Freitag, 22. Juli 2022

The Gray Man (2022)

https://www.imdb.com/title/tt1649418/

Der CIA-Agent Court Gentry (Ryan Gosling) aka Sierra Six ist schon zu Lebzeiten eine Legende - bekannt für sein lautloses und vor allem treffsicheres Töten. Kein Job geht ihm durch Lappen, keine Zielperson überlebt seine Attentate. Als Six jedoch in den Besitz von sensiblen Informationen kommt, die einige seiner Vorgesetzten belasten, sieht sich der kaltblütige Auftragskiller plötzlich selbst als der Gejagte. Vor allem sein ehemaliger Kollege Lloyd Hansen (Chris Evans) hat es auf Six abgesehen und leitet die Fahndung. Bald schon deckt der Profimörder eine große Verschwörung auf und muss, um das Leben seines Auftraggebers und dessen Familie zu verteidigen, vor den eigenen Leuten quer durch Europa fliehen...

Ein Actionthriller muss nicht zwingend kompliziert sein oder viel Wert auf die Handlung legen, solange er rasant inszeniert ist und der Unterhaltungsfaktor stimmt. Insofern macht "The Gray Man" von den Russo-Brüdern alles richtig, wenn er da einfach einen it geheimen Informationen bestückten USB-Stick in den Ring wirft, der zu einer Hetzjagd um die halbe Welt führt und von einem Netz aus Lügen und Intrigen begleitet wird. Die Dinge einfach zu halten, ist in dem Genre auch mal absolut vertretbar.

In Anlehnung an die "Jason Bourne"-Reihe funktioniert dies dann hier eben nicht ganz so tiefsinnig, doch handwerklich ist "The Gray Man", vor allem auch wegen der überbordernden Action, ein Knaller. Den Actionsequenzen fehlt zwar die Kernigkeit und eine gewisse schmutzige Attitüde (alles ist sehr sauber und direkt, sodass man eher glaubt, einen "John Wick"-Verschnitt zu sehen) und überhaupt sieht das alles etwas zu sehr nach MARVEL aus. Die Russos können eben ihre Herkunft nicht wirklich leugnen. Das macht aber auch nichts. Gerade weil unlogische Michael-Bay-Sequenzen den Zuschauer gleichzeitig begeistern als auch irrtieren. Mit einem beträchtlichen Budget von 200 Millionen USD (der bislang teuerste Netflix-Film) hat der Film aber auch ein kleines problem: er sieht gerade in den dermaßen dynamischen Action-Sequenzen schon sehr künstlich aus, doch der Erfolg dieser teilweise WTF-Sequenzen gibt den Russo-Brüdern nur recht. Sie können eben doch mehr als Superheldenfilme, obwohl deutlich sichtbar wird, dass sie viel von diesen sämtliche physikalischen Gesetze überwindende Helden auf ihren Protagonisten hier übertragen.

Die Figuren stammen allesamt aus dem Sammelalbum für Actionfilme. Der lässige, wortkarge (Anti-) Held, der diabolisch überzeichnete Gegenspieler, der erfahrene Mentor, das arrogante Emporkömmling-Arschloch in der Chefetage und natürlich die extrem toughe Agentin, die es locker mit der Männerwelt aufnehmen kann. Alle da, alle etwas farblos, aber alle auch gut besetzt. Ryan Gosling fühlt sich ohnehin wohl, wenn er nicht reden muss und die stets wunderbare Ana de Armas war schon in "James Bond: Keine Zeit zu sterben" eine der Highlights und setzt hier noch einen drauf. Selbst Chris Evans fühlt sich in seiner Rolle als diabloscher Fiesling sichtlich wohl, wobei man die Fragen stelle darf, was ihn zum Schnauzbart bewegt hat, der ihm irgendwie ein fremdes Gesicht gibt. Aber gut, seis drum. Doch Netflix wäre natürlich nicht Netflix, wenn es nicht an manchen Stellen mal dazwischen grätschen würde: So wird der Kampf der beiden Alphamännchen am Ende selbstverständlich von einer Frau beendet, weil alles andere ja nicht mehr zeitgemäß wäre. So gestelzter Quatsch müsste wirklich nicht sein, aber über Logik muss man in "The Gray Man" natürlich ohnehin nicht sprechen.

Seit ein paar Jahren schon darf man sich als Zuschauer und Fan über jeden aufwendigen, geradlinigen Actionfilm mit wenigstens etwas höherem Härtegrad, denn wirklich viel kommt von der Front nicht mehr, freuen. Dementsprechend darf man bei "The Gray Man" auch gnädig sein und über die zahllosen Verfehlungen, sichtbare CGI, Schablonen-Charaktere und wenn es manchmal inhaltlich etwas hakt, hinwegsehen. Ein paar Abzüge gibt es bei "The Gray Man" halt leider auch optisch, weil die Russos noch etwas zu sehr in ihrem MARVEL-Fahrwasser schwimmen, was für so einen Film nicht so recht passen mag. Man stellt sich unwillkürlich die Frage, was Leute wie Chad Stahelski, Pierre Morel, Michael Bay oder Antoine Fuqua aus dem Stoff gemacht hätten. Trotzdem: für diesen unterhaltsamen Actioner, der wunderbar über 2 Stunden erhält... passt es irgendwo.

8/10

Quellen
Inhaltsangabe: Netflix

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