Dienstag, 19. Juli 2022

The Northman (2022)

https://www.imdb.com/title/tt11138512/

Im Jahr 895 herrscht der Wikingerkönig Aurvandil (Ethan Hawke) über sein Reich, aber plant bereits die Zukunft. Er will sich in die Totenwelt verabschieden und die Macht seinem jungen Sohn Amleth (Oscar Novak) übertragen. Doch Aurvandils Halbbruder Fjölnir (Claes Bang) hat andere Pläne und tötet den König, um selbst den Thron an sich zu reißen. Der junge Prinz kann fliehen, muss noch mitansehen, wie sein Onkel Fjölnir Königin Gudrún (Nicole Kidman), Amleths Mutter, gefangen nimmt. Er schwört, eines Tages seinen Vater zu rächen, die Mutter zu befreien und Fjölnir zu töten. Viele Jahre später ist Amleth ein kräftiger Krieger (nun: Alexander Skarsgård), der seinen Schwur von einst vergessen hat. Als Teil einer marodierenden Bande plündert er das Land der Rus - bis er beim Überfall auf ein Dorf an seinen alten Schwur erinnert wird. Als er erfährt, dass einige der gerade gemachten Gefangenen an den mittlerweile aus seinem Königreich nach Island vertriebenen Fjölnir verkauft werden, sieht er seine Chance gekommen. Unterstützt von Sklavin Olga (Anya Taylor-Joy) beginnt er seine Rache...

Nach dem puritanischen Neu-England des 17. Jahrhunderts und den alten Seefahrerlegenden des 19. Jahrhunderts entführt Regisseur Robert Eggers den Zuschauer in seinem dritten Spielfilm "The Northman" in die Zeit der Wikinger. Dabei nimmt er sich der Sage um Prinz Amleth an, die William Shakespeare als Inspiration zu seinem Drama "Hamlet" diente. Dabei wird einem schnell klar, dass es sich bei diesem Film um keinen fintenreichen Thriller handelt, sondern eher eine sehr geradlinige Rachestory: Als Junge muss Prinz Amleth mitansehen, wie sein Vater, König Aurvandil (Ethan Hawke), von dessen Bruder Fjölnir (Claes Bang) ermordet wird. Zudem wird Amleths Mutter, Königin Gudrún (Nicole Kidman), von Fjölnir geraubt. Er selbst kann jedoch entkommen und verbringt die folgenden Jahre bei einem Wikingerclan, bei dem er zu einem mächtigen Krieger heranwächst. Als er erfährt, dass sein Onkel sich auf Island aufhält, treiben ihn seine Rachegelüste auf die abgelegene Insel, um seine Mutter zu befreien. Unerwartete Unterstützung bekommt er dabei durch die Sklavin Olga (Anya Taylor-Joy). Kann sie ihn vom gewaltsamen Pfad seines Schicksals abbringen?

"The Northman" ist von der ersten Sekunde an ein typischer Robert-Eggers-Film. Seine bewährte und geschätzte Devise, in allem größtmögliche historische Authentizität zu erreichen, ist auch in seinem dritten Film sofort spürbar. Von den Locations über die Kostüme und Requisiten bis zur Sprache der Figuren. Der Zuschauer wird in die Welt der Wikinger des 10. Jahrhunderts gezogen und so schnell nicht wieder losgelassen. Jedoch reicht es dem Regisseur nicht, lediglich ein historisch genaues Abbild jener Zeit zu schaffen. Er versucht einmal mehr, uns eine vergangene Epoche durch die Augen eines Menschen zu zeigen, der in ihr gelebt hat. Daher lässt er immer wieder übernatürliche Bezüge aus der nordischen Mythologie und dem altnordischen Glauben einfließen. Natürlich wird all das in Eggers gewohnt opulenter (und gleichwohl düsterer) Inszenierung dargestellt. Vor allem seiner Liebe zu ausgedehnten Plansequenzen frönt der Regisseur in seinem neuesten Werk. 

Wer also lange, ungeschnittenen Szenen á la Brian De Palma schätzt, wird in "The Northman" das eine oder andere mal ins Staunen kommen. Ein weiterer großer Pluspunkt des Films ist sein Sounddesign. Die eigenwilligen, entrückten Bildkompositionen werden durch ebenso ungewohnte, fremdartige Klänge untermalt und verstärken somit den rauschhaften Charakter dieses Films. Auch darstellerisch lassen sich keine Makel finden, sämtliche Haupt- und Nebenfiguren sind passend besetzt und alle Darsteller liefern ordentlich ab. Besonders hervorzuheben sind vielleicht Alexander Skarsgard in der Hauptrolle, der als wütender Berserker eine Tour de Force sondergleichen absolviert und Anya Taylor-Joy als ebenso schöne wie rätselhafte slawische Hexe. 

Bis hierher scheint der Film also alles richtig gemacht zu haben. Dass es am Ende doch nicht zu einer noch höheren Bewertung reicht, liegt vor allem an der simplen Handlung. Dass inhaltlich nicht so viel passiert, sorgt vor allem im Mittelteil für die eine oder andere Länge, die trotz der durchweg hervorragenden Inszenierung und epischen Bilder aufkommt. Dies liegt auch am bewusst eher gemächlichen Verlauf, den der Regisseur für seinen Film gewählt hat. Und somit muss man eigentlich eine Wertung des Films mit einer Warnung versehen, denn "The Northman" ist eben kein actionreicher Abenteuerfilm, in dem pausenlos gemetzelt wird. Es ist auch kein "Conan, der Barbar" oder "Pathfinder". Trotz seines beachtlichen Budgets ist "The Northman" im Herzen ein Arthaus-Film. Es ist paradoxerweise kein Film für die breite Masse, aber es ist ein Film, den Kenner umso mehr zu schätzen wissen werden.

Ja, "The Northman" ist ein zwar stellenweise brutaler, aber immer ästhetischer und berauschender Ausflug in die wilde Welt der Wikinger. Trotz einiger kleiner Längen ist "The Northman" auch ein visuell und akustisch überzeugendes Werk, dass darüber hinaus die unverkennbare Handschrift seines Regisseurs trägt. Dass er eben nicht den breiten Geschmack der Masse trifft, hebt ihn daher auch ein ganz weites Stück über ähnlich gelagerte Erzählungen.

7,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Universal Pictures

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