Der Fotograf John (Giovanni Ribisi) ist zusammen mit seiner Frau
Charlotte (Scarlett Johansson) auf Geschäftsreise in Tokio und hat
dabei wenig Zeit, sich um seine junge Frau zu kümmern. Die japanische
Kultur ist ihr fremd, sie fühlt sich allein. Dem amerikanischen
Schauspiel-Star Bob Harris (Bill Murray) geht es ähnlich. Mit Jet Lag in
den Knochen steht er für finanziell lukrative Aufnahmen zu einem
lächerlichen Werbespot für eine japanische Whiskey-Marke vor der Kamera.
Er ist über 20 Jahre verheiratet, aber das Feuer ist in seiner
Beziehung schon längst erloschen. An der Bar des noblen Park Hyatt
Hotels kreuzen sich die Wege von Charlotte und Bob. Sie kommen ins
Gespräch und finden sofort einen Draht zueinander. Gemeinsam machen sie
sich auf, die bizarre Welt Tokios zu erkunden...
Wer kennt das nicht? So Phasen im Leben, in denen irgendwie die Details des Daseins die eigentlich vorhandene Freude am selbigen trüben.
Für Sofia Coppola, die während der 1990er Jahre in Tokio ihr Modeunternehmen Milkfed leitete, war die Stadt zu einer zweiten Heimat geworden. Ihre Erfahrungen mit dem Jetlag und den unterschiedlichen Landessprachen veranlassten sie, über das Phänomen der Losgelöstheit und der Kameradschaft unter Ausländern zu schreiben. In sechs Monaten waren im kalifornischen Los Feliz lediglich 20 Drehbuchseiten entstanden. So reiste sie Anfang 2001 für ein paar Wochen nach Tokio, um ihr Buch um Schnappschüsse zu erweitern. Sie ließ sich dabei von Filmen wie "Die mit der Liebe spielen", "Ein Herz und eine Krone", "Tote schlafen fest", "In The Mood For Love", "Hinter dem Rampenlicht" und der Musik von "My Bloody Valentine" inspirieren. Schließlich umfasste das Drehbuch 70 Seiten; Coppola bot die Rechte weltweit verschiedenen Verleihern an, um den Film unabhängig vom Hollywood-System zu finanzieren und den Final Cut nicht an einen übermächtigen Geldgeber abtreten zu müssen (tatsächlich kam so das veranschlagte Budget von 4 Mio. US-Dollar zusammen).
Während Coppola fünf Monate lang versuchte, ihre Muse Bill Murray zu erreichen (der seit 1999 keiner Agentur mehr angehörte und seinen Anrufbeantworter nur selten abhörte), begann die Vorproduktion im Frühjahr 2002. Murray hatte inzwischen zwar zugesagt, aber keinen Vertrag unterschrieben. Er erschien jedoch am ersten Drehtag (29. September) in Japan. Sofias Bruder Roman Coppola machte mit einem zweiten Kamerateam Großstadtaufnahmen von Tokio, während Sofia mit den Darstellern arbeitete. Lediglich die damals 17-jährige Scarlett Johansson und Giovanni Ribisi kannten sich, alle anderen Darsteller trafen sich erst in Tokio. Während das 35-mm-Filmmaterial für romantische Bilder sorgen sollte, bestand Coppola auf der Methode der Improvisation, was einzelne Momentaufnahmen unterstützt: So spielt zum Beispiel Catherine Lambert, die Jazz-Sängerin in der Hotellounge des Park Hyatt, spontan auch Murrays Geliebte, während Kostümbildnerin Nancy Steiner die Telefonstimme von Bobs Ehefrau gibt. Unerlaubt wurden heimlich Szenen in der U-Bahn, auf Straßen und in einem Starbucks gedreht; Murrays Karaoke und die Whisky-Foto-Session entstanden intuitiv. Bei überraschenden Regenfällen musste Johansson durch das Unwetter spazieren, im Shabu-shabu-Restaurant wurde um vier Uhr morgens plötzlich der Strom ausgeschaltet (die Filmtruppe hatte zehn Minuten überzogen), und auch der inzwischen legendäre Abschiedskuss stand nicht im Buch, sondern war aus der Stimmung heraus entstanden. Nach 27 Drehtagen verließ das Team Japan am 8. November.
Wenn dann auch noch eine von den Gastgebern engagierte japanische Professionelle Murray in die Bredouille bringt, ein Japaner beim Karaoke "God Save The Queen" singt, Teppichproben um die halbe Welt geschickt werden, das Naivchen "Nobody Does It Better" in der Hotelbar zum Besten gibt und Johansson eine rosa Perücke trägt, gibt es kein Halten mehr. Ein großartig angerührtes Ouevre, bei dem Sofia Coppola einerseits kunstvoll arrangiert, aber andererseits vieles einfach dem Gutdünken der Akteure überläßt. Was dann dabei herauskommt, ist epochal, sympathisch, kaum erreichbar romantisch, gedankenverloren, sehr humorvoll und eine Symbiose aus so ziemlich allem, was dem Medium Film seine Berechtigung als Kunstform gibt. Und wem das Ganze zu ruhig ist, der kann sich damit trösten, dass der distinguierte ältere Herr in der Hauptrolle sich dann sein oranges Camouflage-Shirt auf links dreht, um richtig einen drauf zu machen.
8,5/10
Von BIRNENBLATT erschien der Film in einem limitierten Mediabook inklusive Audio-Booklet:
Quellen:
Inhaltsangabe: Constantin Film
Textauszüge: Wikipedia
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