Freitag, 21. Februar 2020

[KINO] The Call Of The Wild - Ruf der Wildnis (2020)

https://www.imdb.com/title/tt7504726/

Während des Goldrauschs der 1890er Jahre am weltberühmten Fluss Klondike sind Schlittenhunde sehr begehrt. Deshalb werden besonders große und starke Tiere auch aus südlicheren Gefilden entführt und auf einem florierenden Schwarzmarkt in den hohen Norden verkauft - so auch der verwöhnte Buck, ein Mischling aus Bernhardiner und Schottischem Schäferhund. Buck lernt auf die harte Tour, was es heißt, ein Schlittenhund zu sein und geht durch die Hände vieler Besitzer - unter anderem zieht er für Perrault (Omar Sy) den Postschlitten in die abgelegensten Gebiete Alaskas. Nach und nach spürt Buck immer stärker das Erbe seiner wilden Vorfahren in sich und lernt, auf seine Instinkte zu vertrauen. Als er den Einsiedler John Thornton (Harrison Ford) kennenlernt, fühlt sich der Hund das erste Mal seit langem wieder einem Menschen verbunden - doch der Ruf der Wildnis ereilt ihn immer stärker…

Es ist die x-te Neuverfilmung von Jack Londons Buchklassiker "Ruf der Wildnis" aus dem Jahre 1903. Schon im Jahre 1923 gab es eine Stummfilmversion dieses grandiosen Buches und Clark Gable folgte, zusammen mit Loretta Young, 1930 dem Flusslauf nach Norden in "Goldfieber in Alaska". Charlton Heston verspürte dem "Ruf der Wildnis" 1972, ebenso wie Rutger Hauer in der gleichnamigen TV-Verfilmung 1997. 2009 folgte Christopher Dempsey dem "Ruf der Wildnis" in 3D und alle diese Filme hatte eines gemeinsam: sie hatten einen echten, lebenden Hund.

Dies ist (leider) bei der neuesten Version nicht der Fall, in der Harrison Ford als gutherziger Goldsucher John Thornton zu sehen ist, der während des Yukon-Goldrausches eine Bindung mit einem Bernardiner namens Buck eingeht. Buck, der den Löwenanteil der Screentime bekommen hat, wird eben nicht von einem oder mehreren echten Hunden gespielt, sondern von Terry Notary, einem sehr menschlichen, ehemaligen "Cirque du Soleil"-Darsteller, der die Bewegungen für Buck im Motion Capturing-Verfahren liefert. Dies ist auch bei den vielen anderen gezeigten Hunden und Tieren der Fall, was diesem "Ruf der Wildnis" ein ähnliches Gefühl verleiht wie den jüngsten fotorealistischen Disney-Animationsfilmen wie "Das Dschungelbuch" und "Der König der Löwen". Es ist nicht verwunderlich, dass der Film das Live-Action-Debüt von Regisseur Chris Sanders markiert, zu dessen früheren Werken solche Animationsfilme wie "Lilo & Stitch", "Drachenzähmen leicht gemacht" und "Die Croods" gehören.

Die Ergebnisse sind, gelinde gesagt, visuell desorientiert. Obwohl Notary und das Spezialeffekt-Team so gute Arbeit leisten, wie es die Technologie zulässt, sieht der ausdrucksstarke Buck nie wirklich echt aus. Und als Zuschauer berfürchtet man stets, dass er und der Rest der Tiere in Gesang ausbrechen. Auf der anderen Seite könnte es ein vernünftiger Ansatz gewesen sein, da diese von Michael Green geschriebene Version dem Ausgangsmaterial erhebliche Freiheiten einräumt und die Gefahr und das Spektakel zeitgemäß erheblich erhöht. Der Buck in diesem Film ist nicht nur ein furchtloser, mutiger Hund; er unternimmt auch eine gewagte Unterwasserrettung in einem gefrorenen Fluss und läuft sogar einer Lawine davon. Anscheinend hatten die Macher das Gefühl, dass Londons Geschichte nicht aufregend genug war, obwohl sie die Leser seit mehr als einem Jahrhundert begeistert. Nichts davon mag jedoch für das junge Publikum von Bedeutung sein, an das sich der Film offensichtlich richtet. Aber anspruchsvollere Zuschauer werden zusammenzucken, wie alles zu komischen Proportionen übertrieben wurde, sowohl absichtlich als auch nicht. Zu Beginn zeigt der Streifen Bucks verwöhntes Leben im Haushalt einer wohlhabenden Familie mit dem Hausherren Richter Miller (Bradley Whitford, kaum mehr als ein Cameo) und verursacht die Art von Slapstick-Chaos, die Beethoven dazu gebracht hätte, seinen Kopf vor Scham hängen zu lassen.

Ein wichtiges Handlungselement ist, dass Buck vorübergehend in den Besitz der Geschwister Hal (Dan Stevens) und Mercedes (Karen Gillan) fällt, die dummerweise darauf bestehen, dass Buck ein Rudel Hunde über einen gefrorenen Fluss führt, obwohl das Eis schmilzt. Im ursprünglichen Roman ertrinken sie zusammen mit Mercedes' Ehemann Charles (Colin Woodell). Hier verwandelt sich Hal in einen fiesen Bösewicht, der Buck und Thornton bis zum Ende der Story belästigt, wobei der normalerweise zuverlässige Schauspieler Dan Stevens dazu genötigt wird, die Art von Schnurrbart-zwirbelnden Cartoon-Bösewicht abzuliefern, der Hal selbst wie einen animierten Charakter erscheinen lässt. Glücklicherweise ist da Harrison Ford mit seinem stämmigen weißen Bart zur Stelle, um dem ganzen Spiel eine gewisse Nuance zu verleihen. Der erfahrene Schauspieler liefert eine sensible Wendung als der freundliche Thornton, der immer noch über den Tod seines Sohnes trauert und sich anschließend von seiner Frau trennt und seine Trauer mit Alkohol pflegt. (Unfähig, einem Anthropomorphismus zu widerstehen, versucht Buck wiederholt, Thorntons Alkohol wegzunehmen, wie ein Hunde-AA-Sponsor.) Ford findet in diesem Film zu gewohnt-guter Natur zurück und verleiht seiner typisch zurückhaltenden Leistung eine bewegende emotionale Tiefe, die das Beste im ganzen Film ist.

Der Film läuft nur 100 Minuten und bewegt sich dafür auch zügig genug. Dank der ansehnlichen Kinematographie des zweifachen Oscar-Preisträgers Janusz Kaminski sieht er großartig aus. Besonders lustig sind die Szenen, in denen Buck Teil eines Schlittenhundeteams wird, das von einem französisch-kanadischen Paar geleitet wird, das herrlich von Omar Sy und Cara Gee gespielt wird. Und die letzten Sequenzen, in denen Buck unweigerlich selbst dem "Ruf der Wildnis" erliegt und sich mit einem Rudel Wölfen vereint, sind für den Zuschauer äusserst bewegend, selbst wenn alle(!) Tiere aus dem Computer stammen. Letztlich ist "Call Of The Wild" eine sehr gute, zeitgemäße und damit passende Neuverfilmung des über 100 Jahre alten Stoffes. Und trotzdem kann man das Gefühl nicht gänzlich vermeiden, dass Lassie und Rin Tin Tin in ihren Gräbern rotieren.

7,5/10

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen