Salvatore Giuliano (Christopher Lambert) raubt mit seiner Bande reiche, konservative Großgrundbesitzer aus und gibt die Beute an die Armen, die ihn als ihren Erlöser ansehen. Genau wie seine Popularität unter der Bevölkerung, die in ihm einen italienischen Robin Hood sieht, steigert sich auch sein Ego. Und auch unter den Mitgliedern seiner Bande bleibt es nicht lange unbemerkt, welchen Ruf Giuliano genießt, während, ihre Namen niemand kennt. So keimt Neid auf und die Loyalität Guilianos Mitstreiter scheint in Gefahr. Er wird dem Don der Mafia, Masino Croce (Joss Ackland),ein Dorn im Auge und so beauftragt der seinen Cousin und engsten Vertrauten, Pisciotta (John Turturro), um Giuliano zu beseitigen. Natürlich ist auch die Polizei hinter dem edlen Dieb her. Es scheint als rücke das Ende der altruistischen Feldzüge unausweichlich immer näher.
Mit "Der Sizilianer" drehte Regisseur Michael Cimino im Jahr 1987 bereits die zweite filmische Aufarbeitung der Geschichte über das Leben des sizilianischen Briganten Salvatore Giuliano. Die erste Verarbeitung des Stoffes ("Salvatore Giuliano" von Francesco Rosi, hierzulande eher unter dem Titel "Wer erschoss Salvatore G.?" bekannt) mit Franco Nero in der Hauptrolle bemühte sich um Authentizität, während Cimino hier schon der Versuchung erlag, in Giuliano einen "Robin Hood" Siziliens zu sehen und in anti-historische Schwärmerei zu verfallen. Das Drehbuch entstand auf der Grundlage des gleichnamigen Romans von Mario Puzo, der das Leben des Sizilianers schildert. Ihm gelang eine fesselnde Geschichte um das Zusammenwirken von organisiertem Verbrechen und Politik; um Freundschaft, Familie, Verrat und einen Mann, der in eine Zwangsrolle hineinwachsen muss - vollständig angesiedelt in der "alten" Heimat, mit größerem gesellschaftshistorischen Hintergrund. Während der Roman größtenteils mit guten Kritiken bedacht wurde, musste die filmische Adaption von Michael Cimino mit weitaus heftigerem Gegenwind zurechtkommen. Mal nicht wegen fehlinterpretierter, moralischer Anstößigkeiten, vielmehr wurde die Umsetzung per se angeprangert. Und gänzlich davon freisprechen kann man "Der Sizilianer" leider nicht, obwohl er sie zwischenzeitlich fast vergessen lässt.
Cimino hatte es nach dem Karriere-killenden Debakel um "Heaven's Gate"
nicht leicht. "Der Sizilianer" war der letzte Versuch von Cimino, sein
episches, klassisch-großes Erzählkino mit dem Hang zur extravaganten
Dekadenz (die ihm einst das Genick brach) wieder dem Publikum und den
Kritikern schmackhaft zu machen. Nach dem erneut ernüchternden Feedback
ließ er es bleiben, es folgten nur noch zwei Kinofilme mit sichtbar
zurückgenommenen Ambitionen. Dieses letzte Aufbäumen macht definitiv
auch nicht alles richtig, was fatalerweise bei der Besetzung der so
wichtigen Hauptfigur beginnt. Christopher Lambert entspricht schon
optisch und generell vom Typ nicht im Geringsten der in der
literarischen Vorlage beschriebenen Figur (das wäre sogar noch zu
verschmerzen), er stößt darstellerisch deutlich an seine limitierten
Fähigkeiten.
Trotz seiner Bemühungen ist er schlicht und einfach fehlbesetzt und nicht in der Lage, die Rolle mit entsprechender Tiefe auszufüllen. Im Gegenzug trumpfen Nebendarsteller wie John Turturro, Joss Ackland oder Terence Stamp groß auf. So pendelt sich die darstellerische Waage immerhin halbwegs im Gleichgewicht ein. Was die grundsätzliche, fachkundige Inszenierung angeht, machte Cimino ebenso kaum jemand etwas vor. Manche Szenen strotzen nur so vor Vitalität und großem Momentum, vollgestopft mit dieser inszinatorischen Kraft, die den unbändigen Ehrgeiz des Regisseurs und seinen Antrieb zum Maximum eindrucksvoll zum Vorschein bringen. Der Film entwirft ein ähnlich interessantes Konstrukt aus Historien-, Politik-, Helden- und Gangstergeschichte wie einst "Der Pate", erreicht jedoch nie dessen Größe und Genialität. Das politisch-gesellschaftliche Konfliktpotenzial einer seit Jahrzehnten gespaltenen Zweiklassengesellschaft in Italien. Ein unentschlossener, wackeliger Prozess zwischen abflachendem Faschismus, (wieder)aufkeimendem-revolutionärem Kommunismus und der geschmierten Politik der angeblichen Mitte, in der die Mafia, die höheren Zehntausend und natürlich die über allem stehende Kirche gemeinsam an einem Strang ziehen. Viel Stoff - fast zu viel für 140 Minuten Film - die trotz eines gemäßigten Tempos sehr schnell vergehen, dabei eine nicht immer schlüssige Charakterentwicklung im Eiltempo überspringt. Wohl ebenfalls den Umständen geschuldet, einem Cimino würde niemand wieder 3 oder noch mehr Stunden Zeit geben, um sich voll austoben zu dürfen. So ist es ein fehlerhafter, gehemmter und manchmal unglücklich gelöster, im Ansatz aber trotzdem noch großer Film. Mal fast romantisch verklärter Edel-Kitsch, mal nah an einem heftigen, intelligenten und hintergründigem Epos.
Erzählerisch zwischen grandioser Klasse und Seifenoper, mit großen Bildern und schwammig skizzierten Figuren. "Der Sizilianer" ist ein Grenzgänger, der den Zuschauer mitnimmt, beeindruckt und gleichwohl immer wieder ernüchtert. Irgenwie nicht Fisch, nicht Fleisch. Halbgar.
5/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Koch Films
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