Die geschiedene Schauspielerin Chris MacNeil (Ellen Burstyn) ist gemeinsam mit ihrer 12-jährigen Tochter Regan (Linda Blair) nach Washington gereist, um dort einen Film zu drehen. Als das Kind bei einer medizinischen Untersuchung vulgär und ausfallend wird, glaubt der behandelnde Arzt an eine Verhaltensstörung, doch Anzeichen für neuronale Schäden finden sich nicht. Bei einem Empfang, den Chris ihren Kollegen gibt, verschlimmert sich Regans Zustand, und der mit ihr befreundete Regisseur Burke Dennings (Jack MacGowran) stirbt auf sehr seltsame Weise. Es gibt nur einen, der in dieser Situation weiterhelfen kann: der Jesuitenpater Lancaster Merrin (Max von Sydow) - und der ist spezialisiert auf Exorzismus...
William Friedkin inszenierte nach seinem Oscar-überhäuftem Cop-Thriller "French Connection" / "Brennpunkt Brooklyn" den skandalösen Roman "Der Exorzist" von William Peter Blatty. Dieser schrieb auch das Drehbuch für die Verfilmung, welche im Jahre 1973 weitaus größere Diskussionen auslöste als das Buch selbst; neben dem höchstem Einspielergebnis des damaligen Kinojahres erreichte das Horrordrama auch den Status des Skanalfilms. "The scariest film of all time" wurde er beworben. Und er sollte recht behalten. Von der Europapremiere in London wurde berichtet, dass es Abwanderungen und Ohnmachtsanfälle gegeben habe. Die österreichische Neue Kronen Zeitung zitierte den Manager des Kinos: "Am Ende des Films war unser Theater eher ein Erste-Hilfe-Platz als ein Kinosaal. 20 Männer und Frauen, alle mit grünen Gesichtern, mußten wir mit Riechsalz behandeln. Etwa zehn Prozent unserer Besucher verließen die Vorführung vorzeitig."
Das war 1973. Und schaut man sich heute, fast 50 Jahre später, den Film "Der Exorzist", so hat dieser nur wenig von seinem urspünglichen Horror eingebüßt. Vieles mag zwar heute keinen alteingesessenen und hartgesottenen Horrorfilmfan wohl mehr wirklich erschrecken, doch ist es nicht das allein, was "Der Exorzist" ausmacht. Es ist das Setting, die Schauspieler und vor allem Regisseur William Friedkin, der sich einerseits mit der Erschaffung dieses Films über sämtliche Konventionen der Filmlandschaft 1973 hinwegsetzte und sein Kameramann Owen Roizman, der das alles auch nur herovrragend in Szene setzt, und andererseits einen damit durchweg spannenden, mitreißenden und gleichzeitig interessanten Film abliefert. Allein die atmosphärische Kälte, die der Film vermittelt, und Friedkins ruhige Handschrift sind der Schlüssel für den hochqualitativen Regiestil.
Wer dieses Meisterwerk mit heutigen Sehgewohnheiten vergleicht, wird aber unweigerlich enttäuscht sein. "Der Exorzist" kann seine erschreckende und extrem verstörende Wirkung nur dann entfalten, wenn sich der Zuschauer auf ihn, den Film, einläßt und ihn unter dem Gesichtspunkt der damaligen Entstehung sichtet. Man kann sich durchaus vorstellen, was 1973 im Kino los gewesen sein muss. Allein die Effekte sind nahezu zeitlos und wirken noch heute in ihrer Glaubwürdigkeit, die wohl am meisten zitierte Szene, in der die besessene Regan rückwärts die Treppe herunterkrabbelt, ist bis heute in ihrer Machart einzigartig, viel zitiert, gruselig und deswegen allein grandios. Die Story ist recht simpel gehalten, doch es braucht auch nicht mehr, um Angst und Schrecken zu Verbreiten. Der entscheidende Punkt von "Der Exorzist" ist es, die Gräueltaten erstmals auszusprechen. Dabei nimmt Friedkin keinerlei Rücksicht auf bekannte Gewohnheiten des Horrorgenres und lässt jeden Grusel in explizite Gewalt- oder Ekelakte zuspitzen. Das mag damals ein Schock gewesen sein, doch hat es heutzutage etwas am Eindruck seiner Wirkung verloren.
Nichtsdestotrotz mag der Film aufgrund seiner schockierenden Bilder
in gewisser Weise zu beeindrucken, ganz besonders wegen des schaurigen
Make-Ups. Sein weiterhin faszinierendes Filmerlebnis basiert jedoch am
ehesten auf die Balance zwischen intensiver Bildästhetik und dem
ausgewogenem Erzählstil, welcher großes Interesse an Geschichte und
Charaktere aufweist. Dies mag gegenüber den Event-geilen Schockmomenten
am meisten überraschen. William Friedkins "Der Exorzist" polarisiert auch heute noch. Zwischen
Mitverursacher für die Verrohung der Sehgewohnheiten von Gewalt und
Mitbegründer revolutionärer Erzähltechniken gehört lediglich die
hochwertige Bildkomposition zum einstimmigen Kanon. Dass es zudem ein
einfühlsames Familiendrama ist, sollte keineswegs vergessen werden - von
der Stärke des Casts mal ganz zu schweigen, auch wenn er entschleunigter daherkommt als so mancher Horrorfilm heutzutage. Ein insgesamt großartiger Film, vor allem für die Zeit im Herbst und ein Pflichtfilm für jeden Cineasten.
9/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Warner Bros.
Textauszüge: Wikipedia