https://www.imdb.com/title/tt4250566/
Im Nazi-Deutschland ist Euthanasie bittere Realität – wer nicht der
nationalsozialistischen Rassenideologie entspricht, wird in Heimen
weggesperrt, in denen systematische Tötung an der Tagesordnung ist. So
soll es auch dem 13 Jahre alten Ernst Lossa (Ivo Pietzcker) ergehen,
einem Kind fahrender Händler. Der aufgeweckte und rebellische Junge hat
einige Zeit in verschiedenen Heimen verbracht, wo er schließlich als
nicht erziehbar eingestuft wurde. Daraufhin landet er in einer von Dr.
Walter Veithausen (Sebastian Koch) geleiteten Nervenheilanstalt, in der
ihm schon wenig später klar wird, dass dort Menschen getötet werden. Als
auch ihm dasselbe Schicksal wie vielen anderen Kindern droht, versucht
er auszubüxen. Gemeinsam mit seiner ersten großen Liebe Nandl (Jule
Hermann) plant er die Flucht...
"Nebel im August" ist ein sehr relevantes, und durchweg berührendes Historien-Drama, welches die wahre Geschichte des Ernst Lossa in Süddeutschland am Anfang der 1940er-Jahre zeigt. Das Filmdrama behandelt damit am Schicksal einer einzelnen Person
beispielhaft die tausendfachen NS-Krankenmorde, die damals unter der
Bezeichnung "Aktion Gnadentod" von Ärzten und Pflegepersonal in
bestimmten Krankenhäusern und Pflegeheimen durchgeführt wurden. Der Fall machte durch seine aus Zufall gefundene und mit Bildern
versehene Krankenakte Furore und brachte diesen sehr aufwühlenden Film
als Konsequenz mit sich.
"Nebel
im August" ist - gerade für liebende Eltern - kein leichter Film. Er führt dem Zuschauer das unmenschliche Thema der Euthanasie dennoch auf
eine sehr menschliche Weise vor Augen. Aufgrund der starken Darsteller
und des grotesken Kontrasts zwischen Heilungsanspruch und mörderischer
Perfidie ist der Film besonders sehenswert, wenn auch einmal zu oft nur
schwer zu ertragen. Die Akribi, mit der "Nebel im August" die NS-Verbrechen an über 200.000 Ermordeten in den psychiatrischen Kliniken (durch Gas, Giftspritzen, Phenobarbital in Himbeersirup oder gezielter Unterernährung mit nährstofflosen Suppen) nach wahren Begebenheiten, anhand der traurigen Biografie des kurzen Lebens von Rebellenjunge Ernst Lossa (1929 - 1944 ) erzählt, macht dabei schon nach wenigen Minuten richtig betroffen.
Regisseur Kai Wessel widmet sich diesem furchtbaren Thema behutsam und doch direkt. Ausstattung, Zeitkolorit, Set-Design und Schauspiel sind unfassbar authentisch, insbesondere auch das präzise Spiel von Ivo Pietzcker, der mit seiner
Leistung in der Rolle des "asozialen Schädlings" Ernst Lossa dem Film eine unglaubliche Tiefe
verleiht. Die zwiespältige Darstellung des Chefarztes, von dem man anfangs noch glaubt, er wolle wirklich nur das Beste für die Kinder wird Zug um Zug und sehr geschickt entkräftet. Er ist vermutlich noch das Entsetzlichste an diesem Film. Er wirkt menschlich und freundlich. Sebastian Koch spielt den Chefarzt Dr. Werner Veithausen und damit nicht den unformierten Stiefelträger, der Befehle brüllt. Mit dieser Art Film-Nazi hat man es
sich oft zu leicht gemacht. Seine Figur kümmert sich väterlich um
seine Patienten. Wo es aber keine Aussicht auf Besserung gibt, setzt er
die Namen ohne jede Regung auf seine Liste. Auch Todesengel-Krankenschwester Edith Kiefers (Henriette Confurius) Spiel schlägt in eine ähnliche Kerbe, die den Zuschauer mehr als nur einmal hilf- und fassungslos zurück lässt. Der Film transportiert auch (wenige) Szenen von Hoffnung, das macht ihn immerhin über Strecken ertragbar. Diese Hoffnung wird in Teilen von Fritzi Haberland als Oberschwester Sophia getragen, die irgendwann zur Hälfte des Films den Satz "Es gibt eine höhere Gerichtsbarkeit, als die ihres Führers!" fallen lässt oder einen kleinen Jungen, der gerade einen vergifteten Himbeersirup zu trinken bekam, den Finger in den Hals steckt, um ihn erbrechen zu lassen.
"Nebel im August" braucht kein pädagogisches Pathos, die Perversität des Systems erschließt sich ohne weitere Erklärung. Unter dem mächtigen Schutz des Hakenkreuzes, wurde im Dritten Reich das verabscheuungswürdige Euthanasie-Programm effizient durchgeführt, welches dem Zuschauer in "Nebel im August" auf schwer verdauliche Weise vor Augen geführt wird. Ähnlich wie "Der Junge im gestreiften Pyjama", "Der Stellvertreter" oder aber die Genre-Größen "Der Pianist", "Das Leben ist schön" und "Schindlers Liste", ist eben auch dies ein weiterer unangenehmer, zu Tränen rührender, aber überaus wichtiger Filmbeitrag wider des Vergessens.
9/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Studiocanal
Textauszüge: Wikipedia
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