Dienstag, 18. Februar 2020

Nikita (1990)

https://www.imdb.com/title/tt0100263/

Die drogenabhängige Nikita (Anne Parillaud) wird wegen Mordes an einem Polizisten zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Der undurchsichtige Bob (Tchéky Karyo) bietet ihr einen Ausweg an, den Nikita kaum ablehnen kann. Denn wenn sie nicht einwilligt, droht ihr der Tod. Bei einem eingefädelten Manöver testet Bob die Eignung Nikitas als Profikillerin im Dienste des Staates. Unter dem Vorwand einer vergleichsweise einfachen Aktion wird die junge Frau in eine aussichtslose Lage gebracht, aus der sie sich unter Lebensgefahr befreien muss. Wenn sie den Test besteht, dann kann sie in einem beinharten Ausbildungscamp zu einer Elitekämperin gemacht werden. Ihre alte Identität muss sie dann für immer hinter sich lassen, denn Freunde und Bekannte Nikitas wurden bereits von einem vermeindlichen Selbstmord der jungen Frau informiert und eine Scheinbeerdigung durchgeführt...

Wie ein launisches Kind schreit und zappelt sich die Protagonistin in Luc Bessons "Nikita" durch den Gerichtsprozess, bei dem sie am Ende wegen der Ermordung eines Polizisten zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt wird. Zuvor hatte die drogenabhängige Nikita mit ein paar Junkie-Freunden eine Apotheke ausrauben wollen, wobei ihre Freunde, der Apotheker und einige Polizisten durch einen wüsten Schusswechsel ums Leben kamen. Die lebenslängliche Haftstrafe tritt die junge Frau jedoch nie an, da sie von Vertretern einer geheimen Spezialeinheit der Regierung verschleppt wird. Die täuschen zunächst ihren Tod vor, um Nikita einer Ausbildung zu unterziehen, aus der sie als professionelle Auftragskillerin hervorgehen soll.

Besson inszeniert seinen Film von Anfang an als ein Werk der Gegensätze, in dem zwei verschiedene Welten immer wieder miteinander kollidieren. Die Protagonistin erscheint wie eine Mischung aus Kleinkind und wildem Tier, die durch die Einschränkung ihrer Freiheit, strengen Reglementierungen und unnachgiebigem Drill gewissermaßen domestiziert werden soll. An den extremen Kontrasten in Nikitas Persönlichkeit, die im Verlauf ihrer Entwicklung zwischen einem unsicheren, eingeschüchterten Mädchen und einer eiskalten, attraktiven Killerin pendelt, ist der Regisseur ebenso interessiert wie an den daraus resultierenden Schwankungen der verschiedenen Genres, zwischen denen sich "Nikita" bewegt.

Anflüge eines konzentrierten Charakterdramas, das Nikitas Konflikt zwischen einem bürgerlichen Leben und ihrer tödlichen Berufung beleuchtet, von der sie unfreiwillig wieder und wieder eingeholt wird, durchdringt der Regisseur oftmals bewusst durch seinen unbedingten Stilwillen zur virtuosen Action-Poesie. Bessons Gespür für grandios gefilmte und geschnittene Auseinandersetzungen, in denen die Kugeln mitunter im Sekundentakt durch die Szenerie gefeuert werden, sorgt in Verbindung mit dem höchst atmosphärischen Score von Éric Serra für einige beeindruckende Setpieces, die zugleich völlig losgelöst von der eigentlichen Handlung für sich stehend bestaunt werden dürfen. Die wohl beste Sequenz des Films gelingt dem Regisseur hingegen, als er sowohl das Privat- wie auch Berufsleben seiner Protagonistin aufeinanderprallen lässt. Nachdem Nikita für unbestimmte Zeit in die Freiheit entlassen wird und den sympathischen Kassierer Marco kennenlernt, mit dem sie eine Beziehung eingeht, klingelt ihr anderes Leben während eines romantischen Urlaubs in Venedig buchstäblich bei ihrem jetzigen an. Über ein Telefon erhält sie die Benachrichtigung über einen anstehenden Auftragsmord, den sie mithilfe eines im Badezimmer deponierten Gewehrs durchführen soll, während Nikitas Freund unwissend auf dem Bett auf sie wartet.

Wie Besson die packende Dynamik des Auftrags nicht nur mit mechanischer Präzision in audiovisuell messerscharfen Bildkompositionen montiert, sondern nebenbei auf drastische Weise Nikitas Gefühlsleben durcheinanderwirbelt, die mit einem Scharfschützengewehr in der Hand vor dem Badezimmerfenster über ein Headset mit ihrem Auftraggeber verbunden ist, während sie gleichzeitig mit Marco sprechen muss, der von außen an die Tür klopft, ist das inszenatorische Glanzstück dieses Films, für den der Regisseur Action, Spannung und innere Konflikte der Hauptfigur manchmal holprig, aber dafür stets konsequent zusammendenkt.

Als Vorgänger von "Léon" ist dieser Film daher weitaus mehr als eine bloße Fingerübung. Auch wenn Besson die Mischung aus Charakteren und Action noch nicht so feinfühlig und souverän gelingt wie in dem vier Jahre später folgenden Meilenstein, weist "Nikita" bereits Spuren von außergewöhnlichem Talent auf. Dieses spiegelt sich nicht nur in bereits formvollendet wirkenden Action-Sequenzen wider, sondern auch im Umgang mit der Hauptfigur, die Besson nach anfänglicher Misshandlung durch ein gewalttätiges, unterdrückendes Umfeld zur gleichermaßen verletzlichen, sensiblen wie starken, unabhängigen Action-Ikone erhebt.

8/10

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