Tasya Vos (Andrea Riseborough) ist eine Agentin einer Firma, die mit Hilfe der Hirnimplantat-Technologie in die Körper anderer Menschen eindringt und sie zu Morden zum Wohle der Auftraggeber treibt. Obwohl sie eine besondere Begabung für diese Arbeit hat, haben ihre Erfahrungen in diesen Jobs eine dramatische Veränderung in ihr bewirkt, und in ihrem eigenen Leben kämpft sie damit, gewalttätige Erinnerungen und Triebe zu unterdrücken. Mit zunehmender psychischer Belastung beginnt sie, die Kontrolle zu verlieren, und ihr nächster Auftrag läuft nicht wie geplant: Als Colin (Christopher Abbott) soll sie Colins Frau Ava (Tuppence Middleton) und deren Vater, den Technologie-Unternehmer John Parse (Sean Bean) töten...
Von der ersten Sekunde an merkt man "Possessor" an, aus welchem Haus, bzw. welcher Feder er stammt. Er stammen müsste, denn bei dem Regisseur und Autor Brandon Cronenberg handelt es sich um den Sohn von David Cronenberg, der nun in dieselben Fußstapfen tritt, die sein Vater seit mehr als 40 Jahren in der Filmbranche hinterlässt. "Possessor" dürfte dem Senior gefallen. Er ist von Beginn an dystopisch, stylisch, mystisch, verworren, faszinierend, bösartig und vor allem extrem blutig. Gerade retrospektiv ist diese fiese Mischung aus Psychothriller, düsterer Science-Fiction und etwas Bodyhorror keine leichte Kost. Ein kompromissloser, zynischer Film über Figuren, die die Kontrolle verlieren, Menschen mit niederen Beweggründen und einer beeindruckenden Herzlosigkeit. Die kalte Inszenierung, die teils langen und steril wirkenden Szenen, der sparsame Einsatz von Musik und das wirre Spiel mit Farben und Bildern machen aus "Possessor" einen keineswegs alltäglichen, aber auch etwas anstrengenden Film. Etwas anderes assoziiert man mit dem Namen Cronenberg aber auch nicht. Allein die Auftaktsequenz: Ein Close-Up auf einen Hinterkopf, eine dicke Nadel dringt kurz und schnell in weiches Fleisch ein. Warmes Blut sprudelt hervor, Menschen schreien in Panik. Noch mehr Stiche, schließlich Schüsse. Trotz dieses Einstieges und weiteren Szenen findet grafische Gewalt in "Possessor" nur punktuell und sehr pointiert statt, doch wenn, dann überaus drastisch und schmerzhaft. Nur schwer zu ertragen, aber nie selbstzweckhaft inszeniert oder gar voyeuristisch angelegt, sondern immer glaubhaft in den Kontext der Handlung eingebunden. Es ist schon faszinierend zu sehen, dass im Genrekino durch das Zerstören und Aufbrechen eines menschlichen Körpers mehr über gesellschaftspolitische Schieflagen erzählt werden kann, als durch so manche wohl formulierte Wortkaskade. Überhaupt lässt "Possessor" diverse Deutungsebenen zu und jongliert zugleich mit verschiedensten Ideen, Motiven und Themen. Manipulation und Paranoia. Befreiung und Unterwerfung. Kontrolle, deren Verlust und der Kampf darum. Die Beschaffenheit von Identität. Die Grenzen des menschlichen Bewusstseins und deren Auflösung, des Körpers sowieso. Der moderne Kapitalismus und dessen übergriffige Ausdehnungen in jeden noch so kleinen Lebensbereich. Folgen fortschreitender Digitalisierung. Selbst das wirtschaftliche Konzept einer feindlichen Übernahme wird ihm Rahmen des Drehbuches in eine ganz neue Richtung gedacht.Und über all dem schwebt die geradezu geisterhafte Erscheinung von Andrea Riseborough, die in ihrer Rolle der Tasya Vos eine unglaublich starke Performance abliefert. Buchstäblich immer mehr zerrissen zwischen Arbeit und Familie verschwimmen die Grenzen ihrer Persönlichkeit zunehmend. Sich immer mehr in einen Strudel aus Exzess und Gewalt verlierend, kulminiert "Possessor" in einem brillant eingefädelten Schlusspunkt, welcher niederschmetternder kaum sein könnte. Die Kamera von Karim Hussain arbeitet viel mit Farben und Licht und vermag immer wieder Bilder und Einstellungen zu finden, welche ganz hervorragend die inhaltliche Ebene aufgreifen und mit ihr spielen. Besonders die Transformations-Szenen bestechen durch enorme Kreativität und das Verschwimmen der Realitäten ist durch unscharfe, verwischte Bilder eindrucksvoll in Szene gesetzt. Das alles in Kombination mit den düsteren, sphärischen Klängen von Jim Williams und einem ausgefeilten Sounddesign (u.a. mit Stücken von The Notwist und Lykke Li) lassen eine einnehmende, geradezu soghafte Atmosphäre entstehen.Brandon Cronenberg macht es dem geneigten Zuschauer nun wahrlich nicht einfach. "Possessor" ist sperriges, forderndes und zuweilen verstörendes wie gleichermaßen kluges und wunderschönes Genrekino. Manchmal pulsierend warm, dann wieder eisig beklemmend. Mehr intensive Erfahrung als Vergnügen. Blut und Schmetterlinge, miteinander verschmolzene Psychen und aufgebrochene Körper.
8/10
Von TURBINE Medien kommt der Film im limitierten Mediabook auf Blu-ray.
Quellen:
Inhaltsangabe: Turbine / MGM
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