Donnerstag, 2. Dezember 2021

The Wind (2018)

https://www.imdb.com/title/tt8426594/

Der Wilde Westen im späten 19. Jahrhundert: Das ebenso harte wie einsame Leben im amerikanischen Ödland treibt Lizzy Macklin (Caitlin Gerard) langsam aber sicher in den Wahnsinn. Und dann ist da auch noch dieser unaufhörliche Wind, der über die weiten Felder fegt und ihrem trauten Heim Leben einzuhauchen scheint. Die Dielen knarren und die Fenster schlagen auf und zu, doch schon bald beginnt Lizzy hinter dem unentwegten Gebläse mehr zu vermuten als bloß eine frische Brise. Hat die plötzlich auftauchende dämonische Präsenz, die sie verfolgt, vielleicht etwas mit dem Ehepaar zu tun, das vor Kurzem in ihre Nähe gezogen ist? Wahn und Wirklichkeit verschwimmen für Lizzy zunehmend...

In den 1800er Jahren wurde frühen Aussiedlern ein Stück Land (ca. 65 ha) in der Prärie vertraglich zugesichert. Einzige Bedingung war, dass sie es innerhalb von fünf Jahren zu einem fruchtbaren, ertragreichen Landstück umbauen würden. Unter diesen Aussiedlern kam es immer häufiger zur sogenannten "prairie madness"; Zu einer starken Depression wie auch zu weiteren Wesensveränderungen, wie Wahnvorstellungen und Aggressivität. Ursache: Isolation und Einsamkeit. Auch für Lizzy spielt das Thema "Einsamkeit" eine große Rolle. Damit ist "The Wind" ein Gruseldrama, welches sich an historischen Phänomenen orientiert und diese ganz Filmtypisch auf die Spitze treibt. 

Die ersten Filmminuten von "The Wind" wecken Erinnerungen an den großartigen Western-Klassiker "Spiel mir das Lied vom Tod": Einsamkeit, absolute Stille, Nahaufnahmen von Gesichtern, eine unwirtliche Gegend, die damit verbundenen Gefahren und eine gewisse mentale Verletzlichkeit – keine gute Mischung für ein Leben, für das nicht allzu viele Leute prädestiniert sein dürften. Und so ist es auch kein Wunder, dass sich die damit verbundenen Dämonen schleichend, aber unaufhaltsam immer tiefer in die Seele der Protagonistin fressen. Auf clevere Weise nimmt das Drehbuch auch den Zuschauer mit in die einsame Hütte im Nirgendwo, in dem es verschiedene "Dämonen" präsentiert, die indirekt auch die Seh-Erfahrung des Publikums betreffen: Das zeitliche Gefüge gerät durcheinander, Realität und Fiktion bzw. Wahnvorstellung werden sowohl für die Protagonistin als auch für das Publikum zunehmend schwerer unterscheidbar. 

Man merkt, dass sich zwei weibliche Wesen für Regie und Drehbuch verantwortlich zeigen, denn es wird vornehmlich mit Emotionen und psychischen Leiden gespielt, mit der sich eine Frau im damaligen Zeitalter konfrontiert gesehen haben muss: Eifersucht, Angst, Einsamkeit, Trauer, Hilflosigkeit und Depression sind in den 86 Minuten allgegenwärtig. Es geht um Fehlgeburten, um Untreue... es geht darum, im Alltag in der Prärie auf sich allein gestellt zu sein, während sich der Ehemann auf einem mehrtätigen "Ausritt" befindet. Regisseurin Emma Tammi punktet über weite Strecken mit einem guten Auge für Einzelheiten. Die Darsteller wirken weitgehend unverbraucht, auch wenn die vier jungen Leute bereits in anderen Horrorproduktionen zu sehen waren. Besondere Erwähnung verdient ansonsten noch die Kameraarbeit von Lyn Moncrief, der Lizzys subjektiven Schrecken auch für die Zuschauer erlebbar macht. Wie soll diese brüchige Holzhütte einem stärkeren Sturm standhalten? Wer soll den Bewohnern bei einem Bedrohung durch Eindringlinge zu Hilfe eilen? Wie können sie bei einem medizinischen Notfall verfahren? Und wo soll man sich vor Dämonen, die dem eigenen Inneren entspringen, verstecken? In der offenen Prärie? Im Inneren der Hütte, die im Prinzip nur einem einzigen Raum besteht? Auf den ersten Blick zwar vielleicht banale Fragen, aber für die Bewohner sicher nicht minder belastend. Der alltägliche Horror kommt eben gerne auch mal auf eher leisen Sohlen daher.

Ähnlich wie in "The VVitch" wird tatsächlicher Horror eher sporadisch, subtil eingestreut, Szenen der Gewalt gibt es kaum. Langsam und bedächtig geht dieses wunderbar inszenierte Horrordrama vorwärts, das diverse Westernelemente aus einer konsequent weiblichen Perspektive aufgreift. Auf den ersten Blick kommt "The Wind" etwas unscheinbar daher, doch es werden auch einige durchaus interessante Gedanken über die Verletzlichkeit und Fragilität der menschlichen Psyche aufgeworfen. Der Wind innerhalb der Handlung steht hier aber weniger für eine positiv konnotierte Erneuerung, sondern strahlt trotz aller Eintönigkeit auch ein gewisses Gefahrenpotential aus. Nicht immer ist klar, was sich hinter den Biegungen am Horizont befinden könnte. Und doch ist vieles subjektiv. Ob die Ziege ein harmloses Nutztier ist oder vielleicht doch ein Abgesandter des Leibhaftigen, liegt eben oftmals (wenn auch nicht ausschließlich) auch im Auge des Betrachters. Wer hier einen Jumpscare-besiedelten Horrorschocker erwartet, der wird enttäuscht werden. Wer jedoch Gruselfilme der ruhigeren Gangart schätzt, der findet in "The Wind" einen Titel, der gut zu unterhalten weiß. 

7,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: I-ON New Media 

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