Der englische Königshof im 18. Jahrhundert: England befindet sich im Krieg gegen Frankreich, doch die kranke und geschwächte Königin Anne (Olivia Colman) ist kaum in der Lage die Nation zu regieren. Stattdessen liegt die Zukunft ihres Landes in den Händen ihrer Vertrauten Lady Sarah (Rachel Weisz), die sich neben den Regierungsgeschäften auch noch um Annes Gesundheit kümmert und versucht, deren Launen im Zaum zu halten. Die Monarchin ist nämlich eine anstrengende Person, die sehr impulsiv ist und zu Wutausbrüchen neigt. Bald tritt ein neues Dienstmädchen, Sarahs Cousine Abigail (Emma Stone), die ihren Adelstitel verloren hat, ihre Stelle am Hofe an und übernimmt zunächst niedere Arbeiten. Schnell wird aber Königin Anne auf den Verstand und den Charme der schönen, jungen Frau aufmerksam. Abigail begegnet der Königin mit Schmeicheleien, was Sarah überhaupt nicht passt. Und so entbrennt zwischen den Cousinen damit schließlich ein erbitterter Kampf um Annes Gunst und dem damit verbundenen politischen Einfluss…
Der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos ist ein Ausnahmetalent. Er bringt wieder und wieder Filme, die einen überraschen, zum Lachen bringen, völlig skurril sind und oft ebenso absurde Geschichten erzählen. In "The Favourite: Intrigen und Irrsinn" prägt ein Trio absolut perfekter Darbietungen von Olivia Colman, Rachel Weisz und Emma Stone ein grandioses Drama - eine tragikomische Geschichte persönlicher und politischer Eifersucht und Intrigen im England des 18. Jahrhunderts. Es spielt am Hofe von Königin Anne und balanciert Kriege im Ausland mit einheimischen Auseinandersetzungen auf oft lautstarke und gelegentlich alarmierende Weise. Geschrieben von Deborah Davis (deren ursprüngliches Drehbuch aus den späten 90ern stammt) und Tony McNamara, zeichnet sich dieser Film durch messerscharfe Dialoge aus.
Colman spielt Königin Anne, übergewichtig und depressiv, von Gicht geplagt und von Selbstmordgedanken gequält. Als unsichere Herrscherin verlässt sie sich auf den Rat ihrer Freundin und Geliebten Lady Sarah Churchill (Weisz, mit der Colman auch in Lanthimos‘ "The Lobster" zusammen spielte). Ihr Schlafzimmer ist voller Kaninchen, die sie "die Kleinen" nennt, und ihre wunden Beine brauchen ständig die Aufmerksamkeit der massierenden Hände von Sarah, die sich auch um Annes andere fleischliche Bedürfnisse kümmert. Auf Sarahs Bitte hin erwägt die Königin eine Verdoppelung der Grundsteuern, um den Krieg gegen Frankreich zu finanzieren, in dem Sarahs Ehemann, der Herzog von Marlborough (Mark Gatiss), Siege erringt. Aber Robert Harley (Nicholas Hoult, ein absurd bestückter und geschminkter Trottel) führt eine lautstarke Opposition an, die einen Friedensvertrag fordert, um "Geld und Leben zu retten". In diese Enklave kommt Abigail (Emma Stone), Sarahs mittellose Cousine, die "tief gefallen" ist (nicht ganz subtil: sie landet mit dem Gesicht im Schlamm) und nun Arbeit sucht. Mit einer Mischung aus Mitleid und Fehleinschätzung schickt Sarah Abigail in die Spülküche des Palastes, damit sie sich sich dort als Magd nützlich machen kann. Doch schon bald gelangt der Eindringling in Annes Schlafzimmer, wo sie mehr als nur die schmerzenden Beine der Königin lindert. "Ich mag es, wenn sie ihre Zunge in mich steckt", sagt Anne neckend zu Sarah und löst damit einen Machtkampf um die Aufmerksamkeit der Königin aus.
Mit seiner Mischung aus korsettierten Intrigen und lustvollen Doppelgängern besitzt "The Favourite", trotz des nominell historischen Schauplatzes, nicht die biedere Distanz eines Kostümdramas. Im Gegenteil, es fühlt sich grausam und köstlich zeitgenössisch an, durchdrungen von einem Gefühl modernistischer Absurdität. Dieses absurde Element wird durch Robbie Ryans Kinematographie betont, der Weitwinkelobjektive verwendet, um die Ecken der Welt auf eine Weise zu verbiegen, die teils Traum, teils Albtraum ist. Ryans Kameras schleichen und schweben von einem unerwarteten Aussichtspunkt zum nächsten und bieten einen schlagfertigen Blick auf das Leben im Palast, eine hermetisch abgeschlossene Realität, losgelöst von einer bestimmten Zeit und einem bestimmten Ort. Ein Hauch der Verrücktheit aus "Alice im Wunderland" scheint in Annes königlichem Reich zu existieren, als würde der Zuschauer direkt in den Kaninchenbau blicken. Diese Schlafzimmer-Farce mag globale Konsequenzen haben, aber die weite Welt da draußen bleibt genau das - draußen.
Inmitten dieser Fremdartigkeit halten die zentralen Darbietungen den Zuschauer auf dem Boden. Colman ist einfach großartig als fehlbesetzter Monarch, der kindliches Pathos mit königlicher Streiterei und einem spürbaren Gefühl des Schmerzes verbindet. Unter dem Flüstern der Tragödie erfährt man bald, dass Anne um 17 verlorene Kinder trauert ("Manche wurden als Blut geboren, andere ohne Atem, und einige waren nur eine sehr kurze Zeit bei mir."). In einer besonders bewegenden Szene reißt Anne, nachdem sie sich über den Anblick musizierender Kinder aufgeregt hat, einem Höfling ein Baby aus den Armen, bevor sie vor orientierungslosem Entsetzen fast zusammenbricht. Trotz Colmans perfekt getimter Komödie sind es diese Momente von Annes existenzieller Angst, die wirklich ins Auge stechen. Als Sarah verkörpert Weisz eiserne Entschlossenheit, eine furchtlose Präsenz, die ihre Feinde in der Nähe hält, vorausgesetzt, sie kann sie jederzeit erdolchen. Eine Szene, in der sie den Emporkömmling Abigail mit dem Inhalt eines Bücherregals bewirft, ist großartig körperlich. Auch Stone ist exzellent, denn er meistert den Wechsel zwischen scheinbarer Unschuld und Entschlossenheit mit Subtilität. Ein Soundtrack, der von den üppigen Klängen von Händel, Purcell und Vivaldi bis zur experimentellen Nervosität von Anna Meredith und Elton Johns Cembalo reicht, trägt zur ausgefallenen Atmosphäre bei und hält das Publikum auf Trab - wachsam, verunsichert und äußerst unterhaltend. Ein toller Film.8,5/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Disney+ / Twentieth Century Fox
Poster/Artwork: Twentieth Century Fox
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