Samstag, 22. Januar 2022

You Were Never Really Here - A Beautiful Day (2017)

https://www.imdb.com/title/tt5742374/

Kriegsveteran und Ex-FBI-Agent Joe (Joaquin Phoenix) haut beruflich Mädchenhändlern auf die Schnauze. Gegen Geld rettet der grobschlächtige Hüne Frauen aus organisierten Sexringen. Wie eine unaufhaltsame Ein-Mann-Armee fällt er in die Verstecke der Kriminellen ein und drischt diese tot, sollten sie versuchen, ihn aufzuhalten. Gegen Aufpreis lässt er die Perversen manchmal sogar ein bisschen leiden. Privat legt Joe allerdings ganz andere Saiten auf. Der Schläger kümmert sich hingebungsvoll um seine senile Mutter, die er so gut es geht betreut und mit der er zusammenwohnt. Seine nächste Mission lautet, Nina (Ekaterina Samsonov), die Tochter des mitten im Wahlkampf steckenden Senators Votto (Alex Manette), aus den Klauen der Menschenschieber befreien. Doch der Auftrag läuft aus dem Ruder und schon bald deutet sich eine Verschwörung im Hintergrund an... 

Gewohnt keine leichte Kost, die Lynne Ramsay ("We Need to Talk About Kevin") hier zeigt und alles andere als ein normaler Rachefilm, denn wer Action und befriedigende Selbstjustiz erwartet, wird hier definitiv nicht glücklich. Es geht in "You Were Never Really Here" (oder der seltsame deutsche Titel "A Beautiful Day") eher um die Charakterstudie eines Mannes, der innerlich mit seinen Dämonen zu kämpfen und nach außen mit der Welt wohl abgeschlossen hat, aber für gutes Geld Aufträge erledigt sowie entführte Mädchen aus den Fängen von Kinderhändlern befreit. Irgendwo zwischen hartem Thriller und düsterem Drama irrt "You Were Never Really Here" immerzu hin und her, lediglich unterbrochen durch fragmentarisch aufblitzende Erinnerungsfetzen aus Joes kaputtem Geist und dessen ganz eigenem Wahnsinn. Auf der erzählerischen Ebene ist ihre vierte Regiearbeit stark elliptisch angelegt und arbeitet sehr viel mit Auslassungen, doch auf der visuellen Ebene entwickelt ihr Film eine schier unglaubliche, manchmal geradezu poetische Strahlkraft.

"You Were Never Really Here" ist ziemlich harter Stoff und nicht auf wirkliche Unterhaltung ausgelegt. Ein total kaputter, aber hervorragender Joaquin Phoenix und der herrlich elektronisch schwebende, immer wieder in sich kollabierende Score aus der Feder des Radiohead-Gitarristen Jonny Greenwood vermag die Bilderflut brillant zu unterstreichen und geht Hand in Hand mit einem schneidenden, sägenden Sounddesign, während das alles von einem rhythmisch herausragenden Schnitt und einer pointierten Kamera zusammen gehalten wird, sind die größten Stärken, der Rest was Dialoge und Handlung angeht, ist auf das allernötigste runtergebrochen. Zudem verweigert Ramsay den Blick auf explizite Gewalt und deutet diese fast immer nur an. Das sorgt trotzdem, auch dank der durchgehend düsteren und teils auch melancholischen Atmosphäre, für verstörende Einstellungen und Bilder. 

So unangenehm der Film in seiner Darstellung auch ist, die gewollt unkonventionelle und schleppende Inszenierung lässt den Zuschauer merkwürdig kalt. Ein richtig packender Sog entsteht leider nur in wenigen Momenten, die Rückblenden und Erklärungen hätte es außerdem nicht gebraucht. Das Ende hinterlässt zwar ein mulmiges Gefühl, ein noch wirkungsvollerer und mutigeren Punch wäre allerdings noch effektiver gewesen, so dass doch nur eine seltsame Leere im Raum zurückbleibt. "You Were Never Really Here" ist abgründig und audiovisuell ausgezeichnet mit einem starken Hauptdarsteller, bietet aber inhaltlich und von der Tiefe nichts, um zu einen besonderen Film zu werden und zum ""Taxi Driver" des 21. Jahrhunderts" (so der Klappentext) erst recht nicht.

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: Constantin Film

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