Mittwoch, 27. März 2024

Orphan: First Kill (2022)

https://www.imdb.com/title/tt11851548/

Leena (Isabelle Fuhrman) leidet an einer seltenen Krankheit, die dafür sorgt, dass sie wie ein etwa zehnjähriges Mädchen aussieht, obwohl sie in Wahrheit schon über 30 Jahre alt ist. Seit einiger Zeit ist sie in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung in Estland untergebracht, weil sie ihr kindliches Aussehen dafür missbraucht hat, nichtsahnende Menschen auszurauben und zu verletzen. Doch dann gelingt ihr eines Tages die Flucht und sie beschließt, ihre Heimat hinter sich zulassen: Sie gibt sich als Esther aus, die Tochter von Allen (Rossif Sutherland) und Tricia Albright (Julia Stiles), die vor vielen Jahren verschwunden ist und landet so in den USA. Auch dort will sie das Vertrauen der Familie Albright ausnutzen, um an deren Wertgegenstände zu gelangen. Doch sie bekommt es mit einer Mutter zu tun, die zu allem bereit ist, um ihre Familie zu schützen...

Der Horrorfilm "Orphan" aus dem Jahr 2009 stützte sich auf eine wahrhaft dramatische Einbildung, die ausschließlich auf dem Aussehen und der unheimlichen Reife der damals 12-jährigen Isabelle Fuhrman als elternloses Kind beruhte, das im Film größtenteils Esther hieß. Aber Fuhrmans unheimliche Leistung, unterstützt durch ebenso überdurchschnittliche Wendungen von Vera Farmiga und Peter Sarsgaard und geschicktes Genre-Management von Regisseur Jaume Collet-Serra, verwandelte irgendwie aus einer gemischten Tüte ein bizarr elegantes Retikulum von gewisser Bedeutung. 

Dieses Prequel, in dem Fuhrman wieder als Esther die Hauptrolle spielt, ist leider nicht annähernd so elegant oder clever, obwohl es nach zwei Dritteln Laufzeit seine eigene verrückte Wendung hat. Problematischer aber ist, dass, wenn man den ersten Film gesehen hat, Fuhrman jetzt Jahre älter ist, was den Versuch, sie als Neunjährige auszugeben, noch schwieriger macht, obwohl ein gewisses Maß an VFX-Spielerei und der Einsatz von Stunt-Doubles für einige Aufnahmen vorgenommen wurden, um die Proportionen anzupassen. Wenn jedoch digitale Arbeiten dazu dienten, das Gesicht des Schauspielers zu altern, reichte das defintiv nicht aus. Das macht die Handlung zu einem Unsinn, der damit beginnt, dass die kleine Soziopathin sich neu erfindet, um von Julia Stiles und Rossif Sutherland als amerikanisches Paar aus der oberen Mittelschicht aufgegriffen zu werden, die glauben, sie sei ihr verlorenes Kind. Während die Wendung einen Teil der Leichtgläubigkeit in der Welt der Erwachsenen erklärt, ist es ein langer Weg für den Zuschauer.

Das Enttäuschendste an dem Film aber ist, dass er weder den Funken noch die Originalität des ersten Films aufweist und nur parasitär sein Ausgangsmaterial aussaugt, indem er Details wie die gruseligen Schwarzlichtzeichnungen und den grenzwertig pädophilen Subtext einbezieht, ohne etwas Wesentliches hinzuzufügen. Sogar der langweilige Versuch, die voyeuristische Sexszene aus dem Originalfilm zu wiederholen - ein wirklich erotischer Moment, in dem Farmiga und Sarsgaard gegen eine Kücheninsel stolpern - ist ein schlechter Ersatz. Da wäre deutlich mehr drin gewesen.

6/10

Quellen
Inhaltsangabe: Studiocanal
Poster/ArtworkStudiocanal

Red Eye (2005)

https://www.imdb.com/title/tt0421239/

Lisa Reisert (Rachel McAdams) hat Angst vorm Fliegen, doch der Horror, in dessen Fänge sie auf dem Flug nach Miami gerät, hat damit nichts zu tun. Nur wenige Minuten nach dem Start offenbart ihr charmanter Sitznachbar Jackson (Cillian Murphy) sein grimmiges Geheimnis. Wenn Lisa ihm nicht dabei behilflich ist, einen reichen Geschäftsmann zu töten, wird ihr eigener Vater Joe (Brian Cox) durch einen Auftragskiller sterben, der nur auf den Anruf von Jackson wartet. Lisa soll ihre Anstellung in einem Hotel dafür nutzen, dass die Zielperson in ein bestimmtes Zimmer verlegt wird. Gefangen in einem Flugzeug hat die junge Frau keine Möglichkeit vor dem eiskalten Jackson zu fliehen. Alle Hilfsgesuche scheinen ausweglos. Lisa ist wortwörtlich mit einem Killer in 10.000 Metern Höhe eingeschlossen. Nur ihr Geschick kann das Leben des Geschäftsmannes und das ihres Vaters retten. Doch die Vorzeichen stehen schlecht...

Wes Cravens "Red Eye" ist ein guter Thriller und strebt dieses Ziel kompetent, ja schonungslos an. Dabei hilft Rachel McAdams enorm, ihre Darbietung überzeugt, weil sie auf Bodenniveau bleibt; Thriller laden zum Übertreiben ein, aber sie bleibt glaubwürdig, selbst wenn die Action um sie herum an Fahrt gewinnt. Was das Ziel eines Thrillers würdig macht, ist die Tatsache, dass der Terrorplan natürlich neunmal komplizierter ist, als er sein müsste, und dass er ausschließlich aus Dingen besteht, die schief gehen könnten. Die Szenen an Bord des Flugzeugs sind angesichts der Situation so überzeugend und plausibel, wie sie nur sein können. Und die Szenen nach der Landung des Flugzeugs verleihen dem Standardszenario, in dem sich Mörder und Opfer gegenseitig verfolgen, eine coole Exzellenz.

Was am Film vielleicht am besten gefällt, ist seine Zurückhaltung. Es ist geradezu ein Vergnügen, Charaktere in einem Thriller dabei zuzusehen, wie sie das tun, was Menschen wie sie nur tun könnten. Es gibt keine übernatürlichen oder übermenschlichen Taten im Film, außer man zählt das lächerliche Detail, dass eine Figur nicht durch eine unerwartete Tracheotomie ausgebremst wird. Der Film versucht sogar, diese Entwicklung durch einen herbeigeeilten Arzt plausibel zu machen. Wes Craven, der Regisseur, dreht schon lange Thriller und weiß, wie man das macht. Nicht schlecht.

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: Sony / Columbia Pictures
Poster/ArtworkSony / Columbia Pictures

Dienstag, 26. März 2024

The Equalizer 3 - The Equalizer 3: The Final Chapter (2023)

https://www.imdb.com/title/tt17024450/

Robert McCall (Denzel Washington) plagt das eigene Gewissen. Als Auftragsmörder für die eigene Regierung hat er in der Vergangenheit viele Dinge tun müssen, die er nun nicht mehr mit seinen Wertevorstellungen übereinbringen kann. Im malerischen Süditalien versucht McCall nach einer brutalen Auseinandersetzung mit Drogenschmugglern ein neues Leben zu beginnen und sich in den Killer-Ruhestand zu begeben. Doch die Frieden ist ein trügerischer, denn schnell wird ihm klar, dass auch hier finstere Mächte das Sagen haben. Um seine neuen Freunde zu beschützen, muss er noch einmal aufmunitionieren und auf altbekannte Methoden zurückgreifen. Denn hinter alldem steckt die Mafia...

Der mysteriöse Bürgerwehrmann Robert McCall (Denzel Washington) kehrt zurück, um noch extravagantere, blutige Rache an einer Reihe verdienter Bösewichte zu nehmen. Dieses Mal findet er sich aus fragwürdigen Gründen, die erst am Ende des Films klar werden, in Italien wieder. Konkret handelt es sich um eine kleine Stadt an der Küste Siziliens voller lächelnder, durchaus anständiger Bürger und einer Bande schießwütiger Mafia-Schläger. McCall hält die Stadt für einen potenziellen Ort für seinen lange aufgeschobenen Ruhestand und vertieft sich in seine einzigartigen Fähigkeiten und seinen scheinbar unerschöpflichen Waffenschatz, um mit der Camorra fertig zu werden, während CIA-Agent Collins (Dakota Fanning) zur Stelle ist, um die offenen Fragen zu klären.

Mit Antoine Fuqua wieder auf dem Regiestuhl und einem Gewalt ankündigenden musikalischen Motiv in der Partitur, das wie das Abschlachten einer E-Gitarre klingt, geht es im dritten Teil der "Equalizer"-Reihe ganz normal zu: einer, der streng schwarze und schwarze Filme enthält weiße moralische Darstellungen, Enthauptungen und Augenhöhlentraumata. Aber auch wenn es hier keine Überraschungen gibt, sind doch die sachliche Effizienz von McCalls Vergeltung und das teuflische Glitzern in Washingtons Augen, während er sie ausführt, ein emotionales, unterhaltsames Erlebnis, weclhes man sich durchaus mal ansehen kann und Fans sicher nicht enttäuschen dürfte.

6,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Sony / Columbia Pictures
Poster/ArtworkSony / Columbia Pictures

7 Zwerge - 7 Zwerge: Männer allein im Wald (2004)

https://www.imdb.com/title/tt0382295/

Seit sie von Frauen enttäuscht wurden, leben sieben Männer allein im Wald. Man kennt sie als die sieben Zwerge, auch wenn sie rein körperlich nichts mit den Märchenfiguren gemein haben: Brumboss (Heinz Hoenig) ist der väterliche Chef und Gründer des Zipfelmützenclans. Cooky (Markus Majowski) ist der vegetarisch veranlagte Kochzwerg. Tschakko (Mirko Nontschew) ist der Kämpfer der Gruppe. Sunny (Ralf Schmitz) ist immer gut drauf und dessen Bruder Cloudy (Boris Aljinovic) ständig miesepetrig. Speedy (Martin Schneider) zeichnet sich vor allem durch sein gemächliches Tempo aus und Bubi (Otto Waalkes) ist das ständig kichernde Nesthäkchen. Das Leben der Zwerge ist entspannt, bis eines Tages das geile Luder Schneewittchen (Cosma Shiva Hagen) ins Dorf kommt, um sich vor der bösen Hexe (Nina Hagen) zu verstecken...

Nach dem Desaster von "Otto: Der Katastrofenfilm" erkannte Otto Waalkes wohl dass er in die Jahre gekommen ist und sein Humor nicht mehr ankommt - deshalb dachte er sich diese harmlose Verschaukelung auf ein Märchen aus und stopfe jede, aber auch jede erdenkliche Nebenrolle mit Promis aus - so treten Mavie Hörbiger, Helge Schneider, Christian Tramitz, Harald Schmidt, Helmut Zerlett, Hilmi Sözer, Tom Gerhard, Rüdiger Hoffmann und Atze Schröder auf. Dabei traf er die kluge Entscheidung die Darsteller wie im Fernsehen agieren zu lassen - wenn Atze Schröder als Hofnarr seine Witze reißt macht er das wie er es auch auf der Bühne tun würde, wenn Rüdiger Hoffmann als "Spieglein an der Wand" seine Reden schwingt ist das wie eine seiner Shows und ebenso reißt Tom Gerhardt als prolliger Wächter die Flüche über seine Frau wie Hausmeister Krause es tun würde. In sofern braucht der Film keine Geschichte, er hat einfach nur einen dünnen roten Faden der sich lose an Grimms Märchen orientiert und Figuren daraus aufgreift - der Unterhaltungswert resultiert aus dem permanenten Auftreten der Comedians. Otto selber hat dabei leider keine guten Szenen, er trippelt als unbeholfener dämlicher Zwerg durch die Szenerie und macht sich nur zum Teil des Ensembles. Leider hat der Film ein schlechtes Timing: in seinem Erscheinungsjahr sah er neben Hits wie "Der Wixxer" und sogar dem mittelmäßigen "(T)Raumschiff Surprise" doch recht alt aus. Unterm Strich bleibt er aber eine harmlose Märchenverschaukelung, welche alleine durch die prominenten Gaststars und leider nicht durch die Story oder die Gags halbwegs funktioniert.

4,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Universal Pictures
Poster/Artwork
Universal Pictures

Road House (2024)

https://www.imdb.com/title/tt3359350/

Der nach dem Ende seiner Karriere ziemlich abgehalfterte Mixed-Martial-Arts-Mittelgewichtskämpfer Elwood Dalton (Jake Gyllenhaal) erhält das Angebot, in einer Truck-Stop-Bar namens "Road House" auf den Florida Keys als Türsteher zu arbeiten. Ein solcher wird dort nämlich dringend benötigt, seit das Publikum ziemlich übel geworden ist und Daltons Bekanntheit könnte einige Trunkenbolde davon abhalten, überhaupt erst eine Schlägerei anzufangen. Die eigentliche Gefahr für das „Road House“ droht jedoch von anderer Seite, denn der windige Investor Brandt (Billy Magnussen) will den Laden übernehmen, um dort ein Luxus-Ressort zu errichten. Um sein Ziel zu erreichen, setzt er den ultrabrutalen Schläger Knox (UFC-Champion Conor McGregor) und seine Leute auf die Bar an. Doch da haben sie die Rechnung ohne Elwood Dalton gemacht.

"Road House" ist ein ansteckend stilvolles Stück mit einer saloppen Ader. Es handelt sich um ein Remake des gleichnamigen Kultfilms aus dem Jahr 1989, in dem Patrick Swayze die Hauptrolle spielte, und diese Inszenierung ist mit Schwung, Witz und dynamischer Härte versehen, die den Originalfilm noch wackliger wirken lassen als früher. Doug Liman, der Regisseur des neuen "Road House", arbeitet er hart daran, interessante und verantwortungsvolle Dramen zu machen, aber hier kann man schmecken, wie gut es sich für ihn angefühlt haben muss, unverantwortlich zu sein und seinem wilden B-Movie-Dasein nachzugeben. Die Action in "Road House" ist mehr als brutal; Manchmal ist sie sogar bösartig. Obwohl der Film weitaus gewalttätiger ist als ein durchschnittlicher Actionfilm, ist er auf seine leicht verrückte Art auch menschlicher. Liman inszeniert den Stoff für maximalen Realismus, und Jake Gyllenhaal liefert als gefallener Kämpfer der Ultimate Fighting Championship, der angeheuert wird, um eine Raststätte in Glass Key, Florida, aufzuräumen, eine echte Leistung. 


Der 1989er "Road House" wurde für fünf "Goldene Himbeeren" nominiert und hat wahrscheinlich die meisten davon auch verdient, dennoch war es ein bescheidener Hit, an den man sich gern erinnert, denn es ist die Art von Müll, in dem man sich entspannen kann. Es ist wie ein Chuck-Norris-Film mit einem echten Schauspieler im Mittelpunkt. 

Als Dalton, kein Türsteher, sondern ein "Cooler" (d. h. die coolste Stufe eines Super-Türstehers), der angeheuert wird, um eine Hooligan-Kneipe in Jasper, Missouri, aufzuräumen, schätzt Swayze jeden Gegner völlig angstfrei ein - er hat blaue Augen und  harte Wangenknochen und eine tödliche Ruhe: Er ist wie der westliche Revolverheld, der als buddhistischer Scheißkerl wiedergeboren wird. Als Dalton von Swayze im "Double Deuce" ankommt, dem heruntergekommenen Lokal, in das er wieder Ordnung bringen soll, herrscht dort Chaos (oder zumindest die Backlot-Version der 1980er Jahre: eine Orgie aus zerbrochenem Requisitenglas, Maissirupblut und Kämpfen, die wie Stuntkämpfe aussehen. Aber schon nach wenigen Minuten wird klar, dass er jedem in den Arsch treten kann, ohne ins Schwitzen zu geraten. Deshalb muss er gegen den einheimischen Mr. Big antreten, gespielt von Ben Gazzara mit einem eintönigen Grinsen; Je mehr sich "Road House" auf diesen Showdown einlässt, desto formelhafter wird er. Swayze, der wirklich ein guter Schauspieler war, hält die skizzenhafte Unterwelthandlung zusammen (mit ein wenig Hilfe von Sam Elliott), aber am Ende wünscht man sich fast, es wäre ein Chuck-Norris-Film.

Warum also dieses nostalgische Schrottstück aus den späten 80ern neu machen? Denn in einer Welt, in der die "John Wick"-Filme als hohe Kunst der Action gelten, ist irgendwann ja auch mal eine Grneze erreicht. Doch Gyllenhaal spielt seinen Dalton aufrichtig und dennoch sarkastisch, und seine Schläge sind schnell und hart. Und obwohl er im Grunde genommen ein guter Kerl ist, genau wie die Swayze-Figur, hat er mehr Qual und mehr Wut, die unter ihm brodelt. Gyllenhaal spielt Dalton fast ironisch rezessiv, aber man möchte ihm nicht in die Quere kommen. Frankie (Jessica Williams) ist die Besitzerin des "Road House",  ein weitläufiger Zufluchtsort am Strand mit einem Grasdach und offenen Wänden, wie eine riesige Tiki-Bar. Warum muss es aufgeräumt werden? Denn Brandt, gespielt von Billy Magnusse, will den Ort beseitigen, um ein Luxusresort zu errichten.

Die Handlung ist an sich einfach, aber jeder der Bösewichte hat seine eigene verrückte Note. Brandt, der Schurke, der er ist, glaubt tatsächlich, dass er ein tugendhafter Architekt der Gemeinschaft ist; das ist seine böse Torheit. Und als Dalton Dell (JD Pardo), den Anführer der örtlichen Motorradbande, mit Hilfe des Krokodils, das unter dem Hausboot lebt, in dem er verunglückt, aus dem Geschäft drängt, ruft Brandts mächtiger Vater einen brutalen Mittelstürmer herbei: Knox, gespielt von der irische Mixed-Martial-Arts-Kämpfer Conor McGregor in einem atemberaubenden Filmdebüt. Mit seinem dicken Bart, der kräftigen Brust und den strahlend weißen Zähnen lässt er Knox sich wie einen Gorilla mit Aufmunterungspillen bewegen, und die Ausgelassenheit seiner mörderischen Wut könnte einem "Mad Max"-Film entsprungen sein.


Dies ist ein Gegner, der Dalton würdig ist - ihm ebenbürtig, abgesehen von der Tatsache, dass er auf der Seite der Bösen steht. Aber während sich der Film auf seinen ultimativen Showdown zubewegt und dabei sehr fahrzeughaft wird (Liman verwandelt die krachenden Konfrontationen von Lastwagen und Booten in eine Art nihilistisches Actionballett), spürt man die tiefgründige Tragweite. Dies ist kein Krieg, den man durch Schläge gewinnen kann. 

"Road House" sollte man aber trotz seiner stylischen Art nicht überbewerten. Es ist ein Film, wie der erste Film, der aus Standardkomponenten zusammengesetzt ist. Und doch ist das ein Teil seines schäbigen Vergnügens - dass es keinen Anspruch auf sich selbst erhebt, abgesehen von der Intensität, mit der Liman es inszeniert und die Kampfszenen in ausgelassene, spontane Smash-Feste verwandelt. Daniela Melchior, die die Rolle von Kelly Lynch (der örtlichen Ärztin, die sich in Dalton verliebt) übernimmt, verstärkt die knallharte Romantik. Aber es ist Gyllenhaals Film. Er strahlte auf der Leinwand immer eine warme und fast ätherische Anständigkeit aus, doch es fiel ihm schwer, das perfekte Vehikel dafür zu finden. Wer hätte gedacht, dass der ultimative Ausdruck von Jake Gyllenhaals Herz seine Fähigkeit sein würde, so hart zuzuschlagen?

7/10

Quellen:
Inhaltsangabe: amazon Video
Poster/Artwork: amazon Video

Montag, 25. März 2024

Idiocracy (2006)

https://www.imdb.com/title/tt0387808/

Joe Bowers (Luke Wilson) ist ein leicht unterbelichteter Bibliothekar, der sich bereiterklärt, an einem Experiment teilzunehmen: Zusammen mit der einfältigen Prostituierten Rita (Maya Rudolph) wird er in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt. Nur leider werden die beiden dann vergessen und tauen erst im Jahr 2505 wieder auf. Die Vereinigten Staaten haben sich in der Zwischenzeit zu einer Nation von Dummköpfen entwickelt, und Joe und Rita sind plötzlich die beiden schlausten Bürger des Landes. Eine Erkenntnis, die verheerende Folgen haben wird...

Eines muss man neidlos anerkennen: Mike Judge erkennt die alltägliche Frustration und die kleinen Eigenheiten, mit denen sich Menschen tagtäglich herumschlagen. Während er in "Idiocracy" in einem größeren, umfassenderen Maßstab arbeitet, löst sich seine Kontrolle jedoch schnell in einem freien Fall von Ideen und Witzen auf, von denen einige ins Schwarze treffen und andere mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden landen. Judge ist alles gleichgültig, was auch nur annähernd an Raum oder Rhythmus erinnert, doch die Low-Tech-Attitüde seines Ansatzes verstärkt letztendlich die bissigen Themen, indem er die futuristische Atmosphäre absurd transparent macht. "Idiocracy" ist zu zerstreut und kompromittiert, um die konzeptionelle Trostlosigkeit über den Bereich der schlichten Komödie hinaus zu treiben, obwohl Judges kultureller Zorn die ganze Zeit über spannend bleibt: Bei aller slapstickigen Dummheiten der Charaktere macht Judge deutlich, dass es ihre fügsame Akzeptanz (sprich: politische Inaktivität) ist, die sie zu wahren Dummköpfen macht. Und das ist der Knackpunkt.

6,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Twentieth Century Fox
Poster/Artwork: Twentieth Century Fox

Samstag, 23. März 2024

Revolutionary Road - Zeiten des Aufruhrs (2008)

https://www.imdb.com/title/tt0959337/

Es ist ein beschauliches Leben, dass Frank Wheeler (Leonardo DiCaprio) mit Gattin April (Kate Winslet) und zwei kleinen Kindern im Connecticut der 50er Jahre lebt. Auch wenn der junge Mann seinen Bürojob nicht mag, bringt der doch genug Geld für ein hübsches Familienhaus in der "Revolutionary Road". Nach einem misslungenen Versuch, in der Theaterbranche Fuß zu fassen, fügt sich auch April ihrem vermeintlichen Schicksal und ergibt sich dem Alltagstrott ihrer Hausfrauenrolle. Das war nicht immer so. Einst hielten sich die Wheelers für etwas Besonderes, für weltgewandt, ambitioniert und vor allem nicht so abgrundtief gewöhnlich wie ihre Nachbarn. Als sie beschämt einsehen müssen, dass sie längst im verhassten Kleinbürgertum angekommen sind und ihr Selbstbild zur Karikatur verblasst, beschließen Frank und April einen Neuanfang in Europa. Das Wunschziel Paris wird zum Rettungsanker der darbenden Ehe. Doch dann wird Frank eine Beförderung angeboten und April erneut schwanger - jetzt erweist sich die Sicherheit ihres bisherigen Lebens als verlockende Falle...

Mit dieser theatralisch gestalteten und kontrollierten Adaption von Richard Yates' Roman "Zeiten des Aufruhrs" aus dem Jahr 1961 kehrt Sam Mendes in die amerikanische Vorstadt zurück, die vor zehn Jahren Schauplatz seines triumphalen Debüts war. Wir schreiben das Jahr 1955 und Leonardo DiCaprio und Kate Winslet sind Frank und April Wheeler, ein hübsches Paar mit zwei Kindern, die in einem hübschen Vorstadthaus in Pendlerentfernung zu New York leben. Frank arbeitet für eine Computerfirma in Manhattan; April war einst eine angehende Schauspielerin, die ihre Ambitionen, Ehefrau und Mutter zu sein, aufgegeben hat. Doch Franks bevorstehender 30. Geburtstag und Aprils demütigendes Experiment mit gemeinschaftlichen Amateurtheatern führen für beide zu einer Vierteljahreskrise. Sie entdecken verzweifelt ihren Boheme-Idealismus wieder und schmieden einen aufregenden Geheimplan. Sie werden nach Paris ziehen, wo April einen lukrativen Job als Sekretärin bekommt und Frank unterhält, während er herausfindet, was er wirklich mit seinem Leben anfangen möchte. Aber Franks Arbeitgeber nutzen diesen Moment, um ihm eine verlockende Beförderung anzubieten - vielleicht beeindruckt von der neuen Aura des Selbstvertrauens, die sein bevorstehender Weggang mit sich bringt - und da ist noch etwas anderes. Das herrliche, spontane Liebesspiel, das ihre Fluchtpläne feierte, soll eine ganz konkrete Konsequenz haben. Gerade als Frank und April unbekümmert verkünden, dass sie die Vorstadtfalle ablehnen, wird der Griff um ihre Kehle immer fester. Und wessen Schuld ist es

Ehestreit ist kein modisches Thema für Filme - vielleicht, weil das spießige und altmodische Thema der Ehe selbst nicht so in Mode ist. Aber es gibt hier echte Vorstellungen, Vorstellungen über Intimität und unser Selbstgefühl, darüber, wie viel von diesen individuellen Selbst im Dienste einer Ehe aufgegeben werden muss, darüber, ob diese Aufgabe tragisch ist oder ob die Ehe selbst ein stiller, privater, vorherbestimmte Tragödie. Und Franks Wut und Frustration wird interessanterweise durch Aprils Stille und zurückhaltende Haltung konterkariert. Kate Winslet ist wirklich herausragend. Ihre selbstbewusste und erschütternde Darbietung dominiert und belebt diesen Film, während sie im Kern eine leichte emotionale Asymmetrie erzeugt. Ihr Gesicht, so kraftvoll in seiner Gleichgültigkeit, doch mit unleserlichen Anklängen von Angst und Wut, hat auf der Leinwand etwas Massives und Monumentales, die skulptierte Form einer römischen Kaiserin: wie der riesige Marmorkopf von Faustina der Älteren, der berühmt dafür ausgegraben wurde die kolossale Statue von Hadrian in der Türkei im letzten Jahr. In der Eröffnungsszene sehen wir, wie April nach ihrem Auftritt in der beschämend schrecklichen Amateurdramashow vor Beschämung schluchzt - beschämend, weil es beweist, dass sie ihren Vorstadtnachbarn nicht, wie sie selbstgefällig annahmen, überlegen sind -, dann aber aus der Umkleidekabine kommt und Nachdem sie sich zusammengerissen hatte und den seitlichen Reißverschluss ihres Rocks zuzog. Mendes erfindet einen herzzerreißenden visuellen Reim für diesen Moment ganz am Ende, als April diesen gleichen Reißverschluss privat öffnet, um den schrecklichen Ausgang des Films herbeizuführen. Absichtlich oder nicht, sie scheint viel älter zu sein als Frank, und wenn sie seine schlanke, jungenhafte Gestalt am Strand beobachtet, wie er ausweichend zum Schwimmen davonschreitet, sind sie fast wie Mutter und Sohn.

Franks und Aprils Sommer voller enttäuschter Hoffnungen und ruinierter Pläne ist unerträglich, nicht nur, weil er sie dazu zwingt, eine existenzielle Niederlage einzugestehen, sondern weil er ihnen ein Glück zeigt, das sie nie gekannt hätten, wenn sie nie daran gedacht hätten, zu gehen, und, was noch wichtiger ist, ein Glück. Glück, das sie in Paris nie gehabt hätten: ein Glück purer, unschuldiger Vorfreude. Der Plan lag nicht völlig außerhalb der Grenzen des Möglichen, und die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Ehe in Paris genauso unglücklich verlaufen wäre, verstärkt paradoxerweise die quälende Plausibilität des Traums. Mendes‘ Film hat wahrscheinlich den Schock des Romans gemildert und die Bedeutung der Szene am Anfang gemindert - in seinen letzten Stunden soll Richard Yates dieses Kapitel auf seinem Sterbebett laut vorgelesen haben. Aber es ist immer noch eine tief empfundene, bewegende und wirklich tragische Studie über eine auseinanderbrechende Ehe.

7/10

Quellen:
Inhaltsangabe:Universal Pictures
Poster/Artwork: Dreamworks Pictures

Freitag, 22. März 2024

Das Lehrerzimmer (2023)

https://www.imdb.com/title/tt26612950/

Carla (Leonie Benesch) ist Mathematik- und Sportlehrerin und nicht nur neu an ihrer Schule, sondern überhaupt im Beruf. Kaum angekommen, stellt sie fest, dass dort gestohlen wird. Nun könnte sie sich mit diesem Zustand abfinden, aber genau das will sie eben nicht tun. Getrieben von ihrem noch ungebrochenen Idealismus beginnt sie zu ermitteln und stößt dabei insbesondere bei ihrem Kollegium, den Eltern und ihren Schülern auf Unverständnis. Dazu kommt, dass die Hauptverdächtige ausgerechnet die Mutter ihres Schülers Oskar (Leo Stettnisch) ist. Da beginnt Carla zu merken, dass ihre Idealvorstellung kaum mehr mit der Realität zu vereinbaren sein wird.

Einen spannenden Thriller über Dinge zu machen, die jeden Tag passieren, erscheint nicht einfach zu bewerkstelligen. Aber Ilker Çataks "Das Lehrerzimmer" ist darin richtig gut. Es ist wahrscheinlich der beste Thriller dieser Art, in dem es nervenaufreibend ist, realistischen Charakteren dabei zuzusehen, wie sie schlechte Entscheidungen treffen. Dabei ist es etwas unklar, ob der Film das etwas gedämpfte, an Kunstkino angelehnte Ende "Es liegt an Ihnen, zu entscheiden, was als nächstes passiert“ ganz verdient, aber das ist nur ein winziger Bruchteil der kompakten Laufzeit des Films, die den Zuschauer ansonsten in die Gedankenwelt eines jungen Lehrers an einer deutschen weiterführenden Schule versetzt, wo ein Diebstahl alle paranoid und nervös gemacht hat und sie dazu veranlasst, Entscheidungen zu treffen, die sie später bereuen, wenn sie auch nur einen Funken Anstand haben (einige von ihnen vielleicht nicht).

Leonie Benesch spielt Carla Nowak, eine polnische Emigrantin, die Mathematik und Sport unterrichtet. Sie ist eine Idealistin in Bezug auf Bildung und die Verpflichtung der Bürger, aufeinander zu achten. Sie ist eine Weltverbessererin - ein bisschen neugierig, aber meist auf konstruktive Weise. Als eines ihrer Kinder aus der Klasse gezerrt wird und des Diebstahls beschuldigt wird (aufgrund eines anonymen Hinweises auf die ungewöhnliche Menge an Bargeld, die er in seiner Portemonnaie hat), muss Carla an einer Konferenz mit dem Jungen und seinen Eltern teilnehmen. Die Eltern hingegen erklären, dass sie ihm das Geld gaben, damit er ein Videospiel kaufen konnte, und behaupteten, dass es Rassismus (sie sind türkischer Abstammung) sei, der sie in diese demütigende Lage gebracht habe. Das scheint eine überzeugende Erklärung zu sein. Carla glaubt es. Doch das Ereignis verstärkt ihre Angst vor Diebstahl. Als sie das nächste Mal in der Pause im Lehrerzimmer ist und dieses verlassen muss, lässt sie ihren Laptop offen und die Videokamera läuft heimlich. Als sie zurückkommt, stellt sie fest, dass in der Brieftasche, die sie in der Innentasche ihres Mantels gelassen hat, etwas Bargeld fehlt. Eine Überprüfung der Aufnahme zeigt, dass jemand Geld aus ihrer Brieftasche nahm, während sie nicht im Zimmer war. Und ab diesem Punkt verfeinert der Film seine paranoide Thriller-Ästhetik: So wie man nie gesehen hat, wie die Anklage gegen den Jungen erhoben wurde, geschweige denn, ob er jemand anderem Geld gestohlen hat, sieht man auch nicht wirklich, wer Carlas Geld gestohlen hat, sondern nur einen Ärmel einer Bluse mit Sternmuster darauf. Die gleiche Art von Bluse trug eine Mitarbeiterin, die in einem Büro arbeitete, das nur wenige Meter vom Lehrerzimmer entfernt war, und sie hätte sehen können, wie Carla das Wohnzimmer verließ, weil sie es durch ein großes Glasfenster gut beobachten konnte. Der Zuschauer ist auf der Seite von Carla, wenn sie diese Frau als Diebin identifiziert - denn wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Frauen in einer kleinen Schule an diesem Tag dieselbe markante Bluse trugen?

Aber als der Film weitergeht und sich die Komplikationen häufen, beginnt man an seiner Gewissheit zu zweifeln, ebenso wie Carla, die sich schnell wünscht, sie hätte den Mund gehalten, was den Diebstahl und so ziemlich alles andere angeht. Die von ihr angeklagte Mitarbeiterin hat einen Sohn in ihrer Klasse. Der Junge ist verständlicherweise verstört und wütend, als seine Mutter wegen einer Untersuchung suspendiert wird. Es scheint, dass er dann eine Kampagne inszeniert, um sie in den Augen seiner Klassenkameraden in ihren Eltern zu diffamieren. Çatak liefert dabei durchgehend Nahaufnahmen verschiedener Charaktere, die einen denken lassen: "Diese Person lügt“ oder "Diese Person ist ein Dieb“ oder einfach "Diese Person plant etwas gegen Carla“. Aber der Film ist so fest in Carlas Standpunkt verwurzelt, dass man an seinen Einschätzungen genauso oft zweifelt, wie Carla an ihren. Wahrscheinlich ist es am besten, sich den Film als eine Art Parabel vorzustellen, in der eine alltägliche Institution realistisch und mit korrekten Verfahrensdetails dargestellt wird, aber auch für ein größeres System oder eine Reihe von Idealen steht. Der Film geht ebenso subtil mit nationalen, rassischen und klassenbezogenen Ressentiments um wie mit allem anderen. Sie sind Faktoren bei allem, was passiert (Carla, die Polin ist, erlebt selbst rassistische Anfeindungen). Über die Einzelheiten kann man sich jedoch nie im Klaren sein, da so viel außerhalb der Story geschieht. Regie, Kamera (von Judith Kaufmann) und Schnitt (von Gesa Jäger) sind außergewöhnlich. Jede Entscheidung ist durchsetzungsfähig und präzise, wirkt aber selten mühsam. Einfachheit ist der Schlüssel. Ein Großteil des Films besteht aus stetigen Handaufnahmen von Menschen, die reden, gehen und sich durch das Bild bewegen, oft ohne Musik, obwohl die dissonanten, nervigen Saiten des Komponisten Marvin Miller manchmal aufsteigen und um Carla herumwirbeln und sie anstoßen.

Man kennt das ja, wenn man einen dieser Tage oder Wochen hat, an denen etwas Schlimmes passiert, und die Reaktion darauf macht es noch schlimmer, und die Reaktion auf die Reaktion führt zu einer Eskalation, die alles noch schlimmer macht, und alles geht einfach weiter und weiter, und es kommt einem so vor, als würde man sich immer tiefer in ein Loch graben. Das ist "Das Lehrerzimmer". Çatak und Co-Autor Johannes Duncker haben jedenfalls eine weitgehend unerforschte Unterkategorie des Thrillers erschlossen, die unbegrenztes Potenzial hat, den Alltag zu beleuchten.

7,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Alamode Film
Poster/Artwork: if... Productions/Alamode Film

Donnerstag, 21. März 2024

[KINO] Ghostbusters: Frozen Empire (2024)

https://www.imdb.com/title/tt21235248/

Nach ihrem Kampf mit Gozer kehrt die Familie Spengler an den Ort zurück, an dem alles begann: in die für Geisterjäger ikonische Feuerwache in New York City. Von hier starten Gary (Paul Rudd), Callie (Carrie Coon), Trevor (Finn Wolfhard) und Phoebe (Mckenna Grace) ihre Missionen und legen sich in der Großstadt mit einer Vielzahl von fiesen Kreaturen an - doch nicht alle sind von der neuen Anti-Geister-Einheit begeistert. Wieder einmal kämpft Bürgermeister Walter Peck (William Atherton) dafür, die Ghostbusters aus dem Verkehr zu ziehen. Nach einem missglückten Einsatz, bei dem ein beachtlicher Sachschaden verursacht wird, reicht es Peck dann endgültig und er bittet die Familie Spengler zum Rapport - mit schwerwiegenden Folgen, denn fortan darf Phoebe nicht mehr an den Protonenstrahler und soll stattdessen ein normales Teenager-Leben führen. Doch als ein antikes Artefakt in der Millionenstadt auftaucht, wird die Lage brenzlig. Denn in diesem schlummert ein altertümlicher Gott, der nur darauf wartet, endlich befreit zu werden und seinen frostigen Zorn über die Menschheit zu bringen. Jetzt wird jeder Mann respektive Frau an den Geisterfallen gebraucht!

Aufgrund des weltweiten Erfolgs des Reboots "Ghostbusters: Afterlife" in den Kinos und im Heimkino-Bereich bestätigte Sony Pictures bereits im April 2022 die Arbeiten an einer Fortsetzung - und löste dmait Begeisterungsstürme aus. Der Arbeitstitel lautete damals noch "Firehouse" bzw. "Hell’s Kitchen" und gab einen guten Denkanstoß dafür, dass der neue Film wieder in New York City spielen werde. Die Darsteller des vorherigen Films, einschließlich Paul Rudd und Carrie Coon, wurden wieder verpflichtet, im März 2023 wurden zudem Kumail Nanjiani, Patton Oswalt, James Acaster und Emily Alyn Lind als Darsteller bekanntgegeben und während der Dreharbeiten wurde William Atherton am Set gesichtet. Der Kinostart war ursprünglich für Dezember 2023 geplant, wurde aber wegen des SAG-AFTRA-Streiks verschoben. Dann ein (meist) ungutes Zeichen: Im Dezember 2023 fanden Nachdrehs in Atlanta statt. Und was hat es gebracht? 

Vor allem eines: Das "Ghostbusters"-Universum scheint furchtbar überfüllt zu werden. Der neueste Film der Reihe, die in diesem Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum feiert, zeigt eine Vielzahl alter und neuer Geisterjäger, darunter die (verbleibenden) Mitglieder der Originalbesetzung, die in "Ghostbusters: Afterlife" vorgestellten Charaktere und eine Vielzahl exzentrischer neuer Figuren werden in zukünftigen Filmen sicherlich eine Rolle spielen. Die einzigen, die ausgelassen werden, sind die weiblichen Geisterjäger aus dem völlig zurecht gescholtenen Neustart von 2016 - und das ist auch gut so.

Man kann aber ruhigen gewissens konstatieren, dass sich "Ghostbusters: Frozen Empire" große Mühe gibt, die Fans der Serie mit vielen nostalgischen Rückblicken zufrieden zu stellen - und das gelingt größtenteils auch. Es ist nicht annähernd so gut wie das klassische Original von 1984, aber das muss er auch nicht sein. Ein wenig frischer Wind tut dem Franchise ganz gut - das bewies "Ghostbusters: Afterlife" bereits einmal. Und eines kann man auch schon sagen: Die Protonenpacks funktionieren immer noch und genau so gut, ebenso wie die altbekannte Formel. 

Das Drehbuch von Jason Reitman und Regisseur Gil Kenan muss also nicht so viel Arbeit leisten wie der letzte Film, da die Charaktere gut etabliert sind und sich, wie eine ansprechend laute Eröffnungssequenz zeigt, glücklich in ihre neuen Rollen als Geisterjäger eingelebt haben. Sie haben sich auch in ihrem neuen Zuhause eingelebt, dem beliebten Feuerwehrhaus von Tribeca, das das Hauptquartier der ursprünglichen Geisterjäger war, was dem Film den Vorteil verschafft, dass er in New York City und nicht in Oklahoma spielt. An Oklahoma ist zwar nichts auszusetzen, aber wenn man ehrlich ist, gibt es in New York City noch viel mehr Geistergefühl. Einige von ihnen, wie zum Beispiel der geliebte Slimer, leben noch immer im Feuerwehrhaus. Ganz zu schweigen von den entzückenden Mini-Marshmellowmännern, die ihren Weg in den "Big Apple" gefunden haben und nun dort weiterhin Chaos anrichten. Sie sind die Minions des Franchise geworden. Ganz einfach, ganz sauber, ganz schnell - weil sie auch einfach die besten Gags auf ihrer Seite haben.

Doch gerade als Gary (Paul Rudd), Callie (Callie Coon) und die Kinder Trevor (Finn Wolfhard) und Phoebe (Mckenna Grace) in Schwung kommen, werden sie vom Erzfeind des Originalfilms, Walter Peck, der Bürgermeister New Yorks, in die Mangel genommen. Er wird erneut von dem großartigen William Atherton gespielt, dessen Karriere als Filmschauspieler 52 Jahre zurückreicht, und es ist eine Freude, ihn auf der Leinwand zu sehen. Fast genauso viel Spaß macht der Cameo-Auftritt des erfahrenen Charakterdarstellers John Rothman, der seine Rolle als Geschäftsführer der öffentlichen Bibliothek New Yorks aus dem ersten Film wiederholt.


Als ein bösartiger Gott namens Garraka aus einer Kugel befreit wird und in der Stadt Chaos anrichtet, indem er eine Legion entflohener Geister beschwört und seine Kräfte einsetzt, um eine neue Eiszeit auszulösen, treten neue und alte Geisterjäger in Aktion. Nun, "Frühling" ist vielleicht nicht das beste Wort, um Ray Stantz (Dan Aykroyd) zu beschreiben, der jetzt Moderator einer YouTube-Show ist, und Peter Venkman (Bill Murray), der etwas charakteristisches tut. Beiden sieht man definitiv ihr Alter an, nur Winston Zeddemore (Ernie Hudson), heute wohlhabender Gründer eines paranormalen Forschungslabors, sieht nur wenig anders aus als vor vierzig Jahren. Leider kommt Bill Murray in dem Film nicht allzu oft vor, was den Eindruck erweckt, dass er nur dann aufgetaucht ist, wenn er Lust dazu hatte. Nichtsdestotrotz fügt er erwartungsgemäß jedes Mal, wenn er auftaucht, seine willkommene komische Note hinzu. Mit von der Partie ist auch Annie Potts‘ immer bezaubernde Janine, die endlich die Chance bekommt, sich in ihren Anzug zu kleiden. 

Celeste O’Connors Lucky und Logan Kims Podcast wiederholen ihre Auftritte aus "Ghostbusters: Afterlife", obwohl ihnen nicht wirklich viel zu tun gegeben wird. Zu den amüsanteren Neuzugängen gehören Kumail Nanjiani als Nadeem, der die Ereignisse in Gang setzt, indem er unabsichtlich die Kugel mit dem rachsüchtigen Gott verkauft; Patton Oswalt als Bibliotheksforscher, der gerne hilfreiche Informationen bereitstellt; und James Acaster als Lars, ein drolliger Wissenschaftler in Winstons Labor.


"Ghostbusters: Frozen Empire" doktort nicht mit der ausgefeilten Formel herum und balanciert seine Lacher und Schrecken sorgfältig auf die luftige Art und Weise aus, was für ein angenehmes, unterhaltsames, wenn auch seichtes Anschauen sorgt. Aber der Film liefert einige schöne emotionale Momente mit einer Nebenhandlung über Phoebes aufkeimende Freundschaft mit Melody (Emily Alyn Lind), dem Geist eines Teenager-Mädchens, das bei einem Mietshausbrand ums Leben kam. 

Ihre erste Begegnung, als sie nachts Schach in einem verlassenen Washington Square Park spielen (wahrscheinlich das unglaublichste Handlungselement in einem Film, in dem Hunderte von Geistern durch die Stadt toben), erweist sich als berührend und irgendwie süß. Und es zeigt weiter, dass Grace, deren Figur bezaubernd mit der gleichen Brille wie ihr Großvater Egon Spengler (der leider viel zu früh verstorbene Harold Ramis) ausgestattet ist, im weiteren Verlauf die MVP des Franchise sein könnte.

Wie beide Reitmans vor ihm hält Regisseur Gil Kenan den Ton des Films im Spannungsfeld zwischen verspielt und spannend. Einfallsreiche Versatzstücke in der New York Public Library (ausgerechnet mit einem Müllsack!) unterbrechen eher wissenschaftsintensive Ausstellungsszenen (ganz zu schweigen von sorgfältig kuratierten Momenten voller Easter-Eggs, die Fans zum Lachen bringen sollen). Der Rest der Besetzung schafft es trotzdem angenehm, die Witze und geisterzerstörenden Possen im Zaum zu halten. Doch insgesamt ist "Ghostbusters: Frozen Empire" eine brauchbare Fortsetzung für dieses mittlerweile vier Jahrzehnte laufende Franchise. Egal, was den Ton und die Struktur angeht, es spiegelt alles wieder, was in der Vergangenheit funktioniert hat. Nach dem Fehlschlag an den Kinokassen (und den vernichtenden Kritiken), die Paul Feigs "Ghostbusters" im Jahr 2016 erlebten, zeigt diese Reihe keine Anzeichen dafür, dass das Rad neu erfunden wird. Es gibt auch keinen Grund dafür. Es gibt Geister, die geschnappt werden müssen. Es besteht eine existenzielle Bedrohung, die dringend abgewendet werden muss. 

Man kann sich wahrscheinlich schon vor Filmbeginn vorstellen, was in dem frostigen, entscheidenden Kampf des Films passieren wird. Und ja, es könnte durchaus der Ohrwurm eines Liedes sein, das de facto zur Hymne dieser Filme geworden ist. Aber es gibt zumindest eine angenehme Zeit dazwischen. - der Weg ist hier das Ziel. Und eine wenn auch pauschal formulierte Botschaft über die Arbeit als Team oder vielleicht auch über die Familie. "Ghostbusters: Frozen Empire" ist aber insgesamt lebhaft und effizient, vielleicht geradezu übertrieben, und fühlt sich wie geschaffen dafür, so viele Fortsetzungen auf die Beine zu stellen, wie sich die Fans vielleicht wünschen. Manchmal hat man das Gefühl, dass der Film sich zu sehr anstrengt, besonders wenn es darum geht, die Spielzeit aller Charaktere auszubalancieren. Meistens meistert es den Balanceakt aber gut und erweckt auf jeden Fall den Eindruck, dass alte und neue Darsteller bereit sind, weiterhin die Fackel zu tragen - oder in diesem Fall die Protonenpakete.

7,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Sony / Columbia Pictures
Poster/Artwork: Sony / Columbia Pictures

Poor Things (2023)

https://www.imdb.com/title/tt14230458/

Eine junge Frau namens Bella Baxter (Emma Stone) wird von dem unkonventionellen Wissenschaftler Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe) zurück ins Leben gebracht. Unter Führung des brillanten Wissenschaftlers begibt sich Bella auf eine Reise zu sich selbst, immer auf der Suche nach der Lebenserfahrung, die ihr bisher fehlt. Sie trifft dabei unter anderem auf Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo), einen Anwalt, der ihr die Welt jenseits der Wissenschaft zeigt und mit ihr ein wildes Abenteuer über mehrere Kontinente hinweg erlebt. Aber auch Baxters Student Max McCandless (Ramy Youssef) Leben ändern sich plötzlich, als er auf Bella trifft und von ihr regelrecht mit- und aus seinem behüteten Leben herausgerissen wird. Bella entdeckt Stück für Stück ihre Leidenschaft für soziale Gerechtigkeit und Befreiung und kann sich so auch ihrer eigenen Zwänge entledigen, Vorurteile hinter sich lassen und sich immer und immer mehr ausleben.

In "Poor Things", dem Oscar-prämierten Film von Yorgos Lanthimos gibt es viel "wildes Gehopse". Mit diesem Ausdruck beschreibt seine Heldin Bella Baxter (Emma Stone) Sex. Sobald sie zum ersten Mal eine Gurke in ihr "haariges Geschäft" gestopft hat, eröffnet sich ihr eine neue Welt voller Abenteuer und Tragödien. Der Drehbuchautor Tony McNamara, hat den Film nach dem Roman des schottischen Kultautors Alasdair Gray adaptiert, aber das hier beschworene Universum ist dem in früheren Werken des griechischen Regisseurs sehr ähnlich: trockenen Komödien wie "The Lobster" aus dem Jahr 2015 und "The Favourite" aus dem Jahr 2018. Hier nutzt er Surrealismus und extreme Stilisierung (vor allem die Kamera!), um seine Argumente darzulegen, was zu einem Film führt, der brillant und oft zutiefst beunruhigend ist. Skurriler Humor und frauenfeindliche Gewalt liegen hier dicht beieinander. Bella ist die heilige Unschuldige, die die Verderbtheit und Bösartigkeit der Männer entdeckt. Stone liefert sicherlich die bislang kühnste Leistung ihrer Karriere ab, in einer Rolle, die ihr hohe physische und psychische Anforderungen stellt.

In seinen frühen Szenen, die in Schwarzweiß gehalten sind und im London des 19. Jahrhunderts spielen, wirkt der Film wie ein alter Universal-Horrorfilm. Es ist sogar eine ausdrückliche Hommage an die Szenen in "Frankensteins Braut", in denen Elsa Lanchester durch Elektroschocks zum Leben erweckt wird. Hier jedoch ist es Bella, die wiederbelebt wird, nachdem sie sich das Leben genommen hat - vom beeindruckenden Wissenschaftler Dr. Godwin Baxter (ein schrecklich vernarbter Willem Dafoe, der in einem sanften Tonfall spricht und so geschminkt ist, als wäre er Boris Karloff). Bella war zum Zeitpunkt ihres Todes schwanger. Der Arzt oder "Gott", wie sie ihn nennt, hat ihr das Gehirn ihres ungeborenen Babys in den Kopf implantiert. Sie ist daher eine erwachsene Frau mit den Gefühlen eines kleinen Säuglings. Schon früh sieht man sie mit den Füßen Klavier spielen, Essen ausspucken und wild kichern, während sie auf den Boden uriniert. Eine Figur beschreibt sie als "eine sehr hübsche Schlampe". Der Arzt betrachtet sie als "ein Experiment". Ihr Gehirn und ihr Körper sind noch nicht vollständig synchron. Bella hilft dem Arzt im Labor, aber er weigert sich, sie auf lebende Organismen loszulassen. Es macht ihr großen Spaß, Skalpelle und Messer in klebriges Fleisch und Augäpfel zu stechen. Das Haus des Arztes ist wunderschön eingerichtet, aber voller seltsamer, skurriler Tiere wie Hunde mit Hühnerköpfen.

Ramy Youssef spielt Max McCandless, einen jungen Arzthelfer, der sich trotz ihres anarchischen Verhaltens bald in Bella verliebt. Bella brennt jedoch mit jemand anderem durch: einem verführerischen Schurken, gespielt von Mark Ruffalo, in feiner Comicform. Ihre Reisen führen sie nach Lissabon, Alexandria und Paris. Bella nutzt die Reise, um sich auf die Suche nach Sex und Abenteuer zu begeben. Jede neue Stadt wird im fantastischen Stil geschaffen, wobei Lanthimos Erinnerungen an die Arbeit von Wes Anderson oder die alten Stummfilme von Georges Melies in ihrer künstlichsten Form wieder aufleben lässt. Bella weigert sich die ganze Zeit über, zum Opfer zu werden, und unterwirft sich niemals den vielen Männern, die versuchen, sie auszunutzen. Sie ist hungrig nach Erfahrungen und hat oft komischerweise keine Rücksicht auf gesellschaftliche Feinheiten. Wie Jane Fonda in "Barbarella" ist sie eine naive Figur, deren ungekünsteltes Verhalten immer wieder die Korruption und Heuchelei der Menschen um sie herum offenbart.

Teile des Films sind unangenehm voyeuristisch. Lanthimos hat zum Beispiel ein fetischistisches Vergnügen daran, Bella dabei zu zeigen, wie sie ihre verschiedenen älteren, behaarten und übelriechenden Kunden bedient, nachdem sie in einem Bordell in Paris zu arbeiten begonnen hat. Bei allem ironischen Humor, mit dem diese Szenen behandelt werden, ist sie immer noch Gegenstand der oft sehr lüsternen männlichen Blicke. Trotz dieser gelegentlichen Unruhe bietet "Poor Things" letztendlich einen emotionalen Kick. Während die Zeit vergeht und sie immer mehr Wissen aufnimmt, beginnt Bella, das Verhalten und die Motivationen anderer zu verstehen. Sie liest Emerson und andere Philosophen und lernt von ihnen, selbst wenn sie von ihrem Chauvinismus überrascht ist. Sie befürwortet den Sozialismus. Sie hat Mitleid mit allen, sei es mit den verarmten Ausgestoßenen, die sie in Alexandria entdeckt, oder mit dem Frankenstein-ähnlichen Arzt, der für ihren aktuellen Zustand verantwortlich ist. Man kann nicht anders, als sie anzufeuern und zu hoffen, dass sie am Ende als Siegerin hervorgeht. Ein toller Film.

9/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Disney
Poster/Artwork: Fox Searchlight

Mittwoch, 20. März 2024

Sympathy For The Devil (2023)

https://www.imdb.com/title/tt21991654/

Für David Chamberlain (Joel Kinnaman) ist es ein ganz besonderer Tag in seiner Heimat Las Vegas. Befindet er sich doch auf dem Weg zum Krankenhaus, in dem seine schwangere Frau schon bald ihr gemeinsames Kind zur Welt bringen wird. In der Tiefgarage der Klinik hat er endlich einen freien Parkplatz gefunden, als plötzlich ein ihm unbekannter Kerl (Nicolas Cage) in den Wagen steigt und es sich auf der Rückbank bequem macht. Der Fremde zieht eine Pistole aus der Jackentasche und verlangt, dass David wieder zurück auf die Straße fahren möge. Der schockierte Familienvater befolgt den Befehl, woraufhin sich zwischen den beiden ein Katz-und-Maus-Spiel entwickelt. Der ungebetene Passagier will unbedingt nach Boston gefahren werden. Zudem besteht er darauf, dass David - obwohl der immer wieder beteuert, dass eine Verwechslung vorliegen müsse - in das organisierte Verbrechen der Stadt am anderen Ende der USA verwickelt sei …

Wenn man die Arbeit von Nicolas Cage diskutiert, dessen ironische Popularität im letzten Jahrzehnt sich um das Konzept der "Cage Rage" dreht, jene Momente, in denen der Oscar-Preisträger sich selbst vor der Kamera bis zum Äußersten treibt, kommt einem das schon ein wenig albern vor und nimmt jedem noch so ernst gemeintem Film die Würze. Aber wenn man Cage aus dem Weg geht, bringt er einen dorthin, wo man auch hin muss. "Sympathy For The Devil" hat ebendies verstanden. Der Titel lässt die Story wie einen Horrorfilm klingen, und Cages Kostüme - seine Haare sind rot und schwarz gefärbt und er trägt eine dazu passende Anzugjacke lassen auf eine Situation vom Typ "Angel Heart" schließen. Und der Film weckt während seiner kurzen Laufzeit von ca. 90 Minuten durchaus das Potenzial für übernatürliche Elemente. Aber im Großen und Ganzen handelt es sich hier um einen Krimi, der von Monologen, falschen Identitäten und einem Soundtrack aus Vintage-Soul-Tracks angetrieben wird, die zur Stimmung passen und zu angenehmen Reisebegleitern werden.

Joel Kinnaman spielt den "Fahrer", einen gewöhnlichen Idioten, der zu Beginn der Geschichte den Las Vegas Strip auf dem Weg zum Krankenhaus entlang fährt, wo seine (ungenannte) Frau mit ihrem zweiten Kind in den Wehen liegt. Der Fahrer fährt in das Parkhaus des Krankenhauses, parkt und kramt gerade in seiner Krankenhaustasche, als ein mysteriöser Mann - gespielt von Cage und im Abspann als der "Passagier" bezeichnet - sich auf den Rücksitz drängt und eine Waffe zieht. "Fahren", sagt er. Der Fahrer fleht den Beifahrer an, ihn zu schonen: Er ist ein Familienvater, bitte lassen Sie ihn einfach zurück ins Krankenhaus, es ist ein Notfall usw. Dem Beifahrer ist das egal. Sie machen weiter, raus aus der Stadt und hinein in die Wüste. Von da an ist der größte Teil des Films ein Zweihandfilm, der im Auto des Fahrers spielt. Kinnaman behauptet sich. Aber ein Großteil seiner Rolle besteht darin, nervös in den Rückspiegel zu schauen, während Cage auf dem Rücksitz Monologe hält - was perfekt ist. Cage verkauft nämlich seine Zeilen mit Begeisterung und quält Kinnaman mit seinen paranoischen Schwärmereien. Ein paar Meilen nach Beginn ihrer Fahrt beginnt der Passagier, den Fahrer zu piesacken, um ihm zu sagen, wer er wirklich ist, was eine zusätzliche Ebene der Intrige hinzufügt: Ist der Passagier falsch informiert, oder verheimlicht der Fahrer etwas? Schließlich erreichen sie ein Straßenrestaurant, wo die Spannung in blutiger, feuriger Tarantino-Manier explodiert.

Die Art und Weise, wie sich der Konflikt zwischen dem Fahrer und dem Beifahrer abspielt, ist pures Krimi-Klischee. Und die Geschichte beginnt an Schwung zu verlieren, sobald die wahren Absichten des Fahrers enthüllt werden. Aber der Weg dorthin ist dank Cages Leistung fesselnd. Der Passagier ist ein manischer, möglicherweise psychotischer Berufsverbrecher mit Bostoner Akzent, der seine Waffe gerne ungesichert herumschwenkt, und Cage spielt all seine Tricks aus. Er nimmt das Publikum mit auf eine Achterbahnfahrt und schwankt von weinerlicher Verzweiflung zu so großer Wut, dass ihm die Augäpfel aus den Höhlen quellen.  Alles andere an "Sympathy For The Devil" ist professionell, aber nicht außergewöhnlich. Die Farbkorrektur erfolgt im üblichen digitalen Orange und Blau, und die Kinematographie ist bis auf eine Handvoll Zeitlupenaufnahmen, die negativ hervorstechen, unauffällig. Und die Effekte und der Gesamtproduktionswert sind angesichts des vermutlich bescheidenen Budgets des Films beeindruckend. Dies ist ein Team, das weiß, wie es seine Ressourcen sinnvoll einsetzt - dazu gehört auch, Nicolas Cage sein Ding machen zu lassen. "Sympathy For The Devil" ist ein Standard-Indie-Thriller, bis auf eines: Nicolas Cages Auftritt als mysteriöser, möglicherweise übernatürlicher Schütze, der einen ahnungslosen Familienvater auf eine gewalttätige Fahrt in die Wüste von Nevada mitnimmt. Cage verleiht seiner manischen Rolle eine echte Bedrohung, und Co-Star Joel Kinnaman behauptet sich. Wo die Geschichte landet, ist vorhersehbar, aber die Reise dorthin macht Spaß und ist voller Spannung.

7/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Leonine
Poster/Artwork: Dutch Film Works/Saturn Films

Dienstag, 19. März 2024

[KINO] The Zone Of Interest (2023)

https://www.imdb.com/title/tt7160372/

Hedwig Höß (Sandra Hüller) heißt ihre Mutter willkommen. Es ist deren erster Besuch in der stuckverzierten Villa, in der Hedwig zusammen mit ihren Kindern und ihrem Mann Rudolf (Christian Friedel) lebt. Die Sonne scheint, der Garten ist gepflegt, die Blumen blühen, der Hund lässt sich von seiner Nase durch das Grün treiben, Gemüse und Kräuter gedeihen, die Sonnenblumen stehen übermannshoch, die Kinder planschen im Wasser. Die Familie Höß scheint in einer Bilderbuchidylle zu leben. Nur abseits der Grundstücksmauern wird klar, dass hier - am Rande des Vernichtungslagers Auschwitz - die Hölle auf Erden und SS-Obersturmbannführer Rudolf Höß der Teufel persönlich ist…

Es gibt sehr viel Filme, die auf den ersten Blick beeindrucken, aber sobald man das Kino verlässt, beginnen sie zu rieseln wie eine Handvoll Sand. Dann gibt es andere, weitaus weniger in der Zahl, die beim ersten Ansehen wie ein Blitz einschlagen und bei einem bleiben, sich in die Psyche eingraben und das eigene Filmparadigma auf subtile, aber dauerhafte Weise umkehren. Jonathan Glazers meisterhaftes und gleichzeitig gruseliges "The Zone Of Interest" fällt mühelos in die zweite Gruppe. Schon während des Films ist man erschüttert und getroffen (sofern man sich realistisch mit dem, was auf der Leinwand passiert, auseinandersetzt) und die Bilder verbleiben auch weiterhin hartnäckig im Kopf. Wie die meisten Filmfans zustimmen werden, ist diese Art intensiver Reaktion auf einen Film der heilige Gral des Kinobesuchs. Es ist eine verschwindend seltene Erfahrung, die durch das Gefühl der Entdeckung noch verstärkt wird, das dadurch entsteht, dass man praktisch nichts über einen Film weiß. "The Zone Of Interest" als adaptiertes Drehbuch zu bezeichnen, , welches auf dem gleichnamigen Roman von Martin Amis basiert, ist vielleicht irreführend. Tatsächlich handelt es sich bei dem Film um ein ganz eigenes grüblerisches, kühn unkonventionelles Gebilde, das mit Amis' Buch einen Titel und einen Schauplatz gemeinsam hat: Auschwitz, genauer gesagt direkt außerhalb der Mauern des Lagers, im Haus eines hochrangigen Nazis und seiner Familie - aber sonst wenig.

Die Wände sind ein entscheidender Bestandteil dieses Films, der die täglichen Details des Lebens eines offensichtlich glücklichen Nazi-Paares - des Kommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß (Christian Friedel) und seiner Frau Hedwig (Sandra Hüller) - und ihrer fünf Kinder zeigt. Sie genießen friedliche Picknicks am Fluss (überwiegend, wie der Großteil des Bildes, in leidenschaftslosen Mittel- und Totalaufnahmen festgehalten) und idyllische Tage im üppigen, liebevoll gepflegten Garten der Höß-Villa, auf die Hedwig sehr stolz ist. Die Kamera blickt niemals über die Mauern hinaus, die Hedwigs geliebten Azaleen, Rosen und Dahlien von der industriellen Todesfabrik auf der anderen Seite trennen. Es ist erschreckend, mit welcher Nüchternheit die Gräueltaten des etwa 25 Meter Luftlinie entfernten KZs hier ausgeblendet werden. Und dann schaut man Höß beim Diktat eines gekränkten Memos zu, in welchem er sich  über den Mangel an Respekt gegenüber seinen wertvollen Fliedern, die das "Lager zu einem ansehnlicheren Ort machen sollen" beschwert und weiteren respektlosen Umgang mit seinen Pflanzen unter Strafe stellt. Aber durch Johnnie Burns unglaubliches, eindringliches Sounddesign wird der Umgebungslärm, der durch die Schrecken im Lager erzeugt wird, mit einer erstickenden Intensität hervorgerufen, die der erstickenden feurigen Rauchwolke entspricht, die fast ständig aus den Schornsteinen der Auschwitz-Hochöfen aufsteigt. Es ist die Art subtiles Filmemachen, die den Zuschauer zwingt, genauer hinzusehen.

Doch Burns bemerkenswerte Arbeit der permanenten und belastenden Hintergrundgeräusche ist nicht das einzige akustische Element, das zur brutalen Kraft des Films beiträgt. Glazer arbeitet erneut mit der Komponistin Mica Levi zusammen, die bereits an seinem vorherigen Film "Under The Skin" mitwirkte. Levis spärlich verwendete Partitur, begleitet von unheimlichen Nachtsicht-Wärmebildern, reißt den Zuschauer aus der ahnungslosen Banalität des Höß-Haushalts heraus. Und ihre Kompositionen ergänzen das Bild mit etwas, das wie ein Chor gequälter Seelen klingt.


Ein nagendes Gefühl der Angst durchdringt den gesamten Film, erzeugt durch Ton und Partitur, aber auch durch aufschlussreiche Details, wie zum Beispiel die Art und Weise, wie die Arbeit des Vaters das Spiel seiner Kinder verunreinigt hat (der ältere Junge sperrt seinen kleinen Bruder in ein Gewächshaus ein und grinst diabolisch, während er das zischende Geräusch von Gas erzeugt). Oder der Kindergeburtstag, bei dem Kinder unbeschwert im familieneigenen Pool herumplanschen, während man im Hintergrund den Rauch von einfahrenden Lokomotiven sieht und die Hochhöfen Feuer und Asche spucken. Oder ein Angelausflug mit Kindern, die im Wasser spielen, während sich das Wasser  quälend langsam schlammig-braun verfärbt und Höß, der selbst ruhig im Wasser steht und auf einen Zug an der Sehne wartet, einen Teil eines Schädelknochens aus dem Wasser fischt. Es ist ein grausames Spiel, dem wir hier zusehen und vieles davon brennt sich geradezu in das Hirn.

Unscheinbar, aber tadellos in den beiden Hauptrollen, brillieren sowohl Friedel als auch Hüller. Friedel spielt Rudolf als pedantischen Bürokraten mittlerer Ebene mit dünner, stichelnder Stimme und dem Haarschnitt eines Despoten, dessen bedingungslose Effizienz und sein Engagement für die Sache des Nationalsozialismus ihm einen raschen Aufstieg innerhalb der SS ermöglicht haben. Und Hüllers Hedy lacht über ihr Glück, während sie die erlesensten Besitztümer ermordeter jüdischer Gefangener auswählt und dabei ihren neuen Status wie einen entwendeten Nerzmantel zur Schau stellt. Nirgendwo kommt die zurückhaltende Brillanz von Hüllers Leistung besser zum Ausdruck als in der Wiedergabe einer einzigen Dialogzeile, in der sie ihrem Hausmädchen zu zischt: "Ich könnte meinen Mann bitten, deine Asche auf den Feldern von Babice zu verteilen." Es könnte wie eine tödliche Waffe gehandhabt werden, aber Hüller sagt es im Plauderton, fast freundlich. Und der Aufprall raubt Ihrem Körper beinahe den Atem. Überhaupt ist der Aufprall, der diesen Film so besonders macht. Der Kontrast zwischen harmonischen Familienleben, während die Schreie der Gefangenen permanent über die Mauern dringen, ist schlichtweg erschütternd. Und das Plädoyer, das Urteil, was Glazer indirekt fällt, ist wohl, dass es sich bei solchen Menschen wohl einfach nur um den Bodensatz der Gesellschaft handelt.

9/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Leonine
Poster/Artwork: A24/Extreme Emotions/JW Films

Montag, 18. März 2024

Saltburn (2023)

https://www.imdb.com/title/tt17351924/

Nur mithilfe eines Stipendiums kann Oliver Quick (Barry Keoghan) an der renommierten Oxford-Universität studieren. Er fristet seinen Alltag als Außenseiter, der zu keiner Party eingeladen wird und für viele seiner reichen Mitstudenten am unteren Ende der sozialen Hierarchie steht. Durch einen dummen Zufall lernt er den charmanten und sehr beliebten Felix (Jacob Elordi) kennen, der aus einer sehr reichen Familie stammt und der Oliver für den Sommer auf das Anwesen der Familie in Saltburn einladen möchte. Anfangs fühlt sich Oliver geschmeichelt, ist überwältigt von Felix, seiner Familie und dem vielen Geld. Doch Glamour und Glitzer lösen sich mehr und mehr auf und Oliver gerät in zwielichtige dunkle Abgründe, aus denen es vielleicht kein Entkommen gibt.

Die Schauspielerin/Regisseurin/Drehbuchautorin Emerald Fennell hat ganz offenbar keine Scheu davor, die dunkle Seite der Lust und Sehnsucht zu zeigen. Ihr abendfüllendes Regiedebüt "Promising Young Woman" brachte ihr einen Oscar für das beste Originaldrehbuch und eine Nominierung für die beste Regie ein - Hut ab! Mit ihrem zweiten Film "Saltburn" richtet Fennell ihren messerscharfen Witz an die britische Oberschicht, an die Art vage aristokratischer, ungeordnet dekadenter und erbärmlich versnobter Leute, die sich eines entsetzlichen Reichtums und Privilegien zusammen mit einem Anwesen rühmen, das so groß ist, dass es seinen eigenen Namen hat: Saltburn. In Fennells mit Spannung erwartetem Film präsentiert sie dem Publikum erneut einen Antihelden, der Sex und Stereotypen als Werkzeuge nutzt, um seine dunkelsten Wünsche zu verwirklichen. Während einige Kritiker "Saltburn" grob als "Der talentierte Mr. Ripoff" denunziert haben, ist dieser Vergleich mit Anthony Minghellas Verfilmung von Patricia Highsmiths Roman aus dem Jahr 1999 bestenfalls dürftig. Vielleicht liegt das Problem darin, dass in einer Kinolandschaft, die von Superheldenfilmen und kinderfreundlichen Thrillern überschwemmt wird, Kino für Erwachsene so selten ist, dass es zu ungeschickten Vergleichen wie diesen kommt.


Während "Saltburn" einen vertrauten Rahmen für klassische Geschichten über Besessenheit und Täuschung aufweist, bietet Fennells Liebe zu kitschigen Modetrends, aktuellen Songs und dem chaotischen Bereich, in dem Anziehung auf Abstoßung trifft, dem Publikum einen Nervenkitzel, der einzigartig erschütternd, urkomisch und berauschend ist. Darüber hinaus ist "Saltburn" ein Thriller, der selbstbewusst in eine queere Komödie übergeht. Der für den Oscar nominierte Barry Keoghan spielt Oliver Quick, einen "Stipendiaten", der 2006 neben einer Schar der wohlhabendsten Jugendlichen Großbritanniens die Universität Oxford besucht. Während ihn unermüdliche harte Arbeit dorthin brachte, wurden ihre Plätze durch Vermächtnisse, Familiennamen und jede Menge Spenden gesichert. Während er mit Brille und Blazer schrecklich düster aussieht, sehen sie in Haute Couture-Jogginghosen und Augenbrauenringen mühelos cool aus.

Die Generation Z kann die Mode der 00er ohne Ironie zurückbringen, aber Fennell erinnert den Zuschauer nur zu gern daran, wie unglaublich uncool selbst die angesagtesten Passformen dieser Ära waren. Die visuellen Witze reichen von der Enthüllung schmerzlich bedauerlicher Modeentscheidungen bis hin zu Oliver, der vor einer komisch großen Herrenhaustür steht und nicht weiß, wie er überhaupt mit einem solch antiquierten Symbol für Wohlstand und Torwächter umgehen soll. Aber auch wenn die coolen Kids den Zuschauer im Nachhinein vielleicht zum Lachen bringen, sehnt sich Oliver danach, mit ihnen zusammen zu sein. Oder genauer gesagt, er sehnt sich zutiefst danach, mit ihrem König zusammen zu sein, dem heißen, aber dämlichen Felix Catton (Jacob Elordi). Abgesehen von Klassenkonflikten werden "Ollie" und Felix schnell Freunde, und als der Sommer naht, lädt Letzterer seinen armen Freund ein, sich ihm auf dem lächerlich großen Anwesen der Familie anzuschließen.

Der Gothic-Rahmen des Films beinhaltet einen erwachsenen und finsteren Oliver, der auf diesen Sommer zurückblickt und sein Publikum warnt, dass die Leute seine Gefühle für Felix missverstanden haben. Im Laufe des Films wird dieser bedrohliche Off-Kommentar zu hören sein, der etwas mehr Farbe - oder Schatten - verleiht und gleichzeitig daran erinnert, dass all dies der mystischen Erzählung einer ebenso rätselhaften wie faszinierenden Figur entspringt. Oliver wird im Catton-Haus zum figurativen Gestaltwandler, der seine Persönlichkeit verändert, um jeden seiner Zuhörer bestmöglich zu besänftigen: das Projekt, den Schwarm, den Studenten, den Mitverschwörer. Aber zu welchem Zweck?


Während der erste Akt auf dem Oxford-Campus voller Cringe-Comedy der Art sozialer Peinlichkeiten ist, brennt der zweite Akt in "Saltburn" selbst mit seiner glühenden Satire auf die sogenannte Elite. Rosamund Pike liefert ihre bisher lustigste Darstellung als Mutter Elspeth, die von ihrer Sorge um andere plappert - zwischen einigen der scharfsinnigsten Bemerkungen, die je im Film zu sehen waren. Ihr vernichtender Vortrag "Sie wird alles tun, um Aufmerksamkeit zu erregen" könnte dabei eine der besten Pointen sein. Mit einem breiten Lächeln und einem unbeschwerten Ton begrüßt Pike das Publikum in "Saltburn" und sticht dann schnell mit einer Reihe zunehmend empörender Geständnisse hervor. Oliver - und die Zuschauer - werden zu begeisterten Zuhörern. Sie ist elektrisierend in ihrer unbekümmerten Grausamkeit, aber mit der britischen Helligkeit, die ihre Schärfe umso erschütternder macht.

Carey Mulligan, die für den Oscar nominierte Hauptdarstellerin von "Promising Young Woman", trifft sich wieder mit Fennell, um eine schrullige Freundin der Catton-Familie zu spielen. Und obwohl ihr Auftritt nur kurz ist, ist er voller komischer, flüchtiger Kommentare und rücksichtslos witziger Reaktionsschüsse. Der für den Oscar nominierte Richard E. Grant sorgt als ahnungsloser, aber gelegentlich mutiger Patriarch der Familie für zusätzlichen Schwung. Alison Oliver schlüpft in die Rolle von Felix‘ kleiner Schwester, die Unruhe stiftet, während Elordi hinterlistig Felix spielt, der nichts Besonderes ist, außer den Eigenschaften heiß, jung und reich zu sein. Es ist nicht so, dass er die Rolle halbherzig spielt; Vielmehr ist sein achselzuckendes Porträt eine Verdammnis für solch arme, kleine, reiche Jungs, die nicht so sehr auf Charme, sondern auf Privilegien setzen. Archie Madekwe, einer der Catton-Cousins, die sich immer über die Rangliste geärgert haben, ist interessant darin, Oliver zu schikanieren und sich für eine Katze im Spiel zu halten, während er nur eine weitere mit Juwelen besetzte Maus ist. Und ein großes Lob gilt Lolly Adefope. Sie spielt eine kleine, aber bissige Rolle als Dame, die über all diesen noblen Unsinn hinweg ist - insbesondere über ihren Idioten eines wohlhabenden Ehemanns.

Der irische Schauspieler hat seit seinem eindringlichen Auftritt in Yorgos Lanthimos‘ intellektuellem Thriller "The Killing Of A Sacred Deer" aus dem Jahr 2017 großes Lob von Kritikern erhalten. Und jetzt engagiert sich Keoghan voll und ganz für eine Rolle, die einen dazu bringt, wegzuschauen. Obwohl Oliver Erzähler und Protagonist in "Saltburn" ist, ist er dennoch eine schlüpfrige Figur. Keoghans durchdringender Blick konzentriert sich auf Felix, und es ist schwer einzuschätzen, ob Oliver Liebe, Lust, Eifersucht, Hass oder eine berauschende Mischung aus all dem und mehr empfindet. Die Rolle des Oliver besteht aus Masken, und Keoghan trägt jede einzelne so überzeugend, dass es ein spannendes Spiel ist, zu erraten, welche real ist. Meint er seine schneidige Einschätzung der unschätzbaren Kunstwerke des Hauses? Das knurrende Bettgeflüster während eines nächtlichen Rendezvous? Die süße Einladung zur Freundschaft? Der gedämpfte Klatsch über Cocktails?

Oliver redet über ein Spiel, egal mit wem er spricht, aber Keoghan und Fennell wissen, dass die Wahrheit über ihn in seinen Taten liegt. Sex ist in "Saltburn" keine hochtrabende Anspielung. Liebesszenen - oder zumindest Lustszenen - spielen sich mit einem instinktiven Vergnügen ab. Fennell lehnt die glänzende Zurschaustellung von Fleisch ab und schwelgt stattdessen in Schweiß, Spucke, Sperma und Menstruationsblut, klebrig und zähflüssig. Doch Fennells Film projiziert kein Urteil über die oben genannten Punkte, da er eng mit Olivers Sichtweise verbunden ist und er sich definitiv nicht schämt. Keoghan drückt dies im Vertrauen auf seine Körperlichkeit in diesen Sexszenen und darüber hinaus aus, bis hin zu einem Höhepunkt, der kinetisch, köstlich teuflisch und übertrieben ist.

8,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe: amazon Video
Poster/Artwork: amazon Video