Der Ruhrpott im Jahr 1972: Der neunjährige Hans-Peter (Julius Weckauf)
ist ein wenig pummelig, lässt sich davon aber nicht bedrücken.
Stattdessen feilt er fleißig an seiner großen Begabung, andere zum
Lachen zu bringen, was sowohl bei den Kunden im Krämerladen seiner Oma
Änne (Hedi Kriegesgott) als auch bei seiner ebenso gut gelaunten wie
feierwütigen Verwandtschaft natürlich gerne gesehen wird. Doch dann wird
seine Mutter Margret (Luise Heyer) wegen einer chronischen
Kieferhöhlenentzündung operiert und verliert ihren Geruchs- und
Geschmackssinn, wodurch sie in eine tiefe Depression stürzt. Sein Vater
Heinz (Sönke Möhring) ist ratlos, aber Hans-Peter fühlt sich dadurch nur
noch umso mehr angetrieben, sein komödiantisches Talent auszubauen...
Basierend auf Hape Kerkelings gleichnamigem autobiographischem Bestseller ist "Der Junge muss an die frische Luft" sicher eine Perle unter den deutschen Verfilmungen. Hape Kerkeling kann man als Komiker und Entertainer mögen oder nicht, doch seine Lebensgeschichte, von Komik und Tragik gleichwohl geprägt, sollte man sich definitiv nicht entgehen lassen. Der Film zeigt Hape Kerkelings Kindheit und Jugend in der Ruhrgebietsstadt Recklinghausen. Er nimmt sich nur 3 Jahre aus der Kindheit des kleinen Hans-Peter, die aber einschneidend, traurig und dennoch unglaublich herzlich erzählt werden. Mit einer tragikkomischen Leichtigkeit, grandios gespielt von Julius Weckauf, der sich leichtfüßig in das Herz des Zuschauers spielt, ist der kurze Einblick in das Leben das Künstlers interessant und bietet einen sehr vielschichtigen Einblick in das Leben Kerkelings. Er bietet in gleichem Maße entwaffnend offenen Einblicke in Kerkelings Lebenslauf und
beleuchtet auf eine wunderschön emotionale Weise die bewegten Jahre
seiner Kindheit. Der Film zeigt unglaublich lebendig das Lokal- und
Zeitkolorit der Endsechziger und der beginnenden 70er Jahre im
nördlichem Ruhrgebiet und bietet, neben dem bereits genannten Hauptdarsteller, eine tolle Besetzung auf.
"Ich geh als Prinzessin!"
Es sind die Menschen, die Regisseurin Caroline Link so echt und realitätsnah
portraitiert, dass man sich direkt in sie verliebt.
Diese Direktheit - vom Herz auf die Zunge - einfach, solidarisch und
herzlich – und diese liebevoll ehrlich gemeinte "Ruppigkeit", die im Ruhrpott Kultur hat. "Dat kann schomma weh tun". Link hat es einfach raus, Geschichten zu erzählen, sie erinnert in ihrer Art an die alten Filme von Lasse Hallström - voller
Gelassenheit, einfach und so nah wie möglich an ihren Figuren - immer
mit herzlichem Blick. Und wie selbstverständlich sie den kleinen Hape in
Kaufhauskatalogen auf die männlichen Unterwäschemodels blicken lässt,
ist ganz reizend. Als Entertainer mit Bühnenpräsenz muss man geboren werden - doch Hape
Kerkeling ist das beste Beispiel – ebenso wie Ruhrpott-Original Helge Schneider - dass Humor echte Tiefe und
Persönlichkeit braucht. Und genau das hat auch dieser Film. Er ist
warmherzig, humorvoll und menschlich. "Der Junge muss an die frische Luft" ist nicht nur eine Hommage an
die Ursprünge des Entertainers Hape Kerkeling, sondern auch eine an das
Ruhrgebiet und seine Menschen. Einfach toll. Wenn auch beständig mit einer gewissen Grundmelancholie unterlegt.
9/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Warner Bros.
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