Mittwoch, 19. Januar 2022

The Ballad Of Buster Scruggs (2018)

https://www.imdb.com/title/tt6412452/

Ein Anthologie-Western, der sechs verschiedene Geschichten erzählt: In der ersten Episode, die ebenfalls den Titel "The Ballad of Buster Scruggs" trägt, kommt Revolverheld Buster Scruggs (Tim Blake Nelson) in eine kleine Stadt und räumt unter den Gaunern im dortigen Saloon ordentlich auf. In "Near Algodones" steht hingegen ein Bankräuber (James Franco) im Mittelpunkt, der sich nach einem Überfall mit einer Schlinge um den Hals wiederfindet und einen Ausweg aus dieser brenzligen Lage finden muss. In "Meal Ticket" reist ein Impresario (Liam Neeson) durch das Land, dessen Show nur aus einem arm- und beinlosen Künstler (Henry Melling) besteht, der Texte vorträgt. Im Mittelpunkt von "All Gold Canyon" steht ein Goldgräber (Tom Waits) der seinen neu entdeckten Claim gegen Eindringlinge verteidigen muss. In "The Gal Who Got Rattled" reist eine junge Frau (Zoe Kazan) mit ihrem Bruder in einem Planwagenzug durch die Prärie, doch dieser stirbt an Cholera. Und auch die drei Hauptfiguren von "The Mortal Remains" (Chelcie Ross, Tyne Dalyund Saul Rubinek) befinden sich auf einer Reise, allerdings erfahren sie von ihren Führern (Brendan Gleeson und Jonjo O’Neill) schon bald, dass es die Reise ins Jenseits ist... 

Es muss schon ein aberwitziger Schalk sein, der den Coen-Brüdern permanent im Nacken sitzt, gepaart mit unaufdringlicher Intellektualität - und das ist genau das, was den Zuschauer bei den Brüdern immer wieder anspricht und begeistert. Und was für eine großartige Geschichtensammlung aus dem Wilden Westen mit schrägem schwarzen und teilweise subtilem Humor, der nicht scheut seine Pointen auch in der Philosophie, Politik und amerikanischen Gesellschaft setzen, ist "The Ballad Of Buster Scruggs". Die 6 Kurzgeschichten sind so genial, dass man sofort nach Ende des Films Lust verspührt, diesen noch einmal sehen zu wollen. 

Die erste (und titelgebende) Episode, "The Ballad Of Buster Scruggs", handelt von den Erlebnissen des Songsters Buster Scruggs. In der Wildnis möchte dieser in einer kleinen Bar etwas trinken, stößt jedoch bei allen Anwesenden auf Feindseligkeit. Sein Aufenthalt endet damit, dass er alle Gäste sowie den Barkeeper erschießt. Anschließend kommt er im Ort Frenchman's Gulch an, wo er sich in den örtlichen Saloon begibt, um endlich etwas zu trinken zu bekommen. Am Eingang gibt er gemäß den Hausregeln seine Waffen ab. Er nimmt den Platz eines geflohenen Spielers an einem Pokertisch ein und sieht, dass er die sogenannte Dead Man’s Hand übernommen hat. Er wird von einem großen Mann namens Joe darüber aufgeklärt, dass er nun, da er die Hand gesehen, auch zu spielen hat. Joe bedroht Buster mit seinem Colt, und der waffenlose Sänger tritt mehrmals auf eine loses Brett der Tischeplatte, was auf der anderen Seite Joes Hand dazu bringt, mehrmals in sein eigenes Gesicht zu schießen. Nach kurzer Stille singt Buster ein fröhliches Lied, und der Rest der Anwesenden stimmt ein. Der Bruder des toten Joe fordert ihn dann zu einem Duell auf der Hauptstraße des Ortes auf. Der geschickte Revolverheld schafft es, seinem Kontrahenten alle fünf Finger der Schusshand wegzuschießen und ihn schließlich mit der sechsten Kugel – mit dem Rücken zum Ziel und mithilfe eines Taschenspiegels – niederzustrecken. Dann taucht ein höflicher junger Mann auf, und auch er fordert Buster zum Duell. Doch der Mann zieht noch schneller als der Songster und gewinnt das Duell per Kopfschuss. Busters Seele erhebt sich aus seinem Leichnam und steigt mit einer Lyra in der Hand und Flügeln auf dem Rücken gen Himmel auf, ein Lied im Duett mit dem siegreichen Schützen singend.  

In "Near Algodones" betritt ein junger Cowboy eine Bank im Nirgendwo und will den einzigen Angestellten überfallen. Dieser bückt sich hinter dem Tresen und feuert schnell drei dahinter versteckte Schrotflinten ab, ohne jedoch den Räuber zu treffen. Dieser klettert hinter den Schalter und nimmt das Geld an sich. Draußen trifft ein Schuss seinen Geldsack, den er zurücklassen und sich hinter einem Brunnen verstecken muss. Da taucht der Bankangestellte auf, geschützt durch eine Waschwanne, Pfannen und Töpfe. Er kann unbeschadet bis zum Räuber vordringen und diesen außer Gefecht setzen. Der Cowboy findet sich, wieder bei Bewusstsein, auf seinem Pferd wieder, ihm gegenüber eine Gruppe Gesetzeshüter, sein Hals steckt in einer Schlinge, die an einen Baum geknüpft ist. Man eröffnet ihm, dass er zum Tode verurteilt sei. Plötzlich taucht eine Horde Comanchen auf und tötet alle Gesetzeshüter, lässt den jungen Mann jedoch zurück. Dessen Pferd bewegt sich nun immer weiter vorwärts auf der Suche nach Nahrung auf dem Boden, und er droht, herunterzurutschen. In der Ferne sieht er einen Viehtreiber anreiten, den er ruft und der ihn schließlich rettet. Die beiden reiten zusammen, werden aber relativ schnell von einer anderen Gruppe Gesetzeshüter gestoppt, da es sich bei dem Unbekannten um einen gesuchten Viehdieb handelt. Im nächstgelegenen Ort steht der Cowboy nun mit einigen anderen Verbrechern am Galgen und sieht seinem Ende entgegen. Bevor er hingerichtet wird, erblickt er eine hübsche junge Frau unter den Zuschauern, die ihn anlächelt. Dann setzt ihm der Scharfrichter eine Kapuze auf, und sein Leben findet ein Ende.

Ein alternder, wortkarger Impresario reist mit seinem Theaterwagen und seinem einzigen Künstler, Harrison, in "Meal Ticket" durch die Prärie und macht in verschiedenen Siedlungen Halt. Harrison, der weder Arme noch Beine hat, sitzt stets auf einem Stuhl und rezitiert immer wieder Gedichte wie Percy Bysshe Shelleys Ozymandias, die Geschichte von Kain und Abel oder Shakespeares Sonette, sowie die Gettysburg Address von Abraham Lincoln. Nach dem Ende einer jeden Vorstellung geht der Impresario unter den Zuschauern herum und sammelt Geldspenden ein. Davon kauft er Nahrung für sich und den Jungen oder bezahlt Prostituierte für Sex, während sich Harrison im Raum befindet, aber nicht zusehen darf. Nach einem Auftritt, bei dem lediglich drei Leute zuschauen und keiner von ihnen etwas spendet, fällt dem Impresario eine andere fahrende Attraktion auf, die alle Einwohner des Ortes in ihren Bann zieht. Ein Huhn kann einfache Rechenaufgaben lösen und pickt auf die richtige einer Reihe aufgehängter Tafeln, auf die Zahlen gemalt wurden. Er kauft das Huhn seinem Besitzer ab und zieht weiter. An einer Brücke, die über einen tosenden Fluss verläuft, macht er Halt und wirft einen großen Stein nach unten ins Wasser. Er kehrt zu seinem Wagen zurück. Anschließend sieht man ihn davonreiten, im Wagen befindet sich nur noch seine neue Attraktion, das Huhn.

In "All Gold Canyon" kommt ein namenloser Prospektor in einem Tal an, in welchem er Gold vermutet. Nach mehreren Tagen harter Arbeit kann er schließlich einen Bereich eingrenzen und gräbt ein tiefes Loch, will sich dann aber zur Nachtruhe begeben. Bevor er sich schlafen legt, erblickt er einen Virginia-Uhu. Am nächsten Tag macht er auf einem hohen Baum das Nest des Uhus aus und entwendet die vier darin befindlichen Eier. Von einem gegenüber liegenden Baum aus beobachtet ihn die Mutter der noch nicht geschlüpften Vögel und der Prospektor legt drei der Eier wieder zurück. Am dritten Tag im Tal ist das Loch endlich tief genug, so dass der Mann auf eine Goldader stößt. Doch plötzlich taucht hinter ihm ein junger Mann auf, der ihn schon länger zu beobachten scheint und der ihm in den Rücken schießt. Während der Goldsucher mit dem Gesicht voran in der Erde liegt, raucht der Mörder genüsslich eine Zigarette und springt dann in das Loch. Doch der Alte ist nicht tot und ringt mit dem Angreifer. Schließlich kann er dessen Waffe an sich reißen und ihn erschießen. Er säubert seine anscheinend nicht tödliche Wunde im angrenzenden Bach und verlässt mit zwei vollen Goldsäcken das Tal.

Ein Treck ist in "The Gal Who Got Rattled" Richtung Oregon unterwegs, mit dabei sind auch die junge Alice Longabaugh und ihr älterer Bruder Gilbert, ein ungeschickter Geschäftsmann. Am Zielort wartet ein wohlhabender Mann, den Alice heiraten soll. Doch eines nachts verstirbt Gilbert an Cholera und lässt seine Schwester allein zurück. Da Gilberts Hund, nach dem Präsidenten Franklin Pierce President Pierce genannt, die Kolonne mit seinem Gebell an den Rand des Wahnsinns treibt, will ihn einer der beiden Treckführer, Billy Knapp, erschießen. Doch der Hund überlebt und läuft davon. Das nächste Problem besteht darin, dass Matt, ein Junge, den Gilbert angeheuert hatte, um den Wagen zu fahren, noch 400 $ zu bekommen hat. Der Tote hatte ihm die Hälfte davon bei der Ankunft in Fort Laramie zugesichert. Alice vermutet, dass das Geld entweder gar nicht existiert oder mit ihrem Bruder begraben wurde und offenbart sich Billy, der sich zu der Frau hingezogen fühlt. Billy bietet Alice an, sie in Fort Laramie zu heiraten, den Treck seinem Partner Mr. Arthur zu überlassen, Matt auszuzahlen und mit ihr auf einer Farm zu leben. Alice akzeptiert das Angebot und Billy unterrichtet Mr. Arthur davon, dass dies ihre letzte gemeinsame Reise wäre. Eines Morgens ist Alice unauffindbar. Mr. Arthur, der auf seinem Pferd nach ihr suchen geht, trifft dann in einiger Entfernung auf die Frau und President Pierce. Da nähert sich eine Gruppe Indianer und Arthur stattet Alice mit einem Revolver aus, damit sie sich im Notfall selbst erschießen kann, um nicht gefangen genommen zu werden, da die Indianer viel Schlimmeres mit ihr anstellen würden. Mr. Arthur liefert sich einen erbitterten Kampf mit den Indianern, kann aber alle bis auf einen, den er mit seinem Gewehr erschießt, vertreiben. Als er zu Alice zurückkehrt, hat sich diese erschossen. Mit einem mulmigen Gefühl geht der Mann zurück zum Treck.

Die letzte Episode, "The Mortal Remains", handelt von einem Engländer (Thigpen), einem Iren (Clarence), einem Franzose (René), einer feine Dame (Mrs. Betjeman) und einem Trapper, die sich in einer Kutsche auf dem Weg nach Fort Morgan befinden. Auf dem Dach befindet sich eine Leiche, deren Identität nur Thigpen und Clarence kennen. Der Trapper erzählt von seiner Beziehung zu einer amerikanischen Ureinwohnerin, welche sich in Ermangelung gegenseitiger Sprachkenntnisse lediglich durch das Erspüren von Emotionen am Leben erhielt. Er vergleicht die Menschen, die einander alle gleich seien, mit den Tieren, die er jagt. Mrs. Betjeman, eine fromme Christin, entgegnet, sie unterscheide die Menschen in zwei Gruppen – Aufrichtige und Sünder. Sie begründet dies damit, dass ihr Ehemann, von dem sie für drei Jahre getrennt war und den sie in Fort Morgan treffen will, ein ehemaliger Wander-Chautauqua sei, der sich mit Moral und Spiritualität beschäftigte. René hingegen findet, dass sich Menschen je nach ihren individuellen Erfahrungen entwickeln. Er führt an, in den drei Jahren der Trennung könnte sich der Begriff von Liebe für Mr. Betjerman geändert haben, je nachdem, ob er in der Zeit fremdgegangen sei oder nicht. Mrs. Betjerman wird wütend und René fordert den Kutscher zum Anhalten auf, doch dieser fährt unbeirrt weiter. Laut Thigpen hat dieser die strikte Anweisung, bis zur Ankunft am Zielort nicht anzuhalten. Der Ire singt ein melancholisches Lied und kann die Frau so beruhigen. Anschließend geben sich Thigpen und Clarence als Kopfgeldjäger zu erkennen. Während Thigpen stets die Gesuchten in Gespräche verwickelt und so ablenkt, ist sein Partner der Vollstrecker, welcher die Gesuchten ausschaltet. In einem Hotel in Fort Morgan angekommen, holen die Kopfgeldjäger ihre Beute vom Dach und bringen sie unter den entsetzten Augen der anderen ins Gebäude.

Ausnahmslos alle Episoden sind von der Unterhaltung her einfach delikat, sei es nun verbale oder nonverbale Kommunikation, mit Spitzen gegen Milieus, Ethnien und das Christentum. Die Coens verstehen es, die Komik der Mimik, das Nonverbale, mit Wortwitz und geistreichen Mono- und Dialogen, aber auch das Tragikkomische in Perfektion völlig harmonisch zu verbinden. Man spürt regelrecht die viele Arbeit, die in dieses Projekt gesteckt wurde, die Strategie, aber auch die unterhaltsamenBilder und Geschichten, in der keine der andere in etwas nachsteht. Selbst die Auswahl der Schauspieler ist genial. "The Ballad Of Buster Scruggs" ist zudem reich ausgestattet und es gibt soviel zu beobachten, denn im Gegensatz zu vielen anderen schwarzen Tragikkomödien werden hier mehrere Humorarten bedient und einige Pointen lassen sich nur durch intensives Beobachten und genaues Zuhören erkennen. Dass die Schauspieler hier ihre Mimik benutzen, um subtile Pointen zu setzen ist erfrischend. Zugegeben - das ist ein sehr schwieriger Humor, weil man die Mimik nachfühlen muss und auf die Situation und auf die Kommunikation beziehen muss, die dann auf paradoxe lustige Weise nicht kongruent sein können. Doch den Coen gelingt es auf wundersame Weise, genau das auf den Zuschauer zu übertragen. Ironie, Sarkasmus und Zynismus werden also nicht durch das Wort erkennbar, sondern durch die Inkongruenz von Rede und Mimik. "The Ballad Of Buster Scruggs" ist ein weiteres Meisterwerk der Coens, ein völlig anderer Western, mit erstaunliche vielen Details und unterhaltend vond er ersten Minute an. Respekt.

9/10

Quellen
Inhaltsangabe: Netflix
Textauszüge: Wikipedia

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