Als der somalische Diktator im Jahr 1991 gestürzt wird, versinkt Mogadischu im Bürgerkrieg. Unruhen breiten sich rasend schnell aus, kurz darauf wird auch schon die nordkoreanische Botschaft gestürmt. Den Diplomaten bleibt keine andere Wahl, als die Flucht zu ergreifen und ausgerechnet bei ihren verhassten Erzfeinden aus Südkorea Unterschlupf zu suchen. Denn wenn sie sich einen Weg durch die gesetzlosen Straßen zwischen den sich bekriegenden Rebellen und Regierungstruppen bahnen wollen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ihre Differenzen beiseite zu legen und mit ihnen zusammen zu arbeiten…
Eine geradezu schwindelerregende Verfolgungsjagd rettet fast im Alleingang den südkoreanischen Film "Escape From Mogadishu", einen ansonsten recht steifen aber unterhaltsame Politthriller über koreanische Diplomaten, die während des Bürgerkriegs 1991 aus Somalia flohen. Man mag sich wundern, wie ein einziges Szenenbild einen ganzen Film retten kann, aber das ist genau die Art von Wunder, die Action-Fans von Autor/Regisseur Seung-wan Ryoo erwarten, vor allem, da "Escape from Mogadishu" in Ryoos Heimatland der erfolgreichste Film Südkoreas 2021 geworden war. Er beruht zwar lose auf wahren Begebenheiten, doch er spielt auch offenkundig mit dem Wunschdenken vieler Menschen, ein seit 1948 geteiltes Land wieder zu vereinen. Und Regisseur Ryoo Seung-wan geht der Gefahr von Schwarzweißmalerei relativ geschickt aus dem Weg und hat mehr als nur eine gewisse Ähnlichkeit mit Ben Afflecks "Argo". Und auch an "The Man Standing Next" fühlt man sich erinnert. Ryoo's Film übergeht trotzdem jede Nuance, sowohl auf erzählerischer als auch auf formaler Ebene, und gibt sich stattdessen der Sentimentalität und dem Zynismus hin, indem er vage den Krieg als Spießrutenlauf beklagt, den nur die Starken überleben können.
Gedreht am Originalschauplatz Mogadischu und in Teilen Marokkos, beeindrucken die Kulissen und die Ausstattung von Anfang an. Als die Aufständischen schließlich auf die Barrikaden gehen und die ebenso gewaltbereite Polizei mitmischt, befindet man sich inmitten eines Bürgerkriegs, der teils drastisch inszeniert ist, einschließlich einiger Gruppen von Kindersoldaten. Fast wäre es nahe liegend, die Nordkoreaner komplett negativ darzustellen, doch auch in den eigenen Reihen gibt es schwarze Schafe, was die Angelegenheit weitgehend ambivalent erscheinen lässt. Anfangs bleibt sogar noch ein wenig Raum für kleine Auflockerungen, für die ein etwas trotteliger Sekretär verantwortlich ist, wobei der Humor nie zu aufgesetzt wirkt und eher am Rande abgewickelt wird.
Nach etwa 45 Minuten gesellen sich mehr und mehr Actionanteile hinzu, wenn sich die Gruppen verschanzen müssen oder versuchen, mit einfachen Mitteln wie Bücher oder Sandsäcken ihre Fluchtwagen notdürftig zu panzern. Aufgrund der Authentizität der Sets muss die Inszenierung gar nicht so sehr auf einzelne Schauwerte setzen, sondern verlässt sich auf ein flottes Tempo und das Zusammenspiel der Figuren, welches aufgrund der soliden Darstellerleistungen recht glaubhaft rüberkommt. Bei der großen Verfolgungsjagd hat man immer ein Gefühl für die Proportionen und die Kohärenz des Geschehens, und jede neue Entwicklung der Handlung steigert die Spannung. Es spielt fast keine Rolle, dass diese Szene so oberflächlich und skizzenhaft ist wie der Rest des Films: Sie ist kühn und überwältigend genug, um einen starken Kontaktrausch zu erzeugen. Hinsichtlich der insgesamt fast 2-stündigen Laufzeit enthält der Stoff kaum nennenswerte Längen. Action und ruhigere Dialogpassagen halten sich gut die Waage, nur den Ausklang hätte man auf emotionaler Ebene etwas zurückhaltender in Szene setzen können. Somit ergibt sich eine gelungene Mischung aus Drama, Action und Thriller, die in Sachen Spannung noch etwas eindringlicher hätte zu Werke gehen können, doch Genrefans dürften unterm Strich kaum enttäuscht werden.6,5/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Splendid
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