Waad Al-Kateab lebt zusammen mit Samas Vater Hamza, einem Arzt, der im letzten funktionierenden Krankenhaus im von Rebellen besetzten Aleppo arbeitet. Die Stadt ist umzingelt und wird täglich vom syrischen Regime und der russischen Luftwaffe bombardiert, sodass die junge Mutter befürchten muss, jeden Moment getötet zu werden. Sie filmt eine Nachricht an ihre einjährige Tochter, um zu erklären, wer ihre Eltern waren, wofür sie kämpften und warum Sama auf die Welt kam – eine Aufnahme, falls Waad nicht überleben wird. Das erste Lebensjahr von Sama wird das letzte Jahr im Kampf um die Stadt sein, eine Zeit der von unvorstellbarer Dunkelheit. Das Regime und seine Verbündeten greifen auf jede erdenkliche Gräueltat zurück, um die Rebellen zu vernichten. Hamzas Krankenhaus wird bombardiert. Sie werden belagert und sind Zeugen von Angriffen durch Chlorgas, Streu- und Fassbomben, Massaker an Frauen und Kindern. Trotzdem haben Waad und Hamza Freude an der Elternschaft und erleben die ersten Wochen im Leben ihrer kleinen Tochter voller Spaß und Lachen. Sie gibt ihnen die Kraft, die letzte Rebellenbande zu ertragen. Schließlich werden sie überwältigt und ins Exil gezwungen...
Man muss sich sehr gut überlegen, ob man sich "Für Sama" überhaupt ansehen mag. Bereits nach 2 Minuten hat einen der Film so fest gepackt und mit einer Situation konfontiert, wie sie in Ländern, die sich nicht im Kriegszustand befinden, schwer bis gar nicht vorstellbar ist. Ein Kleinkind, Sama, und ihre Mutter, die ihr ein Lied singt, während von außen Detonationen zu hören sind. Dann wird es schnell unübersichtlich, Ärzte, Schwestern und Patienten suchen Schutz, ein Einschlag, weißer Rauch. "Wir müssen nach unten". Und dann die Mutter, Waad Al-Kateab, die im Keller des Krankenhauses ihre kleine Tochter filmt und mir ihr spricht: "Sama. Du bist das Schönste in unserem Leben. Aber was für ein Leben mute ich dir zu? Du hast dir das nicht ausgesucht. Wirst du mir das je verzeihen?" Aleppo, Juli 2016.
Man sieht Kinder, die blutüberströmt auf dem Boden sitzen, weinen und noch den Dreck von Trümmerteilen im Gesicht haben. Sie stehen völlig unter Schock, begreifen gar nicht, dass sie gerade eine Bombardierung aus der Luft überlebt haben. Und dann, schaut man in ihre Augen. Man sieht ihnen an, das erleben sie jeden Tag. Seit Jahren. Es ist ihr Alltag. Ihr Leben. Sie kennen nichts anderes als den Tod. Es gibt niemanden an den sie sich richten könnten, um sich zu retten. Denn alle um sie herum, sind denselben Wahnsinn ausgesetzt. Jedes Haus kann sofort einstürzen. Jeder Schritt kann der letzte sein. Die Flucht ist genauso gefährlich wie der Verbleib. Es bleibt nicht einmal mehr Zeit, um für all die Toten zu beten und zu trauern.Wer spätestens hier noch keine Tränen in den Augen und mit dem Kloß im Hals zu kämpfen hat, sollte in sich gehen und mal überlegen, an welcher Stelle seine Menschlichkeit verloren ging.
Es ist schwer in Worte zu fassen, was man als Zuschauer in der insgesamt 95-minütigen Dokufilm "Für Sama" zu sehen bekommt. Aufgenommen aus Sicht einer Journalistin und Mutter mitten in Aleppo während des Bürgerkriegs in Syrien über mehrere Jahre. Vor allem wird dem Zuschauer, während dieser vom gemütlichen Sofa aus hockend die Doku sieht, bitter vor Augen geführt, wie gut es ihm in der westlichen Welt eigentlich geht. Noch bitterer ist, das dies nur einen kleinen Teil dessen wiederspiegelt was in der Welt so alles schief läuft. Bilder, die man so nur selten zu Gesicht bekommt. Bilder, die fassungslos, traurig und wütend machen. Schlimmer als jeder Horrorfilm. Ungeschönt und weitgehend unzensiert die Aufnahmen, das man sich teilweise durchquälen muss, weil es kaum zu ertragen ist. Bilder von Leichen, zerfetzte Körper, und dazwischen immer wieder: Kinder. Auch wenn es immer wieder kleine Schimmer von Hoffnung gibt, zum Beispiel die Rettung eines durch Notkaiserschnitt geborenen Jungen, der keinen Puls hat, und seiner Mutter - Leid, Elend, Trauer, Angst, Verzweiflung, Tod sind durchgehend bestimmend.
In "Für Sama" bleiben leider manche Fragen offen, zum Beispiel die Frage, wie die
Journalistin und ihre engen Mitmenschen mit anderen Gruppierungen in Kontakt standen. Doch dieser politische Part wird schnell Nebensache, der
Fokus liegt klar und deutlich auf die Menschen dort, die für Freiheit
und ums Überleben kämpfen, sowie um ihre Kinder. Letztere sind hier die
wahren Verlierer, da sie keine Möglichkeit haben eine friedliche Kindheit
zu erleben - und einfach Kind zu sein. Das ist so grausam, soundenkbar und leider so real, dass es in nahezu jeder Sekunde dieser verstörenden Dokumentation weh tut. Und das soll es auch."Für Sama" ist fernab jeder Unterhaltung wie man sie kennt. Es ist aber immens wichtig hinzusehen, auch
wenn es so derbe unangenehm ist. Man kann nur hoffen, dass dieses Leid bald ein Ende findet und niemals in Vergessenheit gerät. Ein Film wie eine Naturgewalt. Wachrüttelnd und intensiv. Geht ans Herz und an die Nieren bis über die Schmerzensgrenze hinaus. Mit Sätzen wie: "Es ist schrecklich, aber ich beneide die (tote) Mutter. Sie musste wenigstens ihr Kind nicht begraben." Einfach furchtbar.
9/10
Quellen:
Inhaltsangabe: ARTE
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