Dienstag, 22. September 2020

Кома - Koma - Coma (2019)

https://www.imdb.com/title/tt6087226/

Nach einem schrecklichen Unfall wacht ein junger Architekt in einer dystopischen Welt auf, die ihm vollkommen fremd ist. Sie wirkt nicht real, sondern eher wie ein Traum. Kein Wunder, denn diese Welt basiert auf den Erinnerungen von Menschen, die in einem tiefen Koma liegen. Die neue Umgebung ist zerbrechlich, chaotisch und unbeständig. An diesem Ort passen Weltmeere, Gebirgsketten und Metropolen in einen einzigen Raum, während die Gesetze der Physik keinerlei Rolle mehr spielen. Und wer dort hinkommt, erhält außerdem besondere Kräfte. Der junge Architekt versucht aber nicht nur, die Gegebenheiten zu verstehen, sondern allen voran, einen Ausweg zurück in die Realität zu finden. Doch die Menschen hier brauchen ihn: Unheimliche Gestalten machen Jagd auf sie und er soll ihnen bei der Suche nach einem sicheren Ort helfen...

Das Spielfilmdebüt "Coma" von Nikita Argunov macht gleich von Anfang an deutlich, dass es ssich bei dieser russischen Produktion um etwas sehr hochwertiges handelt. Zumindest optisch und mit einer Fülle von Ideen, was Setting, Weltendesign und Austattung betrifft. Ja, das russische Genrekino hat sich in den vergangenen Jahren wirklich einen Namen gemacht. Doch etwas fällt immer wieder auf: Es wird auffällig oft kopiert, geklaut und zitiert. "Coma" erinnert mit seinem surrealen Bildern schon beinahe etwas zu sehr an "Inception" oder eben "Matrix", erreicht aber bei weitem nicht deren Niveau. Natürlich gab es bereits in den 2000ern Werke wie die Literaturverfilmungen "Wächter der Nacht" und "Wächter des Tages", die Filmschaffenden wie etwa Timur Bekmambetov den Weg nach Hollywood ebneten. Doch abseits solcher Ausnahmeerscheinungen gingen Filme wie "Weltengänger" oder "Guardians" hierzulande überwiegend unter. Mittlerweile führen solche Titel aber kein völliges Schattendasein mehr.

Die Story in "Coma", in die der Zuschauer ohne weiteres Vorgeplänkel hineingestoßen wird, ist relativ seltsam und erscheint nur als Aufhänger um die (zweifellos) starken Bilder zu präsentieren. Wie hier Straßenzüge, Landschaften und Häuserschluchten in chaotischen Flüssigfragmenten ineinanderfließen und dabei eine große unzusammenhängende Einheit bilden, in der berühmte Stätten von London, Paris und dem Eiffelturm bis in die Kanäle Venedigs nur einen Katzensprung voneinander entfernt scheinen, für den obendrein noch jegliche physikalische Gegebenheiten außer Kraft gesetzt scheinen - hier liegen die wirklich großen Stärken, die einmal mehr unter Beweis stellen, dass auch jenseits der USA Genrekino möglich sein kann. Dabei bewegt man sich dann aber doch eher näher an den ebenso surrealen Welten eines "Doctor Strange" als den über weite Strecken geerdeteren Traumwelten eines Christopher Nolan.

Dennoch bedienen sich Nikita Argunov und seine Co-Autoren auch dabei mehr als zuviel. Wenn davon die Rede ist, dass im Koma der Verstand wesentlich schneller funktioniert und die Zeit daher ungleich langsamer verstreicht, fühlt man sich nicht von ungefähr an die diversen Traumebenen erinnert, die DiCaprio und Co. beim Mind Heist durchdringen müssen. Auch bei den Wachowski Schwestern nimmt man ebenso unübersehbare Anleihen, sodass man nicht mal ein großartiger Kenner sein muss, um im Protagonisten Viktor den Auserwählten Neo zu sehen und in dessen Romanze mit der toughen Kämpferin Fly jene mit Trinity. Selbst bei zwei Nebenfiguren hat man die Namen sogar zweifelsfrei von Crewmitgliedern des Hovercrafts Nebukadnezzar übernommen.

Und damit wirken all diese Versatzstücke in "Coma" stets eine Spur zu vertraut und auch nicht halb so überzeugend wie in den zu ihrer Zeit Maßstäbe setzenden Vorbildern. Vor allem aber mangelt es Hauptdarsteller Rinal Mukhametov trotz einer ähnlich unterkühlten Schauspielleistung spürbar am Charisma eines Keanu Reeves. Arg schematisch bleibt sein im wahren Leben erfolgloser Architekt, der sich in dieser Traumwelt endlich frei entfalten kann, während die übrigen Charaktere sich überwiegend innerhalb angestammter Klischees bewegen. Auch aus dem Umstand, dass jeder von ihnen diese Simulationsareale unterbewusst aus seiner Erinnerung erschaft und dabei obendrein noch individuelle "Superkräfte" spendiert bekommt, macht "Coma" erstaunlich wenig.

Der Mangel an wirklicher Tiefe spiegelt sich dann auch schnell in den für sich genommen famos umgesetzen Settings wieder. Denn so toll diese auch aussehen, so bleiben sie doch reines Eye-Candy, was zudem auch noch seltsam statisch und unerforscht bleibt. Wirklich eintauchen und länger auf sich wirken lassen kann man hier in kaum etwas, was bei einem Genrefilm wie diesem aber bloß halb so wild wäre, wenn man die unterschiedlichen Schauplätze denn wenigstens einigermaßen kreativ ins Geschehen einbinden würde. Leider aber bleibt die atemlose Verfolgungsjagd, die bereits im Trailer weitreichend breit getreten wurde, schon das einzige Action-Setpiece, das die Möglichkeiten tatsächlich mal ausspielt, wohingegen der Rest vor allem in den Kampfszenen reichlich uninspiriert daherkommt. Spätestens hierbei verkommen auch die zu Anfang etablierten Schattenwesen namens "Reaper" zur reinen Optikspielerei aus zähflüssiger CGI-Masse und erinnern in ihrer mäßig getricksten Zweckhaftigkeit an die Griever aus "Maze Runner: Die Auserwählten im Labyrinth", was wiederum den ehemaligen Visual Effects Künstler Argunov dann auch irgendwo als russisches Pendant zu Wes Ball dastehen lässt.

Im letzten Drittel, wenn man beginnt, sich an den schicken Schauwerten stufenweise satt zu sehen, versucht sich "Coma" dann schlussendlich auch noch an der Doppelbödigkeit seiner Idole aus Übersee. Hier kommt dann, abgesehen von wenig subtil mitschwingender Religionskritik, nochmal besonders zum Tragen, wie beeindruckt, zugleich aber auch einigermaßen teilnahmslos einen das ganze Spektakel letztendlich zurücklässt.

"Coma" ist unterm Strich nicht bloß Style over Substance pur, sondern schlichtweg die Definition davon. Nikita Argunov versteht sich prächtig darauf, mit vergleichsweise wenig Budget etwas optisch Beeindruckendes zu präsentieren. Hätte man sich nicht deutlich spürbar bei den großen Vorbildern bedient und etwas eigenes erschaffen, dann hätte "Coma" sogar das Potential mit den genannten Originalen mitzuhalten. Stattdessen humpelt man ihnen aber sogar auf der Plotebene einigermaßen bemüht hinterher. Der russische Thriller baut zwar eine interessante Welt auf, die mit ihren eigenen Regeln aufwartet und dem Zuschauer nach und nach verständlich wird und wartet dann mit einem unerwarteten Twist auf, der alles auf den Kopf wirft und dem Film mehr Tiefe gibt, doch am Ende reicht das trotzdem nicht. Außer ein paar wirklich imposanten Bildern bleibt nicht viel im Gedächtnis.

5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Capelight Pictures

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen