Jeder träumt davon, jemand anderes zu sein, aber für Claire (Najarra Townsend) wird dieser Traum von einer Besessenheit zu einem lebenden Albtraum. Ihr Job als Friseurin erlaubt es ihr, sich in die Welten anderer Menschen hinein- und wieder herauszubewegen, aber wenn die richtige Zielperson auf ihrem Stuhl sitzt, tut sie mehr als nur das Leben des Kunden zu beobachten - sie beendet es und behält ein dauerhaftes Andenken daran. Claires einsames Leben, ihre akribische Methode und ihre schockierenden Geheimnisse werden plötzlich in Aufruhr versetzt, als ihre Stammkundin Olivia (Brea Grant) sie bittet, ihr die Haare für ihre Hochzeit zu stylen.
"The Stylist" ist ein seltsamer Film. Gevargizian und die Co-Autoren Eric Havens und Eric Stolze scheinen mehr daran interessiert zu sein, die Bande der weiblichen Freundschaft auszuloten, als eine wirklich gruselige Geschichte zu entwickeln. Das soll nicht heißen, dass der Film nicht schockierend, blutig und spannend ist. Vor allem die erste Skalpierung ist extrem und klingt auch noch grausam. Es dauert auch eine ganze Weile, bis sie vollendet ist. Und sie ist anstrengend, was den Zuschauer aber seltsamerweise von Anfang an auf Claires Seite stellt. Sicher, sie ist eine Mörderin, aber die Frau hat irgendwie Talent. Als Figur ist Claire ein faszinierender Widerspruch; konventionell hübsch, schlank, erfolgreich, weiß, nach außen hin normal und angepasst, aber mit einem unergründlichen Kern. Es ist aufregend, einmal eine Frau in der Rolle des Raubtiers zu sehen, die sich durch die Stadt (Kansas City, wunderschön fotografiert ist) schleicht und in ihrem Auto darauf wartet, zuzuschlagen. Parallelen zu "Maniac" schleichen sich ein. Obwohl Claire eindeutig gefährlich ist, spielt "The Stylist" bis zu den schockierenden letzten Momenten mit der Frage, ob sie sich gegen Olivia wenden wird, mit einem eindringlichen Bild, das einem das Blut in den Adern gefrieren lässt, auch wenn es irgendwie unvermeidlich erscheint.Bei einem Titel wie "The Stylist" ist Styling alles, und Gevargizian zieht alle Register, von der akribischen Anordnung eines Friseursets, das plötzlich unheimlich wirkt, bis hin zu Claires Garderobe aus gelben Vintage-Kleidern und Kniestrümpfen, die perfekt zu ihrer blassen Haut und ihrem rothaarigen Haar passen. Die Regisseurin hat einen witzigen Cameo-Auftritt - und eine ebenso grausame Todesszene. "The Stylist" ist im Wesentlichen ein Zwei-Personen-Film, in dem sich Townsend und Grant die Hauptrolle teilen, wie ein Split-Screen zeigt, in dem ihre sehr unterschiedlichen morgendlichen Routinen zu sehen sind. Beide Schauspielerinnen machen ihre Sache gut, Townsend deutet Claires innere Unruhe an, einen Cocktail aus Angst, Neid und geringem Selbstwertgefühl, der unter der Oberfläche brodelt, mit einem einfachen Wimpernschlag oder indem sie ein Stück Pizza isst und dabei wie verrückt lacht. In dieser Frau, die nach außen hin völlig gelassen wirkt, tobt ein Krieg, aber Townsend dreht nie völlig durch, selbst dann nicht, wenn die Wut, die Claire bisher unterdrückt hat, schließlich ausbricht. Grant, zuverlässig wie immer, spielt Olivia weder als Schwächling noch als Schlampe. Ihr Leben scheint erstrebenswert zu sein, aber es ist nicht perfekt, trotz Claires Beobachtungen. Der springende Punkt ist die Frage, wie gut man sein Gegenüber wirklich kennt, denn Olivia sieht die Warnzeichen und beherzigt sie, während sie gleichzeitig Claires Hilfe will und entgegen aller Anzeichen hofft, dass sie in der Zwischenzeit nicht ausflippt. Olivia ist schon seit Jahren Claires Kundin, aber sie hat keine Ahnung, wozu diese Frau wirklich fähig ist.
"The Stylist" ist der jüngste in einer langen Reihe von Horrorfilmen mit Frauen an der Spitze, bei denen auch Frauen hinter der Kamera arbeiten. Alle diese Filme sind sehr unterschiedlich und haben ihre eigenen Stärken und Schwächen, aber was sie gemeinsam haben, ist das Engagement, Geschichten zu erzählen, die lange Zeit auf der Strecke geblieben sind. Gevargizians Film ist ein weiterer Beweis dafür, dass Horror am spannendsten ist, wenn er mal aus anderer Perspektive erzählt wird. Wäre er nur ein wenig kürzer geraten.
5/10
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