https://www.imdb.com/title/tt6892400/
In der Romanverfilmung Der Nebelmann von Donato Carrisi verschwindet die 15-jährige Teenagerin Anna Lou, Tochter eines religiösen Ehepaares, spurlos aus einem italienischen Alpendorf. Jahrzehnte zuvor verschwand schon einmal ein Mädchen spurlos vom Erdboden. Der unkonventionelle Sonderermittler Vogel (Toni Servillo) rückt an, um den Fall mit medienwirksamen Methoden zu klären. In dem vermeintlichen ruhigen Örtchen stößt er auf einige Dorfbewohner, die sich äußerst verdächtig verhalten und muss daraufhin inmitten des großen Medienspektakels, das um das
Verschwinden herum entsteht, den Überblick behalten, während es
allerhand halbgare Spuren gibt – denn nahezu jeder Bewohner des Dorfes ist
verdächtig...
Dass Romanautoren hin und wieder auch die Drehbücher
schreiben, wenn eines ihrer Werke verfilmt wird, das kommt immer mal
wieder vor. Dass sie zusätzlich auch die Regie übernehmen, das ist
hingegen eine echte Seltenheit. Donato Carrisis "Der Nebelmann", welches auf seinem gleichnamigen Roman
aus dem Jahr 2015 basiert, ist so eine Seltenheit. Doch "Der Nebelmann" offenbart vor allem zum Ende hin viel zu viel vergedeutes Potential. Dabei ist die Kulisse ansprechend, der Cast gut gewählt und die Stimmung einnehmende dröge. Doch all dies wird viel zu wenig genutzt. Dazu kommt erschwerend, dass die Handlung dann doch arg konstruiert wirkt, gerade so, als wäre dem Autor gegen Ende die Luft ausgegangen und er hätte sich mit Hängen und Würgen über die Ziellinie gerettet.
Dazu kommt, dass das Tempo des Films recht gering ist. Wie bei klassischen Krimis üblich
besteht die Handlung meist darin, dass Kommissar Vogel durch die Gegend läuft,
Hinweisen nachgeht und ein paar Verdächtige durchleuchtet. Von denen
gibt es nicht ganz so viele, und eine Maskerade ist das hier auch nicht. Vielmehr spielt
der Film mit den Gegensätzen von äußerer Erscheinung und dem
tatsächlichen Inhalt. Sind die religiösen Eltern vielleicht Teil einer
brutalen Sekte? Ist die Verschwundene wirklich so brav und unschuldig
wie behauptet? Und was geht sonst noch so vor in dem nebelbehangenen
Dorf inmitten vom Nirgendwo? Carrisi spielt mit zu vielen altbackenen Klischees, den hinterwäldlerischen Sektenmitgliedern, dem stalkenden Lehrer, dem Außenseiter mit Hoodie und Kamera, die sensationslüsteren Reporterin. Hier ist alles vertreten. Das ist Soap-Niveau. Und trotzdem ist der Film irgendwie doch noch kompetent inszeniert und mutiert, fernab jeglicher Standarte, zu einem ebenso atmosphärischen wie spannenden
Genrebeitrag.Während sich langsam enthüllende Abgründe hinter der feinen Fassade zum Grundstock des Genres gehören, ist der Protagonist durchaus ungewöhnlich. "Der Nebelmann" ist nicht allein die Suche nach einem potenziellen Mörder. Der Film handelt gleichzeitig auch von einem Ermittler, der auf seine Weise überaus skrupellos ist und sich vor allem die Macht der Medien zunutze macht – mit verheerenden Folgen. Toni Servillo ist dafür eine Idealbesetzung: ein bisschen extravagant, moralisch mindestens fragwürdig und manipulativ ohne Ende.
Carrisi gelingt es dabei sehr schön, dass sowohl Täter wie auch Jäger lange im sprichwörtlichen Nebel verborgen bleiben. Er stiftet sogar noch ein bisschen zusätzliche Verwirrung, indem er die Geschichte in eine Rahmenhandlung packt, die Jean Reno als einen befragenden Psychologen enthält. Richtig viel trägt das dann zwar nicht zum ansonsten chronologisch vorgetragenen Inhalt bei. Es erlaubt aber zumindest eine stärker subjektive Perspektive, indem Vogel selbst zum Erzähler wird. Ein Erzähler, bei dem man selbst schnell skeptisch wird, ob er denn nun die Wahrheit sagt. Der Fall selbst rückt da manchmal etwas in den Hintergrund, die Auflösung ist auch nicht annähernd so komplex wie das ganze Drumherum. Trotzdem ist der Film für Krimifreunde eine Empfehlung wert.
7/10
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