Samstag, 15. Januar 2022

Mank (2020)

https://www.imdb.com/title/tt10618286/

1940 verkriecht sich Herman J. Mankiewicz (Gary Oldman) auf einer abgelegenen Ranch in der Mojave Wüste. Der nach einem Unfall auf Krücken angewiesene, schwer alkoholkranke Autor soll dort für das Regie-Debüt des neuen Hollywood-Wunderkinds Orson Welles (Tom Burke) in nur 60 Tagen das Skript schreiben - unterstützt von der britischen Schreibkraft Rita (Lily Collins) und der deutschen Krankenschwester Freda (Monika Gossmann). In dem Film geht es um einen reichen Zeitungsmagnaten, einen Menschen wie William Randolph Hearst (Charles Dance), den Mankiewicz 1930 kennenlernte, mit dem er sich anfreundete und schließlich nach turbulenten Jahren entzweite. So wird "Citizen Kane" zur ganz persönlichen Abrechnung mit Hearst... aber auch mit einem anti-liberalen Hollywood...

Nach einem Drehbuch seines Vaters Jack Fincher schuf David Fincher den Film "Mank", eine Herzensangelegenheit Finchers, der von Netflix produziert wurde und in einem schwarz-weißen Retro-Gewand die Entstehung des Drehbuchs zu einem der größten Filme der Filmgeschichte - "Citizen Kane" von 1941 - erzählt und "Mank" erweist sich auch als stark stilisierte und akribisch durchgeplante Replik auf Orson Welles Klassiker. Replik in zweifacher Hinsicht: Denn einerseits bildet das Drehbuch die schneckenartige Struktur des Originals (mit allen Zeitsprüngen und Verwebungen der Erzählebenen) nach und erzählt auch diverse Geschehnisse erneut - jedoch zumeist aus einem anderen Blickwinkel und vor allem mit einer anderen Akzentuierung. Viele der Szenen wirken, als wollten David Fincher und sein Drehbuchautor, sein Vater (nebenbei bemerkt eine weitere Doppelung zu den Brüdern Herman J. und Joseph L. Mankiewicz, ihres Zeichens ebenfalls Autor und Regisseur - wobei in deren Fall natürlich keine gemeinsamen Arbeiten an "Citizen Kane" verbrieft sind) ergänzende Kommentare zur filmischen Biographie über William Randolph Hearst von 1941 hinzufügen. Ganz besonders die Dialogregie wirkt dabei enorm gewitzt und glänzt mit einer schieren Unzahl an pointierten Bemerkungen und Lebensweisheiten, für deren Verarbeitung im Stakkato der Dialoge oftmals nur wenige Augenblicke Zeit bleiben. Eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Inhalt erfordert daher nicht nur höchste Aufmerksamkeit, sondern vermutlich auch eine wiederholte Sichtung - oder zumindest eine gelegentliche Unterbrechung zur Sortierung der eigenen Gedanken. Denn hier werden derart viele Andeutungen und Anregungen zu weiterführenden Gedanken ausgestreut, dass nur wenige Zuschauer alle dieser Ideen nach der Sichtung noch im Kopf haben dürften.

Grundsätzlich ist die Frage ist natürlich gerechtfertigt, für welche Zielgruppe "Mank" gedreht wurde. Der Film ist ein Brett, ein sehr persönliches Projekt von David Fincher. Dem war es wohl schnuppe, wie ratlos der Betrachter in seinem Sessel zurücksinkt. Es wäre schön gewesen, zumindest ein paar mehr Erläuterungen einzubauen, zu den Figuren und zum damaligen politischen Tagesgeschäft in den USA. Dass sich die Handlung über einen Zeitraum von etwa einem Jahrzehnt abspielt, mit den entsprechenden politischen Entwicklungen, macht es nicht einfacher. Da bleibt man als Zuschauer in weiten Teilen auf sich alleine gestellt, was schade ist, denn dieser großartig fotografierte und gespielte Film, mit dieser Liebe zur Filmkunst, hätte ein größeres Publikum verdient.  

Das Resultat ist demnach nicht nur eine reine Fortschreibung oder Rahmengeschichte von "Citizen Kane", sondern vielmehr ein Hybrid aus Ergänzung, Replik und versiertem Spiel mit verschiedenen Meta-Ebenen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Kategorien, für die "Mank" mit Oscar-Nominierungen bedacht wurde, in weiten Teilen mit den entsprechenden Nominierungen für "Citizen Kane" korrespondieren. Ausnahmen: Statt des Schnitts und des Drehbuches (in Orson Welles Verfilmung) wurde Finchers Werk in den Sparten "Beste Nebendarstellerin", "Bester Ton" und "Bestes Kostümdesign" berücksichtigt.

8,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Netflix

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