https://www.imdb.com/title/tt1051906/
Es gibt keinen anderen Ausweg mehr: Cecilia Kass (Elisabeth Moss) will
endlich einen Schlussstrich ziehen und sich aus der gewaltvollen
Beziehung zu ihrem kontrollsüchtigen Freund (Oliver Jackson-Cohen)
lösen. Eines Nachts fasst sie den Entschluss, endgültig das Weite zu
suchen. Mit ihrer Schwester (Harriet Dyer), ihrem Kindheitsfreund James
(Aldis Hodge) und dessen Tochter (Storm Reid) taucht sie schließlich
unter, woraufhin ihr nun Ex-Freund Selbstmord begeht. Während Cecilia
einen erheblichen Teil von dessen Vermögen erbt, häufen sich allerdings
die unheimlichen Vorkommnisse in ihrem Leben, die schon bald ein erstes
Todesopfer fordern. Die vermeintliche Witwe ist sich sicher: Ihr Ex hat
seinen Tod nur vorgetäuscht und macht nun unsichtbar Jagd auf alle, die
ihr lieb sind - aber wer wird ihr schon glauben?
Dass ausgerechnet "Saw"- und "Insidious"-Stammautor Leigh Whannell aus
H.G. Wells' 1897 erschienener Romanvorlage "The Invisible Man" einen
derart effektiven Psychoterror auf die Leinwand zaubert, zählt wohl zu
den großen Überraschungen des ansonsten unterversorgten Kinojahres 2020. "Der Unsichtbare" ist eine zeitgemäße und sehr originelle Version der "Unsichtbaren"-Thematik, und eines der ikonischsten Gruselszenarien in der Universal-Filmkiste, der auch sehr modern als Spielfläche einer weiteren, bösartigen Stalker-Allegorie fungiert. Der Zuschauer trifft die von Hauptdarstellerin Elisabeth Moss hervorragend gespielte Cecille in dem Moment, in dem sie ruckartig erwacht. Und recht schnell kristallisiert sich die toxische Beziehung zu ihrem Freund Adrian (Oliver Jackson-Cohen) heraus, ein Kontrollfreak, der seine Freundin besitzt, kontrolliert und ihr keinen Millimeter Luft gönnt. Überwachungskameras sind auf (fast) jeden Winkel im Haus gerichtet, die Alarmanlage läuft... da ist es nur gut, dass Cecille die Codes und Passwörter kennt, um die Systeme im Haus unbrauchbar zu machen und ihre Flucht unbemerkt ablaufen zu lassen.
Natürlich geht das schief, denn sonst wäre der Film an dieser Stelle sicherlich zu Ende, doch für den interessierten Zuschauer tun sich bereits hier Logiklöcher auf. Man sollte diese aber tunlichst ignorieren, denn tut man das nicht, verpasst man einen wirklich sehr guten Beitrag zum Genre und regt sich nur sinnlos über diese auf. Auch badet der Film in dem Klischee, dass eine scheinbar durchgedrehte Hauptdarstellerin sich nicht zu artikulieren weiß: Anstatt einer sachlichen Erklärung werden unzusammenhängende, wirre (und den scheinbaren Wahnsinn noch unterstreichende) Sätze in die Umgebung posaunt. Sätze wie: "Er ist hier mit uns im Raum - aber ihr könnt ihn nicht sehen", helfen nun nicht unbedingt dabei, die eigene mentale Gesundheit zu beweisen. Dennoch: "Der Unsichtbare" arbeitet die Konsequenzen dieser Beziehung wunderbar böse heraus und bekennt sich sogar zum Feminismus, sehr bezeichnend durch das Bewerbungsgespräch, in Form eines erstaunlich gnadenlosen Terrorfilms.
Klug ist auch die
Entscheidung, die "Unsichtbarwerdung" des Angreifers nicht auf eine Art Zaubertrank, sondern
auf zumindest vorstellbare technisch-optische Tricks zurückzuführen, so dass man sich nicht immer fragen muss, ob
der Unsichtbare nicht immer splitterfasernackt stalkt. Der Film nimmt nach einem schnellen Auftakt das Tempo raus und lässt dem Zuschauer Zeit zu verarbeiten und zu verstehen, baut die Charaktere auf und lässt ihn, wie Cecille beruhigen, bevor der Terror erst schleichend, dann immer bedrohlicher und schneller werdenden, Einzug hält. Besonders clever verhält sich die Hauptdarstellerin im ersten Moment allerdings nicht, beweist aber Lernfähigkeit und weiß in der Dachbodenszene sogar den Zuschauer durch eine ultra-spontane Aktion gehörig zu erschrecken. Ab dem Zeitpunkt der "Enttarnung", oder vielmehr der bewiesenen Erkenntnis, dass hier tatsächlich jemand ist, nimmt der Film dann auch Fahrt auf und hat einige richtig bösartige Szenen im Gepäck. Der Mord an der eigenen Schwester ist da vermutlich noch die stärkste Szene, die dem Zuschauer auch in völlige Fassungslosigkeit versetzen kann.
"Der Unsichtbare" ist atmosphärisch, der Soundtrack von Benjamin Wallfisch, der zu den Besten gehört, die man in den letzten Jahren musikalisch im Horrorbereich zu hören bekommt, hämmernd und dumpf, die Szenerie immer düster, der Twist etwas vorhersehbar, aber immer noch gut. Spannend zu sehen, wie das klassische Konzept hier umgesetzt wurde. Man würde sich zwar wünschen, dass der Film die Beziehung zwischen Cecille und Adrian, vielleicht im Zeitraffer, näher beleuchtet hätte und wie es dazu überhaupt kam, doch dies hätte den Film vielleicht auch nur unnötig aufgebläht. Allein die ausgezeichnete Leistung von Elisabeth Moss, die hier quasi im Alleingang alle Facetten vom terrorgeplagten Opfer bis zur smarten Rächerin ausdrucksstark und konsequent durchspielt, reicht als Argument für den Film.
Statt sich einem erwartbaren, klassischen und letztlich auch "braven"
Horrorfilmaufbau zu verschreiben, schleicht und schlängelt sich "Der Unsichtbare" bedrohlich voran und schlägt dann in unerwarteten
Momenten überraschend heftig zu, um schließlich in einem ungemein
cleveren und schockierenden Schlussakt zu münden. Die erste Hälfte des Films ist
dabei klar stärker als die zweite, aber nichtsdestoweniger ist der Film einer der
überzeugendsten Genrebeiträge seit langem und letztlich eine - Achtung, Insider-Humor - "Überraschung!".
8/10
Der Film ist von UNIVERSAL PICTURES auch im limitierten Steelbook erhältlich:
Quellen:
Inhaltsangabe: Universal Pictures
Poster/Artwork: Universal Pictures
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