https://www.imdb.com/title/tt0100263/
Die drogenabhängige Nikita (Anne Parillaud) wird wegen Mordes an einem
Polizisten zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Der
undurchsichtige Bob (Tchéky Karyo) bietet ihr einen Ausweg an, den
Nikita kaum ablehnen kann. Denn wenn sie nicht einwilligt, droht ihr der
Tod. Bei einem eingefädelten Manöver testet Bob die Eignung Nikitas als
Profikillerin im Dienste des Staates. Unter dem Vorwand einer
vergleichsweise einfachen Aktion wird die junge Frau in eine
aussichtslose Lage gebracht, aus der sie sich unter Lebensgefahr
befreien muss. Wenn sie den Test besteht, dann kann sie in einem
beinharten Ausbildungscamp zu einer Elitekämperin gemacht werden. Ihre
alte Identität muss sie dann für immer hinter sich lassen, denn Freunde
und Bekannte Nikitas wurden bereits von einem vermeindlichen Selbstmord
der jungen Frau informiert und eine Scheinbeerdigung durchgeführt...
Wie ein launisches Kind schreit und zappelt sich die Protagonistin in
Luc Bessons "Nikita" durch den Gerichtsprozess, bei dem sie am Ende
wegen der Ermordung eines Polizisten zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe
verurteilt wird. Zuvor hatte die drogenabhängige Nikita mit ein paar
Junkie-Freunden eine Apotheke ausrauben wollen, wobei ihre Freunde, der
Apotheker und einige Polizisten durch einen wüsten Schusswechsel ums
Leben kamen. Die lebenslängliche Haftstrafe tritt die junge Frau jedoch
nie an, da sie von Vertretern einer geheimen Spezialeinheit der
Regierung verschleppt wird. Die täuschen zunächst ihren Tod vor, um
Nikita einer Ausbildung zu unterziehen, aus der sie als professionelle
Auftragskillerin hervorgehen soll.
Besson inszeniert seinen Film von Anfang an als ein Werk der
Gegensätze, in dem zwei verschiedene Welten immer wieder miteinander
kollidieren. Die Protagonistin erscheint wie eine Mischung aus Kleinkind
und wildem Tier, die durch die Einschränkung ihrer Freiheit, strengen
Reglementierungen und unnachgiebigem Drill gewissermaßen domestiziert
werden soll. An den extremen Kontrasten in Nikitas Persönlichkeit, die
im Verlauf ihrer Entwicklung zwischen einem unsicheren,
eingeschüchterten Mädchen und einer eiskalten, attraktiven Killerin
pendelt, ist der Regisseur ebenso interessiert wie an den daraus
resultierenden Schwankungen der verschiedenen Genres, zwischen denen
sich "Nikita" bewegt.
Anflüge eines konzentrierten Charakterdramas, das Nikitas Konflikt
zwischen einem bürgerlichen Leben und ihrer tödlichen Berufung
beleuchtet, von der sie unfreiwillig wieder und wieder eingeholt wird,
durchdringt der Regisseur oftmals bewusst durch seinen unbedingten
Stilwillen zur virtuosen Action-Poesie. Bessons Gespür für grandios
gefilmte und geschnittene Auseinandersetzungen, in denen die Kugeln
mitunter im Sekundentakt durch die Szenerie gefeuert werden, sorgt in
Verbindung mit dem höchst atmosphärischen Score von Éric Serra für
einige beeindruckende Setpieces, die zugleich völlig losgelöst von der
eigentlichen Handlung für sich stehend bestaunt werden dürfen.
Die wohl beste Sequenz des Films gelingt dem Regisseur hingegen, als
er sowohl das Privat- wie auch Berufsleben seiner Protagonistin
aufeinanderprallen lässt. Nachdem Nikita für unbestimmte Zeit in die
Freiheit entlassen wird und den sympathischen Kassierer Marco
kennenlernt, mit dem sie eine Beziehung eingeht, klingelt ihr anderes
Leben während eines romantischen Urlaubs in Venedig buchstäblich bei
ihrem jetzigen an. Über ein Telefon erhält sie die Benachrichtigung über
einen anstehenden Auftragsmord, den sie mithilfe eines im Badezimmer
deponierten Gewehrs durchführen soll, während Nikitas Freund unwissend
auf dem Bett auf sie wartet.
Wie Besson die packende Dynamik des Auftrags nicht nur mit
mechanischer Präzision in audiovisuell messerscharfen Bildkompositionen
montiert, sondern nebenbei auf drastische Weise Nikitas Gefühlsleben
durcheinanderwirbelt, die mit einem Scharfschützengewehr in der Hand vor
dem Badezimmerfenster über ein Headset mit ihrem Auftraggeber verbunden
ist, während sie gleichzeitig mit Marco sprechen muss, der von außen an
die Tür klopft, ist das inszenatorische Glanzstück dieses Films, für
den der Regisseur Action, Spannung und innere Konflikte der Hauptfigur
manchmal holprig, aber dafür stets konsequent zusammendenkt.
Als Vorgänger von "Léon" ist dieser Film daher weitaus mehr als eine
bloße Fingerübung. Auch wenn Besson die Mischung aus Charakteren und
Action noch nicht so feinfühlig und souverän gelingt wie in dem vier
Jahre später folgenden Meilenstein, weist "Nikita" bereits Spuren von
außergewöhnlichem Talent auf. Dieses spiegelt sich nicht nur in bereits
formvollendet wirkenden Action-Sequenzen wider, sondern auch im Umgang
mit der Hauptfigur, die Besson nach anfänglicher Misshandlung durch ein
gewalttätiges, unterdrückendes Umfeld zur gleichermaßen verletzlichen,
sensiblen wie starken, unabhängigen Action-Ikone erhebt.
8/10
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