängung. Doch die eigentliche Filmidee fußt auf einer sehr wackeligen Prämisse - denn das Johnny seine Ehefrau Nelly trotz verändertem Gesicht nicht wiedererkennen soll, ist schon beinahe zu sehr an den Haaren herbeigezogen. Das nimmt dem Drama anfänglich etwas den Nährboden und sogar beinahe das Interesse, ist man nicht fähig, hinter die Kulisse zu blicken. Denn was man als Logikfehler abtun könnte, ist in Wirklichkeit eben nur das Symptom eines Verdrängungswahns, der krampfhaftem Sehnsucht danach, das Vergangene zu vergessen. So zumindest bei Johnny, während Nelly unentwegt daran interessiert ist, die Vergangenheit bewusst aufzuarbeiten. Immer wieder klammert sie sich an frühere Zeiten, hält bis zum intensiven und zu Tränen rührenden Finale daran fest, bis sie sich schließlich davon lösen kann. Sehr empfehlenswert.

8/10

Quellen
Inhaltsangabe: Indigo / Pfiff medien GmbH

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